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Die Reederei Royal Caribbean International (RCI) hat nach der Phase der Konsolidierung wieder zur Expansion angesetzt. Insgesamt drei Neubauten der »Quantum«-Klasse sollen bis Juni 2016 aus Papenburg kommen.
Mit diesem neuen Schiffstyp ist ein alter Kunde an die Ems zurückgekehrt. Fast genau zehn Jahre ist es her, dass[ds_preview] die »Jewel of the Seas« von Meyer an RCI geliefert wurde. Jetzt folgt die »Quantum of the Seas«, die zugleich einen Quantensprung gegenüber den Vorgängerinnen darstellt.

Denn seither hat sich viel getan. Als die Baunummer 658 am 22. April 2004 von der Meyer Werft an Royal Caribbean International übergeben wurde, war sie noch das Maß aller Dinge. Die mit 90.000 BRZ vermessene »Jewel of the Seas« war das letzte der vier Schiffe der »Brilliance«-Klasse, die zwischen 1996 und 1998 entworfen wurde. Es war eine Zeit, als Energieeffizienz weniger wichtig war als hohe Reisegeschwindigkeiten oder Balkonsuiten. Es war die Zeit, als die Frage nach der Emissionsbelastung durch Schiffe noch nicht einmal in Fachkreisen gestellt wurde. Die vier »Brilliance«-Schiffe wurden daher als Turbinenschiffe konzipiert. Die Energie für den Antrieb der beiden ABB-Pods lieferten zwei LM2500 Gasturbinen von General Electric sowie eine Fincantieri-Dampfturbine. Fast 60.000 kW Leistung erzeugten die Turbinen. Ende der 90er Jahre lag der Preis für Gasöl aber auch noch deutlich unter der Marke von 200 $ je t. Heute rangiert er deutlich über 700 $ und die Frage der Emissionsbelastung ist längst nicht mehr auf Alaska und Kalifornien beschränkt.

Das ist ein Grund dafür, warum die Baunummer 697 von Meyer bei der Motorisierung im Jahr 2014 auf einem ganz anderen Kurs fährt. Herzstücke an Bord der »Quantum of the Seas« sind vier Motoren aus dem Hause Wärtsilä. Dabei handelt es sich um zwei 12-Zylinder-Motoren mit 14.400 kW und zwei 16-Zylinder-Motoren mit 19.200 kW. Sie erzeugen den Strom für die Bordnetze und die Schiffstechnik. Angetrieben wird die «Quantum of the Seas« von zwei ABB-Pods mit je 20,5 MW, die dem Schiff eine Höchstgeschwindigkeit von über 22 kn ermöglichen – 3 kn weniger als bei der «Jewel of the Seas«. Für die gute Manövriereigenschaft sorgen außerdem vier Bugstrahlruder von Brunvoll mit zusammen 3,5 MW Leistung ab Maschine.

ABB und die Royal Caribbean Cruise Ltd, die Mutter von RCI, setzen damit ihre langjährige Partnerschaft fort. 20 Neubauten der Reedereigruppe, inklusive vier zuvor bei Meyer gebauten »Solstice«-Schiffe für Celebrity Cruises, fahren mit Pod-Antrieben aus dem Hause ABB.

ABB steht aber auch im Entertainment-Bereich in der Liste der Zulieferer. Dabei handelt es sich um die Technik für sechs 100-Zoll-Screen und sechs Robotersysteme, die in dem Heckbereich des Schiffes installiert werden. Der drei Decks überspannende Raum ist Teil des innovativen Entertainmentangebots mit dem Namen «Two70«. Mit Hilfe der Robotertechnik und der Schirme wird in dem Raum für den Gast ein 270 ° umspannender Panoramablick geschaffen. Die Bildschirmtechnik gleicht dabei sogar die Seegangsbewegung aus.

Die »Quantum of the Seas« ist derzeit beim Thema Effizienz und Umweltschutz in der Flotte von RCCL das Maß aller Dinge. Sie ist als erstes Schiff der RCCL-Flotte mit zwei Hybrid-Scrubbern aus dem Haus Wärtsilä-Hamworthy ausgestattet. Der Testlauf der Scrubber erfolgte bei der Probefahrt.

Dabei gab es auch Nachbesserungsbedarf an den Seekästen, über die die Scrubber das Wasser für den Waschvorgang ansaugen. Diese Probleme wurden bei einer Dockung in Hamburg bei Blohm + Voss abgestellt.

Im Dock bei Blohm + Voss

Dabei wurden auch letzte Einstellungen an den vier Bugstrahlrudern vorgenommen. Für Blohm + Voss war die «Quantum of the Seas« das größte je gedockte Schiff. Im Dock Elbe 17 blieben vorn und achtern weniger als 1,5 m Freiraum. Das 348 m lange Schiff brauchte außerdem zwei Anläufe fürs Docken, da der Wasserstand auf der Elbe für das Passieren des Docktores beim ersten Termin nicht ausreichte.

