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Entlang der Container-Transportkette gibt es noch zu wenig Kooperation. Das könnte sich rächen, wenn die Verkehrsmengen wieder anschwellen und Kapazitäten knapp werden. Auf dem CeMat Hafenforum in Hamburg wurde deutlich, dass schon kleine gemeinsame Maßnahmen große Wirkung entfalten können.
Während in der Schifffahrt aufgrund von Überkapazitäten Krisenstimmung herrscht, machen sich die Umschlag- und Transportdienstleister im Seehafenhinterlandverkehr Sorgen, wie sie[ds_preview] mit den steigenden Verkehrsmengen fertig werden können. Das Container- und Stückgutaufkommen liegt je nach Hafenstandort in Nordeuropa wieder in der Nähe alter Rekordwerte oder schon darüber. Entsprechend groß ist der Druck auf die Straßen- und Schieneninfrastruktur – zumindest im Einzugsbereich der etablierten Häfen wie Hamburg und Bremen/Bremerhaven.

Branchenexperten warnen bereits, dass der Seehafenhinterlandverkehr bald wieder auf die Zerreißprobe gestellt werden könnte – so wie in den Jahren nach 2004, als der boomende Europa–Fernost-Handel alle Erwartungen übertraf und die Ladung gar nicht schnell genug abgefahren werden konnte. »Die Supply Chain hat leider niemals die Realität erreicht. Wir brauchen aber die anderen Player, und die anderen Player brauchen uns«, kritisierte Thomas Lütje, Geschäftsführer für den Terminal­bereich der Hamburger Hafen und Logis­tik AG (HHLA), auf dem CeMAT Hafenforum.

Trotz vieler Gespräche und Appelle seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts gebe es bislang keine vernünftige gemeinsame Planung und Abstimmung von Ladungsübergaben. Die Folge: Kostspielige Wartezeiten für Equipment und Verkehrsträger an den Schnittstellen zwischen Umschlagterminal, Bahn- und Lkw-Abfertigung, Distributions­zentren und Depots. »Vor allem die Industrie im Hinterland ist heute noch nicht auf einen Betrieb rund um die Uhr eingestellt«, erklärte Lütje. Die Lkw-Spediteure könnten die Container zwar auch abends oder nachts am Burchardkai abholen – außerhalb der Stoßzeiten. »Aber was hilft das, wenn der Lkw dann nachts um zwei Uhr in Hannover steht, weil das Lager dort erst um acht Uhr aufmacht?«, verdeutlichte Lütje. Die Abhol- und Anlieferprozesse müssten aber dringend entzerrt und die Hauptverkehrszeiten »geglättet« werden, weil die wachsenden Mengen sonst nicht vernünftig zu bewältigen sein. Dies sei nur durch »eine Streuung der Lkw-Verkehre über die Nacht« sowie eine »schärfere Taktung im Bereich Schiene« möglich, merkte der HHLA-Geschäftsführer an.

Intelligentere Lkw-Disposition

Die Terminals haben ihre eigene Pro­duktivität bereits beträchtlich gesteigert – so zum Beispiel durch Einführung der hochdichten Container-Lagerblöcke am Burchardkai und eine cleverere Verknüpfung von Lösch- und Ladebewegungen der Containerbrücken. Ohne entsprechende Verbesserungen bei der Lkw- und Bahndisposition drohen sich die Engpässe im Zu- und Ablauf der Terminals aber noch zu verschärfen.

Kritiker aus Spedition und Logistik werfen den Terminalbetreibern wiederum vor, dass sie sich einseitig auf die Optimierung der Seeschiffsabfertigung konzentrieren und die landseitigen Verkehrsträger – vor allem Lkw und Binnenschiff – vernachlässigen. In Hamburg bemühen sich die Logistik-Initiative und die Hafenverwaltung HPA, den Informationsaustausch und eine gemeinsame Transportplanung zwischen Terminals und Lkw zu fördern. Nach langwierigen Diskussionen und Vorarbeiten seien nun telematische Lösungen zum Greifen nahe, die es ermöglichen, den Lkw-Zulauf auf die Hafenterminals bedarfs­gerecht zu steuern, unterstrich Hans Stapelfeldt, Geschäftsführer des Unternehmens Stapelfeldt Transport und stellvertretender Vorsitzender der Logistik-Initiative Hamburg.

Das könnte so aussehen, dass sich die Lkw bereits beim Terminal anmelden, bevor sie nach Hamburg kommen und mit der Einfahrt ins Terminal so lange warten, bis der jeweilige Container im Hafen freigestellt und abholbereit ist. Die Fahrer könnten in der Zwischenzeit eine Ruhepause einlegen – zum Beispiel auf einer Autobahnrast­stätte. Per SMS werden sie dann benachrichtigt, wann sie sich auf die letzte Etappe zum Terminal machen können. Heutzutage treffen die Trucker meist ohne Voranmeldung im Hafen ein.

»Die Konzepte liegen jetzt vor. Wir haben die letzten drei Jahre intensiv daran gear­beitet«, merkte Stapelfeldt an. »Dann hätten wir eine Truck Supply Chain, mit der wir 11 Mio. TEU in Hamburg darstellen könnten.« Auch die Verlader sollten ihren Teil dazu beitragen, dass der Datenaustausch zwischen Terminal und Fahrer zum Durchbruch kommt, indem sie entsprechende Verfahren in ihren Transportausschreibungen zur Voraussetzung machen, regte Stapelfeldt an.

