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Mit der ersten Umrüstung eines Feeder-Containerschiffs setzt die Reederei Wessels ein wichtiges Zeichen in Sachen Machbarkeit. Bestärkt wird sie in dem Vorhaben auch durch die ersten Neubauten LNG-betriebener Containerschiffe für den Shortsea- und Feeder-Verkehr.
Mit der »Wes Amelie« der Reederei aus Haren an der Ems wird erstmals ein Containerschiff auf den Betrieb mit Flüssigerdgas[ds_preview] (LNG) umgerüstet. Seit zwei Jahren arbeitet das Unternehmen schon gemeinsam mit dem Motorenhersteller MAN Diesel & Turbo und dem Unternehmen TGE Marine Gas Engineering an Plänen für eine Umrüstung der Antriebsanlage von Schweröl zu Flüssiggas.

Die Kosten von rund 5Mio. € muss die Reederei Wessels nicht komplett selbst tragen. Der Bund fördert die Umrüstung mit einem siebenstelligen Betrag, dazu gab es einen entsprechenden Förderbescheid aus dem Bundesverkehrsministerium (BMVI). Die Zuwendung wird im Rahmen der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung gewährt, mit der auch die Nutzung von LNG als umweltfreundlicher Treibstoff für den maritimen Bereich gefördert werden soll.

Ein Vorbild für Andere

Die »Wes Amelie« ist ein 1.036TEU tragendes Feeder-Containerschiff von 151m Länge, das in Nord- und Ostsee verkehrt. Sie wurde von der chinesischen Werft Jiangdong unter der Typenbezeichnung SSW Super 1000 gebaut und kam 2011 in Fahrt.

Bei der Auswahl des Schiffes sei explizit auf die Skalierbarkeit der Ingenieursleistungen und der Entwicklungskosten geachtet worden, wodurch sich die Kosten für Folgeprojekte deutlich reduzieren ließen, so die Reederei. Von der »Wes Amelie« existieren 23 Schwesterschiffe, von denen 16 komplett baugleich sind. So lasse sich der nun geplante Umbau ohne Schwierigkeiten 1:1 auf Folgeprojekte übertragen. Mit diesem Schiff sei ein »hoher Multiplikatoreffekt mit ausreichend umrüstungswürdigen Stückzahlen am europäischen Kontinent erreichbar«. Zudem sei die für eine Umrüstung prädestinierte Hauptmaschine der »Wes Amelie«, eine MAN 8L48/60 B, in 82 Schiffen weltweit im Einsatz. Dieser Motor sei schon in einigen Landanwendungen erfolgreich für den LNG-Betrieb umgerüstet worden.

Aufgrund der langen Lieferzeit des LNG-Tanks soll der Umbau erst im vierten Quartal 2016 erfolgen. Die Inbetriebnahme ist für Anfang Dezember 2016 geplant. Laut der Reederei sollen die Arbeiten auf einer deutschen Werft ausgeführt werden, die Ausschreibung läuft noch. »Im Moment ist man bei TGE ohnehin noch damit beschäftigt, die Pläne für das LNG-Pumpsystem zu machen«, erklärt Gerd Wessels, Geschäftsführender Gesellschafter. 30 Tage soll der Umbau in Anspruch nehmen, ein anschließender Testlauf fünf Tage. Die Entscheidung, eine deutsche Werft zu beauftragen, sei aufgrund von Erfahrung und Fahrtgebiet des Schiffs (Nord-, Ostsee, Irische See) gefällt worden.

Im Gasbetrieb soll die Reichweite bei 2.700sm liegen. »15 Tage Volllast war die Vorgabe, die schließlich den Tank definiert hat«, so der Reedereichef. Hinsichtlich der Bunkermöglichkeiten orientiere man sich vor allem nach Rotterdam.

Große Umrüstung

Die Antriebsanlage soll in Kooperation mit MAN Diesel & Turbo und TGE auf Dual-Fuel-Betrieb umgerüstet werden. Beim Einsatz im Emissionsschutzgebiet werde das Schiff dann hauptsächlich mit LNG fahren. »Es geht uns und den Charterern darum, den Kostenvorteil von LNG zu nutzen. Beim Einsatz außerhalb der ECA würde das wegfallen«, erklärt Wessels.

Motorseitig werden laut der Reederei fast alle Bauteile des Brennraums sowie deren Anbauteile ausgetauscht: Zylinderbuchse samt Wasserleitmantel, Kolben, Kolbenringe und Zylinderkopf. Grund hierfür ist die Zylinderbohrungserhöhung von 48cm auf 51cm. Des Weiteren werden Einspritzkomponenten getauscht bzw. neu hinzugefügt. Speziell das für den Gasbetrieb benötigte Pilot-Öl-System wird komplett neu aufgebaut.