Mit einer Vermessung von 168.000 BRZ ist sie deutlich größer als die mit 90.000 BRZ vermessene »Jewel of the Seas«. Nicht zuletzt deshalb war die Emsüberführung des 41 m breiten Schiffes eine besondere Herausforderung. Sie dauerte erstmals wieder zwei Tage und erfolgte im Schritttempo.

Das 348 m lange und 41 m breite Schiff wurde aus rund 74 Blöcken bei Meyer innerhalb von 15 Monaten zusammengesetzt. Kiellegung war am 2. August 2013. Der Neubau verfügt über 18 Passagierdecks und kommt auf einen Tiefgang von nur 8,5 m. Im Gegensatz zu den Schiffen der «Brilliance«-Klasse wurde das Vorschiff der «Quantum«-Klasse im Verhältnis zum Aufbau um zwei Decks erhöht und weiter nach vorn gezogen. Das gibt dem Schiff besonders bei hohem Wellengang einen besseren Schutz.

Ausgelegt ist die »Quantum of the Seas« bei Doppelbelegung aller 2090 Kabinen für 4180 Passagiere. Bei Ausschöpfung der Zusatzbetten in den Kabinen, wie beispielsweise für Kinder, kann die Passagierzahl auf 4905 gesteigert werden. Alle Kabinen wurden bei Ems PreCab in Papenburg gebaut, einer Tochter der Meyer Werft. Beim Bau der Innenkabinen wurde die Ausstattung mit 82-Zoll-Bildschirmen gewählt, die den Passagieren ein möglichst realistisches Fenster-Gefühl bieten sollen.

In der Liste der Zulieferer für den Neubau findet sich auch eine andere deutsche Werft. Die 18 Rettungsboote des Typs SEL 12.5 stammen aus der Produktion der Fassmer-Werft an der Weser. Die Boote gehören mit zu den größten Rettungs- und Tenderbooten auf der Welt. In jedem der etwa 12,5 t schweren acht Boote können bis zu 328 Menschen Platz finden.

Mit an Bord ist auch ein Newcomer im Kreuzfahrtbereich. Die beim Rampen-, Kran- und Lukendeckelbau etablierte Firma MacGregor zeichnet sich verantwortlich für den höchsten Punkt an Bord. Bei der »Quantum of the Seas« hat MacGregor den »North Star« geliefert, der oben auf dem Pooldeck montiert ist. Mit einem elektro-hydraulisch fahrbaren Kranausleger sollen Passagiere in einer Gondel auf bis zu 91 m Höhe über die Wasserlinie gebracht werden und so einen einmaligen Blick auf das fahrende Kreuzfahrtschiff aus der Möwenperspektive haben.

Die 7,1 t schwere Gondel hängt dabei an einem 41 m langen Ausleger. In ihr können 14 Passagiere und ein Crewmitglied als Begleiter einen atemberaubenden Ausblick über das Schiff und das Meer genießen. Wichtig war beim Bau nach Mitteilung von MacGregor die sanfte und möglichst erschütterungsfreie Bewegung des Auslegers. Ein spezielles Steuerungssystem und eine extrem hohe Anforderung im Bereich Sicherheit waren Voraussetzung für die Erteilung der Zulassung. Alle Systeme des Kranauslegers und der Gondel sind redundant. Gesteuert wird der «North Star« von dem MacGregor CC3000 Crane Control System.

»Dynamic Dining« an Bord

Bei der Innenausstattung setzt das Typschiff innerhalb der Flotte von RCI neue Akzente. Es ist das erste Schiff in der Geschichte der Reederei ohne Hauptrestaurant. Stattdessen gibt es an Bord vier fast gleichwertige Restaurants mit unterschiedlichen Konzepten und jeweils 430 Sitzplätzen.

Damit reagiert RCI auf den Erfolg, den ein ähnliches Konzept bereits bei ebenfalls von Meyer gebauten Schiffen der »Breakaway«-Klasse für die Norwegian Cruise Line hat. Was bei NCL als »Freestyle Dining« erfolgreich ist,wird in leicht abgewandelter Form bei der »Quantum«-Klasse als »Dynamic Dining« eingeführt.

Insgesamt weist die Reederei auf 18 Restaurants hin. Das kleinste und edelste ist dabei das »Chef’s Table« mit 16 Plätzen und individueller Betreuung durch einen Sterne-Koch. Neben unterschiedlichen kulinarischen Schwerpunkten asiatischer, mediterraner, kontinentaler und lateinamerikanischer Küche unterscheiden sich die Restaurants aber auch beim Dresscode. Lediglich im »The Grande Restaurant« latet der Kleidungsvorschlag »Formal«, ansonsten gilt »Smart Casual«, also ein zwangloser und legerer Dress.

Die «Quantum of the Seas« soll in der Wintersaison an der US-Ostküste fahren. 2015 ist die Verlegung nach China geplant. Ihr folgen von Meyer im Frühjahr 2015 die Schwestern »Anthem of the Seas« (Bau­nummer 698) und im Sommer 2016 die »Ovation of the Seas«.


Frank Behling