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Zukunftsweisender Korrosionsschutz steht angesichts wachsender Auflagen vor großen Herausforderungen. Sorgfältigeres Planen und Verarbeiten gehören unbedingt dazu, sagt Daniel Engel von Corroconsult im Gespräch mit der HANSA
Herr Engel, wann und wo tritt Korrosion eigentlich auf?

Daniel Engel: Korrosion tritt auf, wenn ein Werkstoff einer[ds_preview] Umgebung ausgesetzt wird, sei es einer Seeatmosphäre, Landatmosphäre, unter Wasser etc. Der Werkstoff reagiert an seiner Grenzfläche mit der Umwelt, was zu einer Veränderung der Oberfläche führen kann. Die Ausbildung einer Korrosions-/Oxidschicht und eine Reduzierung der Wanddicke wird im Falle eines ungeschützten Schiffbaustahls in der See­atmosphäre oder in Seewasser die Konsequenz sein.

Diese korrosive Reaktion ist daher insbesondere bei einer Kombination aus aggressiver Umgebung und Metallen anzutreffen, also insbesondere bei den un- und niedrig­legierten Stählen im maritimen Einsatz. Auf Schiffen sind das z. B. Rumpf, Ballasttanks, Aufbauten, Deckequipment, Lukendeckel usw. Sofern dem Korrosionsprozess keine effizienten Schutzmaßnahmen entgegen ge­setzt werden, kann durch Korrosion die Funktionalität einer Konstruktion beeinträchtigt werden. Insofern ist Korrosion und Korrosionsschutz auch sicherheitsrelevant und im Rahmen von geeigneten Inspektionsstrategien zu bewerten.

Welche Einflussfaktoren sind konkret gemeint?

Engel: Die Art, Menge und Verweildauer eines zur Verfügung stehenden Elektro­lyten, also jede Form von Feuchtigkeit, begünstigt den elektrochemischen Prozess, wobei auch durch steigende Temperaturen die Korrosionsraten erhöht werden. Bereits ab einer relativen Luftfeuchte von 60 % ist davon auszugehen, dass auf einer Metall­oberfläche ein geschlossener Elektrolytfilm vorliegt. Seewasser und Seeluft enthalten Chloride, wodurch die Leitfähigkeit des Elektrolyten erhöht und damit die Korrosion begünstigt wird. Korrosion kann also in Abhängigkeit des Einsatzes sowohl atmos­phä­risch als auch im Wasser auftreten.

Welche Materialien sind besonders anfällig für Korrosion?

Engel: Das kann man nur im Zusammenhang mit der jeweiligen Umgebung beurteilen. An Deck kommt die Atmosphäre bzw. teilweise auch das Seewasser zum Tragen. Ballasttanks werden durch wechselnde Befüllungszustände beansprucht. Dort herrschen natürlich andere Verhältnisse als in einem warmen und abgeschlossenen Maschinenraum oder in einem Chemikalientank. Demnach sind Werkstoffe und Schutz­maßnahmen genau auf die Erfordernisse abzustimmen und auszuwählen.

Es gibt Standardkombinationen von Werkstoffen und Umgebungsbedingungen, von denen man weiß, dass Korrosion auftritt. Anhand von Erfahrungen und Aufzeichnungen ist zudem eine Korrosionsrate zu prognostizieren.

Welche Maßnahmen gibt es, um eine Konstruktion vor Korrosion zu schützen?

Engel: Man kann grundsätzlich drei Prinzipien unterscheiden: Der Korrosionsschutz durch Beschichtungen (passiver Korrosionsschutz) wird verwendet, um die Metalloberfläche vor ihrer Umgebung zu schützen. Der Stahl wird mit einer Isola­tionsschicht zur Trennung von Metall und korrosiven Einfüssen überzogen, üblicherweise werden hierfür organische Beschichtungsstoffe verwendet. Bei der Verwendung dieser Beschichtungsstoffe werden mit dem Korrosionsschutz häufig noch andere Funktionalitäten wie z. B. Rutschhemmung, Bewuchsschutz, Signalwirkung oder die kosmetische Gestaltung kombiniert.