Um veränderte Steuerzeiten beim 51/60DF Motor zu ermöglichen, werden neue Ventilnocken sowie ein neues Turboladerlaufzeug geliefert. Die Steuerung des Mehrstoffmotors 51/60 DF ist komplexer als die ursprüngliche Steuerung des Schwerölmotors. Dies macht einen Umbau der Sensorik des Motors, bzw. eine Neuinstrumentierung notwendig. Insgesamt werden für den Umbau des Motors ca. 30t Material benötigt.

MAN liefert die für den Gasbetrieb benötigten Komponenten Gasregelstrecke und Pilot-Öl-Modul. Der Tank und die erforderliche LNG-Peripherie zwischen Tank und Hauptmaschine kommen von TGE. Bureau Veritas (BV) hat das Schiff klassifiziert und begleitet auch die Umrüstung. SMB Naval Architects & Consultants wird die erforderlichen Berechnungen und Zeichnungen für den Um- und Einbau liefern.

Ein wichtiges Signal

Ein Ziel des Projektes ist es laut Wessels, die technische Machbarkeit des Einsatzes von LNG im Schiffsverkehr aufzuzeigen. Zugleich soll die Nachfrageseite gestärkt werden. Die Nutzung von LNG als Treibstoff setze dessen Verfügbarkeit an Verkehrs- und Handelsrouten voraus. Die bestehende Infrastruktur – Verflüssigungsanlagen, Lagerkapazitäten, Bunkereinrichtungen – reiche selbst in den hochfrequentierten Häfen bei weitem nicht. Das Projekt leiste somit als Stimulator für die Infrastruktur einen Beitrag zur Lösung des »Henne-Ei-Problems«.

»Durch den Umbau eines unserer Schiffe zeigen wir jetzt gemeinsam mit der Bundesregierung und unseren Partnern: ›Die deutsche Seeschifffahrt kann LNG‹. Mit jedem Umbau, den wir gemeinsam realisieren, schaffen wir eine steigende Nachfrage nach LNG als sauberer Treibstoff«, so Christian P. Hoepfner, projektverantwortlicher Prokurist.

Wenn der Umbau der »Wes Amelie« die erwarteten positiven Effekte bringe, sei durchaus die Umrüstung der weiteren drei baugleichen Schiffe der Reederei denkbar, so Reedereichef Wessels. »Das muss dann natürlich ohne Förderung funktionieren.«

Wessels ist nicht allein

Die Emsländer sind allerdings nicht die ersten, die ein Containerschiff im ECA-Verkehr mit LNG betreiben wollen. Mitte Oktober lieferte die amerikanische Werft General Dynamics NASSCO die »Isla Bella« an die US-Reederei TOTE ab. Damit ist das Containerschiff der erste LNG-betriebene Neubau seiner Art. 2012 hatte das Schifffahrtsunternehmen zwei Schiffe der neuen Marlin-Klasse bestellt. Mit rund 233m Länge sind sie vorerst auch die größten LNG-betriebenen Containerfrachter.

Als Hauptmaschine kommt ein Achtzylinder-Duel-Fuel-Motor vom Typ MAN B&W zum Einsatz, Modell L70ME-C8.2-GI, mit einer Leistung von 25.200 kW. Der Kraftstoff wird in zwei 900m3 Tanks auf Deck gelagert, die von Cryos geliefert wurden. Angesichts der kurzen Strecken sei eine häufigere Bunkerung möglich, heißt es. Ab 2016 soll zu diesem Zweck eine 2.200m3 fassende LNG-Bunker-Barge zum Einsatz kommen. Den Vertrag hatte TOTE im Januar mit WesPac Midstream und Pivotal LNG geschlossen.

Bei Konstruktion und Bau arbeiteten TOTE und NASSCO eng mit dem American Bureau of Shipping (ABS) und der US Coast Guard zusammen. Das Design stammt von Daewoo Ship Engineering Company (DSEC), einer Tochter der koreanischen DSME. Die Schiffe sind »Jones Act qualified« und sollen im Handel zwischen Jacksonville (Florida) und San Juan (Puerto Rico) eingesetzt werden. Das Schwesterschiff »Perla del Caribe« ist Ende August vom Stapel gelaufen und soll im ersten Quartal 2016 in Dienst gestellt werden.

In Europa sollen die ersten Containerschiffneubauten mit LNG-Antrieb ebenfalls 2016 in Fahrt kommen. Für GNS Shipping und Nordic Hamburg werden derzeit bei Yangzhou Guoyu Shipbuilding zwei 1.400-TEU-Feeder gebaut, die mit Dual-Fuel-Antrieben ausgestattet werden. Innovativ soll auch die Unterbringung der Flüssiggastanks an Bord sein, die die Stellplatzkapazität kaum beeinflusst. Nach Ablieferung gehen die Schiffe an den Langzeitcharterer Containerships aus Finnland. Projektpartner sind außer Containerships auch Wärtsilä, TGE Marine und SMB Naval Architects.

Als Vorreiter in Sachen Hi-Tech setzen Nordeuropa und die USA also wichtige Signale für eine Verbreitung des Gasantriebs und eine geeignete Infrastruktur an Land, sowohl an Regierungen als auch an Versorgungsunternehmen.


Felix Selzer