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Während sich Cuxhaven nach wie vor über die Ansiedlung von Siemens freut, sind andere Hafenstandorte zurückhaltender geworden, was das Geschäftsfeld Offshore-Windenergie angeht

Fünf Jahre ist es jetzt her, seit der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) seinen Offshore-Hafenatlas veröffentlicht[ds_preview] und damit die Ambitionen der Branche manifestiert hat. Doch die Zwischenbilanz ist durchwachsen. »Nach der Aufbruchstimmung ist vielerorts Ernüchterung eingetreten«, sagt ZDS-Hauptgeschäftsführer Daniel Hosseus. »Unsere Häfen verladen Großkomponenten, bieten logistische Dienstleistungen an und stehen als Service-Häfen zur Verfügung. Die erhofften Mengen haben sich allerdings nicht bestätigt.« Vor allem liege das an den mehrfach veränderten politischen Rahmenbedingungen und der vor zwei Jahren verkündeten Kürzung der Ausbauziele, meint Hosseus. Gemeinsam mit der Offshore-Windbranche fordert der ZDS, dass im novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ein jährliches Ausbauvolumen von mindestens 900 MW Offshore-Windleistung festgeschrieben wird. »Je größer das Volumen ist, umso wahrscheinlicher können Häfen mit einer adäquaten Auslastung ihrer Offshore-Kapazitäten rechnen und zur Kostensenkung beitragen. Fehlt die kritische Masse, müssen sie nach Alternativen suchen.« Denn die Nutzung der Hafenanlagen durch die Offshore-Branche stehe immer in Konkurrenz zu anderen Umschlagarten. »Wir gehen aber weiter davon aus, dass die Offshore-Windenergie ein zukunftsträchtiges Geschäftsfeld bleiben wird – nur eben leider nicht in dem ursprünglich angenommenen Ausmaß.«

Siemens setzt auf Cuxhaven

Schon früh auf das neue Geschäftsfeld gesetzt hat man in Cuxhaven, wo seit 2007 die »Offshore Basis Cuxhaven« entstanden ist. Nach der Insolvenz des Fundamenteherstellers Cuxhaven Steel Construction (CSC) und dem Rückzug des Baukonzerns Strabag, der ursprünglich Schwerkraftfundamente fertigen wollte, war die Stimmung an der Elbmündung eingetrübt. Das änderte sich im August vorigen Jahres: Da verkündete Weltmarktführer Siemens, eine Turbinenproduktion auf dem Gelände bauen und bis zu 1.000 Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Der erste Spatenstich soll im Juni erfolgen, der Produktionsstart ist für Mitte 2017 geplant. Ende Juni soll außerdem mit dem Bau einer RoRo-Rampe für den Komponententransport zwischen Cuxhaven, dem neuen Rotorblattwerk in Hull, UK, und den Produktionsstätten in Dänemark begonnen werden.

Mit dem Rückenwind der Neuansiedlung unterzeichneten die Hafengesellschaft Niedersachsen Ports (NPorts) und der Hafenbetreiber Cuxport zudem im Februar einen Vertrag zum Betrieb des schon seit Längerem geplanten neuen Liegeplatzes 4. NPorts investiert 36 Mio. € in das Terminal, das bis Ende 2017 fertig sein soll. Die Erweiterung werde dringend benötigt, sagt Cuxport-Geschäftsführer Hans-Peter Zint, um Cuxhavens Stellung für die Offshore-Windindustrie zu festigen.

Aufträge für die Offshore-Branche »stellen heute einen wichtigen Anteil an unseren Aktivitäten dar«, sagt Zint. So sei Cuxport seit September 2015 mit Dienstleistungen für den Aufbau der Windparks »Nordsee One« und »Nordergründe« betraut. Vor dem Hintergrund der neuerlichen Diskussionen um das EEG seien die Perspektiven allerdings unsicher und das Ausschreibungsmodell schüre Ängste, dass eine verlässliche und kontinuierliche Projekt-Pipeline ausbleiben könnte. Da sei es gut, dass Cuxport durch seine »Multi-Purpose-Strategie« und Tätigkeiten in anderen Geschäftsfeldern dieses Risiko abfedern könne.

Licht und Schatten

Neben Cuxhaven profitieren mittlerweile auch kleinere niedersächsische Häfen von der Offshore-Windenergie. So dienen nach Angaben von NPorts Norddeich (wo Windparkbetreiber Dong Energy seine Betriebsführungszentrale angesiedelt hat) und derzeit auch Norderney als Versorgungshäfen, von Hooksiel aus erfolgt seit Mitte Mai die Versorgung des Windparks »Nordergründe«. In Wilhelmshaven werden Spezialschiffe ausgerüstet und gewartet, in Emden werden nach wie vor Versorger und Kabelleger vorgehalten.