Neben dem passiven Korrosionsschutz gibt es den aktiven Korrosionsschutz, bei dem über eine externe Stromquelle (Fremdstromsysteme) oder galvanische Anoden das Bauteil polarisiert werden kann und damit vor Korrosion geschützt wird. Dieses Verfahren funktioniert jedoch nur bei ausreichender Leitfähigkeit des umgebenden Mediums, also beispielsweise im Unter­wasserbereich von Schiffen, bei Offshore-Windkraftanlagen, Spundanlagen oder bei Hafenanlagen. Im atmosphärischen Bereich ist das Verfahren nicht einsetzbar. Durch die Polarisation der Oberfläche im Bereich des bekannten Schutzpotenzials wird das Auflösen des Werkstoffes, d. h. die Abgabe von Metallionen, verhindert. Im Unterwasser­bereich werden katho­dische Systeme oft in Kombination mit Beschichtungen angewendet. Durch die quasi redundanten Verfahren (aktiv/passiv) wird der Bedarf an Schutzstrom reduziert und die Bereiche mit betriebsbedingten Beschädigungen der Beschichtung werden durch den kathodischen Schutz vor Korrosion geschützt.

Die dritte Variante ist der Korrosionsschutz durch Werkstoffauswahl. In Abhängigkeit der Umgebungsbedingungen weisen verschiedene Werkstoffe, z. B. hochlegierte oder auch nichtrostende Stähle, eine Korrosionsbeständigkeit auf – wegen ihrer Werkstoffeigenschaften reagieren sie nicht oder nur unwesentlich mit der Umgebung, sie verfügen quasi über einen eingebauten Korrosionsschutz. Andere Werkstoffe wie einige seewasser­geeignete Aluminiumlegierungen oder Kunststoffe können unter bestimmten Voraussetzungen unter maritimen Bedingungen auch ohne einen zusätzlichen passiven Korrosionsschutz verwendet werden.

Welche der drei Maßnahmen haben sich in der Schifffahrt durchgesetzt?

Engel: Mindestens 90 % eines normalen Handelsschiffes besteht aus unlegiertem, sogenanntem »schwarzen« Stahl. Bleibt dieser unbehandelt, entsteht in maritimer Umgebung Korrosion. Korrosionsschutz in der Schifffahrt findet über Wasser durch organische Beschichtungssysteme statt – unter Wasser in Kombination mit kathodischen Systemen.

Wie hat sich der Umweltschutz bei der Korrosionsprävention entwickelt?

Engel: Vor allem der Korrosionsschutz durch Beschichtungssysteme ist nicht gerade für seine Umweltverträglichkeit bekannt. Durch den Einsatz von modernen und umweltfreundlichen Verfahren und Materialien konnte jedoch in den vergangenen Jahren die Umwelt deutlich entlastet werden.

Ein wesentlicher Anteil an der Umwelt­gefährdung entsteht bei der Herstellung des Korrosionsschutzes, also beispielsweise bei der Vorbereitung der Oberflächen und bei der Applikation von Korrosionsschutz­beschichtungen. Dabei werden große Mengen an Energie, Beschichtungsstoffen sowie deren flüchtige Bestandteile und andere Hilfsmaterialien benötigt. Es entstehen ferner nennenswerte Mengen an zu entsorgenden Reststoffen.

Im Neubaugeschäft auf modernen Werften wird den umwelttechnischen Aspekten zunehmend Bedeutung zugemessen. Im außereuropäischen Reparaturgeschäft werden die Möglichkeiten nicht immer optimal ausgeschöpft. Vor diesem Hintergrund ist ein leistungsfähiger, über mehrere Jahre ausgelegter Korrosionsschutz auch für den Umweltschutz sinnvoll. Dies kann schon

in der technischen Spezifikation der Korro­sionsschutzsysteme für Neubau und Reparatur berücksichtigt werden. Ein wichtiges Thema sind die VOCs (Votile Organic Compounds), also die flüch­tigen Kohlenwasserstoffe – im Volksmund Lösungsmittel genannt –, die die Ozonschicht schädigen. Diese sind restringiert, das bedeutet, dass die Verarbeiter und Beschichtungsstoffhersteller aufgefordert und gewissermaßen durch die Rechtslage gezwungen sind, die Anteile der Lösungs­mittel und deren Emission weiter zu re­duzieren.

