»Eine ganz andere Welt war das«

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Vor 30 Jahren legte Hermann Ebel mit der »John M.« den Grundstein für sein Unternehmen Hansa Treuhand. Auf den 560[ds_preview]-TEU-Frachter folgten bis heute weitere 100 Schiffe

Eine gewisse Zuneigung hat Hermann Ebel, 64, zu wohl jedem Schiff entwickelt – ganz gleich, ob er es als einstiger Werftgeschäftsführer bauen ließ, als Initiator projektierte oder als Schiffsmanager bereedert. Und es gab ja auch viele, die etwas ganz Besonderes waren oder sind: die ersten Gastanker etwa, die legendären Vulkan-Kühlschiffe oder auch der Kreuzfahrtsegler »Sea Cloud«. Alle wären sie ein Kandidat für Ebels »Liebste«, aber ein Schiff hat es dem Chef von Hansa Treuhand besonders angetan: »John M.«, eines der wenigen männlichen Namen auf See und zugleich Ebels erstes Schiff. Es legte 1983 den Grundstein für sein bis heute erfolgreiches Hamburger Unternehmen.

Ein Ölgemälde an prominenter Stelle in Ebels gläsernem Dachbüro mit Blick über die Alster verdeutlicht seine Verbundenheit mit dem 560-TEU-Frachter, der im Dezember 1983 seine erste Reise antrat – damals noch bereedert von Carsten Rehder, dessen erstes Vollcontainerschiff »John M.« war. Seinen ungewöhnlichen Namen hatte das Schiff erhalten, weil ein Bruder des Großvaters von Thomas Rehder – der heutige Inhaber der Reederei – John hieß. Außerdem hatte dieser John einen guten Freund, der Johnny Max Lindemann hieß. Daher also der Name »John M.«.

Hermann Ebel, der aus der Werftindus­trie in den Emissionsmarkt kam und schon für die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) Schiffe platziert hatte, stieg selbst erst 1987 in das Bereederungsgeschäft ein – mit einem 25-prozentigen Anteil an der neu gegründeten Leonhardt & Blumberg Schiffahrtsgesellschaft, bevor er 1995 mit Hansa Shipping seine eigene Schiffsmanagementsparte ins Leben rief. Jedenfalls half ihm das bei Lindenau in Kiel gebaute Schiff dabei, sein Unternehmen auf einer soliden Basis aufzubauen. Wäre Ebel mit seinem ersten Projekt – salopp gesagt – »Baden gegangen«, gäbe es seine Hansa Treuhand heute wohl nicht.

Der 127 m lange und 19,8 m breite Frachter war ein modifizierter RW39-Typ, erinnert sich Ebel, den auch die Rickmers-Werft in Bremerhaven damals gebaut habe. Als Container-Mehrzweckschiff bot »John M.« die Möglichkeit, Zwischendecks einzuhängen, zudem verfügte es über ein eigenes Ladegeschirr. Daher setzten Charterer das Schiff auch in kleinen, noch nicht sehr weit entwickelten Häfen in Afrika, dem Mittelmeer und der Karibik ein. In den ersten Jahren fuhr es unter anderem für die Deutsche Nahost Linie und Maersk.

Der Start mit »John M.« und der damit verbundenen Gründung von Hansa Treuhand am 1. Oktober 1983 war dennoch nicht leicht. Zum einen gab es schon etablierte Konkurrenten wie Conti oder Norddeutsche Vermögen. Zum anderen herrschte auch damals eine Schifffahrtskrise. Es gab ein Überangebot an Tonnage, die Raten waren im Keller, kaum ein Frachter erwirtschaftete seinen Kapitaldienst, und die Banken waren auch »nicht gerade heiß auf neue Schiffe«, erinnert sich Ebel.