»Sind die Windparks erst einmal errichtet, müssen sie auch gewartet und instandgesetzt werden«, sagt N-Ports-Geschäftsführer Holger Banik. »In den Häfen, die in Projektnähe liegen, wird weiterer Bedarf an Liegeplätzen entstehen.« Er sieht aber die anfängliche Euphorie durch die neuen Ausbauziele gedämpft. Angesichts der Kapazitäten in den Nordseehäfen erwartet er, dass sich der Wettbewerb verschärft.

So sehen es auch die Mitglieder der schleswig-holsteinischen Hafenkooperation »Offshore-Häfen Nordsee SH«. »Man muss leider konstatieren, dass das Thema Offshore-Windenergie in Deutschland deutlich an Fahrt verloren hat«, stellt Frank Schnabel, Sprecher der Hafenkooperation und Geschäftsführer der Schramm Group, fest. »In Schleswig-Holstein ist in diesem Bereich weniger passiert, als wir uns gewünscht hätten.« Zwar gebe es mit Helgoland ein Vorzeigeprojekt, doch so manch anderer Hafen im Verbund sei nicht zum Zug gekommen. Aktueller Lerneffekt laut Schnabel: Anders als im Bereich Offshore-Wind ist der Umschlag von Komponenten für die Onshore-Windenergie in Brunsbüttel (plus 40%) und Rendsburg (plus 50%) 2015 deutlich angestiegen.

Unterdessen stehen auf Helgoland die Sanierungsarbeiten an der Südkaje, an der sich die Windparkbetreiber WindMW, RWE und Eon schon vor einiger Zeit mit ihren Betriebsgebäuden angesiedelt haben, kurz vor dem Abschluss. Wegen der aufwändigen Kampfmittelräumung hatte sich das Projekt deutlich verzögert. Jetzt wird nur noch an einigen Stellen die Hafensohle vertieft, um auch größeren Crew Transfer Vessels (CTV) der nächsten Generation die Zufahrt zu ermöglichen.

Ab Juli können die Unternehmen die Hafenanlage vor ihrer Haustür nutzen. Bisher waren sie dafür auf den Südhafen sowie den Binnenhafen ausgewichen. Laut Peter Singer, Geschäftsführer der Hafenprojektgesellschaft, laufen auch nach der Fertigstellung der drei Windparks im Helgoland-Cluster in den Hauptwartungsmonaten von April bis Oktober noch jeden Tag 16 bis 20 CTV die Insel an. »Bei uns ist eingetreten, was sich alle erhofft hatten«, sagt Singer, »wir haben uns neben Tourismus und Forschung ein weiteres Standbein geschaffen.«

Neue Projekte in der Pipeline

Besonders große Hoffnungen hatte man sich in Bremerhaven gemacht, wo es nach einem guten Start mit der Abwicklung verschiedenener Offshore-Projekte zuletzt ruhig geworden ist. »2015 konnten wir zu wenige wertschöpfende Tätigkeiten abwickeln«, berichtet Ferdinand Möhring, Leiter des Geschäftsfelds Seehafenlogistik bei BLG Logistics. »Es fehlten die Anschluss­aufträge.« Nun sei allerdings ein Aufschwung zu spüren. Er gehe davon aus, dass die BLG in den kommenden Monaten wieder Schwerlastkomponenten für die Offshore-Industrie verladen werde.

Seit Anfang des Jahres bewege man bei verschiedenen Produzenten in Norddeutschland »Transition Pieces«, Verbindungsstücke zwischen Fundament und Turm. Darüber hinaus seien »einige interessante Projekte in der Pipeline«. Terminal-Nachbar Eurogate hatte bereits im März verkündet, dass Turbinenproduzent Senvion die Südspitze des Containerterminals Bremerhaven (CTB) für den Umschlag von Turbinen und die Montage der Rotorsterne für den Windpark »Nordergründe« nutzen wird. Den Transport vom Werk zum Terminal übernimmt die BLG.

In der Ostsee hat sich neben Rostock, wo regelmäßig Monopile-Fundamente des ortsansässigen Produzenten EEW Special Pipe Constructions umgeschlagen werden, vor allem Sassnitz als Offshore-Hafen etabliert. Nachdem das erste Großprojekt »EnBW Baltic 2« voriges Jahr erfolgreich abgeschlossen wurde, fungiert der Standort seit März als Installationshafen für den Ostsee-Windpark »Wikinger« des spanischen Energiekonzerns Iberdrola. Im Mai hat das Unternehmen zudem mit dem Bau seines Betriebsgebäudes auf dem Gelände begonnen. Spätestens 2017wird Eon hinzustoßen, um die Hafenanlage für den Bau des Windparks »Arkona« zu nutzen. Damit die beiden Betreiber parallel arbeiten können, sollen im Nordbereich des Sassnitzer Hafens noch zusätzliche Flächen hergerichtet werden.


Anne-Katrin Wehrmann