Ein weiteres Beispiel ist das Verbot von TBT (Tributylzinnhydrid) in Antifoulingbeschichtungen, das schon seit längerer Zeit verboten ist. Weitere heute noch zu­gelassene Biozide in Antifoulingbeschichtungen könnten zukünftig verboten werden. Alternative, biozidfreie Systeme wie Antihaftbeschichtungen auf Silikonbasis werden bereits eingesetzt und weiterent­wickelt.

Beschichtungsstoffe beinhalten in der Regel sogenannte kennzeichnungspflich­tige Inhaltsstoffe, die bekannterweise die Umwelt und die Gesundheit schädigen. Die Kennzeichnungspflicht beruht auf gesetzlichen Bestimmungen. Teilweise werden jedoch auch durch die Beschichtungsstoffhersteller selbst bestimmte Gefahrenstoffe nicht mehr eingesetzt, um deren Kennzeichnung (z. B. Totenkopf) auf den Gebinden zu vermeiden. Auch daran ist das gestiegene Umweltbewusstsein der Branche zu erkennen.

Wie kann Korrosion in Zukunft noch wirksamer bekämpft bzw. vorgebeugt werden? Welche weiteren Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie?

Engel: Wie bereits erwähnt, verlangen wir nach langlebigen und leistungsfähigen Korrosionsschutzsystemen. Dazu benötigen wir technisch anspruchsvolle Produkte und eine korrekte fachmännische Anwendung. Die korrosionsschutztechnischen Erfahrungen und Kompetenzen der Planer und Verarbeiter sind daher sehr wichtig. Beispielsweise hat die Produktentwicklung im Hinblick auf die Reduzierung von VOC einen Einfluss auf die Produkteigenschaften.

Es werden heute häufig Hightech-Produkte verarbeitet, deren Eigenschaften und einzuhaltende Verarbeitungsbedingungen bekannt sein müssen und zu berücksichtigen sind. Das bedeutet eine sorgfältigere und sensiblere Planung und Verarbeitung. In Zukunft wird es also noch wichtiger werden, dass die Leute, die sich mit dem Korrosionsschutz beschäftigen, die spezifischen Eigenschaften der Produkte genau kennen.

Gibt es neue Themenfelder, die beim Korrosionsschutz in Zukunft eine Rolle spielen werden, wie etwa der Korrosionsschutz unter arktischen Bedingungen?

Engel: Alle Entwicklungen von Beschichtungsstoffen, die besonderen Beanspruchungen unterliegen, werden künftig eine Rolle spielen. Dazu zählt auch, wie sich eine Beschichtung in einer eisigen Umgebung verhält. Es gibt bereits eine ganze Reihe von Entwicklungen für eisgängige Schiffe, die im Unterwasser- bzw. Wasserlinienbereich mechanisch beständige Beschichtungen verwenden.

Den wirtschaftlichen Aspekt gilt es jedoch auch zu berücksichtigen. Es handelt sich um speziell für diese Anwendung an­gepasste Beschichtungen, die mit speziellen Verfahren appliziert und ausgehärtet/getempert werden, damit sie funktionieren. Es ist in diesem Zusammenhang aber eine Entwicklung dahingehend denkbar, dass es ei­ne »angepasste« Variante einer solchen Beschichtung auch für den Überwasserbereich von Deck und Aufbauten geben könnte.

Ein weiteres Beispiel für notwendige Weiterentwicklungen von Beschichtungsstoffen sind die extremen Anforderungen an die Farbstabilität unter starker UV-Belastung. Hier gibt es hohe Anforderungen an die Langlebigkeit von Signalfarben von Offshore-Windenergieanlagen.
Thomas Wägener