Binnenschiff mit Potenzial

Wichtige Impulse zur Entlastung des Hafens Hamburg und der Straßeninfrastruktur könnte neben der Bahn auch das Binnenschiff liefern. Bislang aber dümpelt der Anteil der Binnenschiffstransporte am Containeraufkommen im Hamburger Hafen im niedrigen einstelligen Prozentbereich, dabei sei dies der Verkehrsträger mit den größten »Reservekapazitäten«, erklärte Boris Kluge, Geschäftsführer des Bundesverbands öffentlicher Binnenhäfen.

Vor allem zwei Faktoren behindern die Wettbewerbsfähigkeit des Binnenschiffs: die aus Sicht des Gewerbes unzureichende Instandsetzung der Fahrrinne auf der Elbe südlich von Magdeburg und die erhöhten Abfertigungskosten im Terminal. Anders als der Lkw muss das Binnenschiff die erforderlichen Lade- und Lösch-Moves der Containerbrücken bezahlen. Diese Umladungskosten machen den Transport in vielen Fällen zu teuer für den Endkunden. Wie die Systemkosten verringert und die Binnen­schiffsabfertigung optimiert werden können, dazu will die HHLA Lütje zufolge bis Jahresende ein Konzept vorlegen.

Mehr Bündelung im Inland

Einigkeit herrschte unter den Teilnehmern des CeMAT Hafenforums, dass die Bedeutung von Inlandshäfen und Kombiterminals für den Umschlag Straße/Schiene im Containerverkehr in Zukunft noch steigen wird. Die wachsenden Ladungsmengen ließen sich nur vernünftig abwickeln, wenn im Hinterland noch gezielter gebündelt und vorsortiert wird, hieß es. Zusätzliche Kapazitäten auf der Schiene und in den Umschlaganlagen des kombinierten Verkehrs ließen sich ganz einfach erschließen, wenn es gelänge, die Seecontainerverkehre mit den rein kontinentalen Güterbahnverkehren (Wechselbrücken, kranbare Trailer etc.) zu verknüpfen. Beide Ströme werden heute großenteils separat abgewickelt, sodass freie Kapazitäten nicht geteilt werden können.

»Dahinter stehen völlig unterschiedliche Produktionsweisen. Ein Teil der Reserve­kapazität liegt aber in der Bündelung dieser beiden Mengen. Dort, wo wir eine Mischung erreichen, wird auch die Effizienz steigen«, gab sich Markus Bangen, Mitglied des Vorstands der Duisburger Hafen AG (Duisport), optimistisch. Zudem müssten die Binnenterminals generell mehr in die Prozessoptimierung investieren. »Innovationen haben wir in vielen Terminals in den vergangenen Jahren gar nicht gesehen«, konstatierte Bangen, der viel Nachholbedarf bei Automatisierungstechnologien ausmacht.

Beispiele dafür nannte Mathias Dobner, Geschäftsführer des Kranherstellers Gottwald Port Technology. So wie in teilautomatisierten Seeterminals wie dem Container Terminal Altenwerder (CTA) der HHLA wäre es auch in einem Bahn- und Binnenschiffsterminal möglich, den Umschlag von den Transporteinlageraufgaben zu trennen. Am CTA funktioniert das so: Der Kranführer in der »Hauptkatze« der Containerbrücke konzentriert sich nur auf das Laden und Löschen des Seeschiffs, stellt die Importcontainer auf die Laschplattform der Brücke und fährt gleich zurück ans Schiff. Eine zweite Portalkatze kümmert sich unterdessen um die Umladung des Containers auf ein automatisches Fahrzeug (AGV), das die Box dann zu einem Stapelkran fährt, der die Einlagerung übernimmt. Auch die automatische Be- und Entladung von Waggons und Trucks wird in den Inlandterminals wohl bald möglich sein. »Ich glaube, dass da einige ganz nah dran sind«, sagte Dobner.

Produktivität durch »Mega-Hub«

Nach Einschätzung des Binnenschiffs- und Terminalbetreibers Contargo, der zahlreiche Anlagen entlang des Rheins betreibt, agiert die Binnenschifffahrt bislang noch zu kleinteilig. Man könnte die Produktivität auf ein ganz anderes Niveau heben, wenn man als zusätzlichen Umladepunkt einen »Mega-Hub« davor schalte und den Binnenschiffsverkehr in Haupt- und Vor- bzw. Nachlauf teile. Das Unternehmen spielt seit Jahren den Aufbau eines solchen Hubs mit einer Umschlagkapazität von 1 Mio. TEU am Rhein irgendwo zwischen Düsseldorf und Nijmegen durch. Von dort sollen großvolumige Dienste mit Schiffen von 500 TEU Kapazität nach Rotterdam und Antwerpen durchgeführt werden – »sortenrein« beladen für bestimmte Terminals, sodass keine Verholzeiten anfallen.

Die Lade- und Wartezeiten der Binnenschiffe ließen sich dadurch laut Contargo-Geschäftsführer Heinrich Kerstgens auf rund ein Drittel der Betriebszeit verringern. Die Abholung und Anlieferung der Container an den weiter südlich gelagerten Satellitenterminals am Rhein würden kleinere Schiffe übernehmen. Kerstgens ist sich der dadurch extra anfallenden Umladungskosten bewusst. »Die zusätzlichen Umschlagkosten am Mega-Hub lassen sich jedoch durch Effizienzgewinne kompensieren«, erklärte er.


Michael Hollmann