Aber Werften wie Lindenau, Vulkan oder später auch die FSG suchten Partner wie Ebel und sein junges Unternehmen, um Schiffe an den Mann oder die Frau zu bringen. Das gelang aus zweierlei Gründen: Der Staat wollte die Werftlandschaft erhalten und steuerte kräftige Bundeszuschüsse von bis zu 17,5 % bei, zudem gab es subventionierte Zinsen durch die KfW Bank – sie lagen in der Regel bei 8 statt 12 %. Schließlich gewährte der Staat Anlegern auch großzügige Verlustzuschreibungen von mehr als 200 %, sodass das Risiko für den Investor »sehr limitiert« war, sagt Ebel. »Die Steuereffekte bei der Finanzierung waren so hoch, sodass es im Prinzip egal war, ob der Anleger mit dem Schiff Geld verdiente oder ob er damit nur Steuern sparte.«

Die ersten Jahre in der Krise waren aber dennoch eng. »Wir haben gleich mit dem ersten Schiff Sanierung üben müssen«, so Ebel. Die Banken gewährten Tilgungsstundungen, aber als die Märkte anzogen, fuhren »John M.« und die mittlerweile rund zehn dazugekommenen anderen Schiffe ihre Kapitalkosten wieder ein. In Verbindung mit dem damals geltenden Steuersparmodell wurde der Containerfrachter für Ebel und die Anleger am Ende ein tolles Geschäft. Für 100 DM Einsatz erhielten die Investoren beim Verkauf nach 14 Jahren 147,93 DM zurück, die jährliche Rendite (IRR) nach Steuern betrug 24,6 %. Nur acht der mehr als 40 bis heute durch Hansa Treuhand verkauften Schiffe übertrafen diese Zahl.

»Das war natürlich eine ganz andere Welt«, sagt Ebel etwas wehmütig mit Blick auf die heutige Anlegerflaute, Regulierungshürden wie AIFM und eine Tonnagesteuer, die im schlechten Markt nun wirklich keine Subvention ist.

Aber Grund zur Klage hat Ebel nicht. Auf »John M.« folgten 100 weitere Platzierungen. 56 fondsfinanzierte Schiffe sind aktuell noch auf den Weltmeeren unterwegs, dazu kommen 15 reedereieigene. Und auch wenn der krisenerprobte Schiffsmanager die aktuelle Misere an den Märk­ten als besonders tief und lang beschreibt, ist er keiner, der die Flinte ins Korn wirft. »Wir dürfen nicht vergessen, dass wir vor der Krise auch einen Boom hatten, der so lange anhielt wie nie zuvor«, hält Ebel fest. »Die jetzige Doppelkrise aus Überkapa­zitäten bei der Tonnage und einer Bankenkrise wiegt schwer, aber der nächste Aufschwung kommt bestimmt.« Der Hansa-Treuhand-Chef glaubt, dass die Talsohle bereits durchschritten ist und behält die Nerven. In vielen seiner Fonds wurde vorausschauend vorausgetilgt, Schiffe wurden zur Risikostreuung früh gepoolt und manche auch im reifen Zyklus für gutes Geld verkauft.

»Wenn ich noch einmal Mitte 30 wäre wie damals, würde ich heute wieder ein unternehmerisches Wagnis eingehen«, resümiert Ebel. »Ich habe in der Krise begonnen, was Möglichkeiten eröffnet hat – in einem saturierten Markt ist das schwierig.« Nun sei ein Zeitpunkt gekommen, um antizyklisch zu investieren und Schiffe günstig einzusammeln. Aber das überlässt Ebel erst einmal anderen. Ihm geht es zunächst darum, seine Flotte sicher durch das schwere Wetter zu steuern.

Das Kapitel »John M.« ist im Übrigen zu Ende gegangen. Nachdem der Containerfrachter 1997 von Carsten Rehder und einem kleinen Kreis von Mitinvestoren übernommen wurde, ist er kürzlich verschrottet worden. Die guten Erinnerungen, jedoch, die bleiben.