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Es ist schon eine Weile her, dass eine deutsche Werft einen Auftrag aus der Offshore-Windbranche erhalten hat. Ralf Sören Marquardt, Geschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), sprach mit der HANSA über den Status quo und

die Aussichten für die Zukunft
Noch vor einigen Jahren haben die deutschen Schiffbauer große Hoffnungen in die Offshore-Windenergie gesetzt. Woraus speisten die sich[ds_preview] damals?

Ralf Sören Marquardt: Grundsätzlich herrschte 2009/2010 eine positive Offshore-Wind-Stimmung in der gesamten maritimen Wirtschaft, auch bei uns. Getragen wurde sie unter anderem von der Überzeugung, dass sich die Schiffbauindustrie im Zuge der Überwindung der Weltwirtschaftskrise umstrukturieren und diversifizieren müsse. Einige Unternehmen meinten sicherlich, dass diese innovative Technologie, die allerhöchste Sicherheits- und Umweltstandards erfordert, besser ins Portfolio passt als Containerschiffe und Tanker. Und Politik und Gewerkschaften haben sie darin bestärkt oder sogar bedrängt. Die ambitionierte Energiepolitik der Bundesregierung ließ hoffen, dass die Energiewende im Meer ein zusätzliches Standbein für die ganze maritime Wirtschaft werden könnte. Dann haben kompetente Consultants viel analysiert und gerechnet und Bedarfe sowie Umsatzpotenziale ermittelt, was von manchen in einen Offshore-Hype verwandelt wurde.

Trotzdem gab es ja Hoffnungen. Warum haben die sich nicht erfüllt?

Marquardt: Manches davon war nicht ganz falsch, aber vieles hat sich anders entwickelt. Zum Beispiel waren nicht alle Auftraggeber so auf höchste Standards erpicht, wie man gehofft hatte. Die internationale Vorschriftenentwicklung und Normung bei IMO beziehungsweise ISO ist nicht so vorangekommen, dass man entsprechende Standards hätte durchsetzen können, und auch national haben Ministerien und Behörden manchmal eine etwas unglückliche Rolle gespielt. So wurden bei den Schiffen national hohe Standards gesetzt, aber es gelang nicht, den Zugang fremdflaggiger Sub-Standardschiffe zur deutschen AWZ zu stoppen. Auch bei den Offshore-Strukturen wurden Sonderwege beschritten, was international operierende Schiffbauunternehmen und Klassifikationsgesellschaften vor unerwartete Herausforderungen stellte. Konsistente Standortpolitik und systematische Internationalisierung des Heimatmarktes sieht anders aus. Und während der deutsche Schiffbau mit Fahrgastschiffen, Yachten und einigen weiteren Spezialschiffen die Krise gut überwunden hat, taumeln derzeit Schifffahrt, Serienschiffbau und Offshore-Öl- und Gasmarkt in noch tiefere Krisen. Dadurch drängen neue Mitbewerber mit noch tieferen Preisen und noch höheren Subventionen auf den Markt.

Offshore-Aufträge sind inzwischen aus den Auftragsbüchern der Werften praktisch komplett verschwunden. Sehen Sie Möglichkeiten, dass sich das noch einmal ändern wird?

Marquardt: Aktuell arbeiten noch zwei VSM-Mitgliedsunternehmen an Offshore-Wind-Aufträgen, in beiden Fällen handelt es sich um Plattformen. Man soll niemals nie sagen, aber insgesamt ist der Markt für deutsche Unternehmen schwieriger und risikoreicher als je zuvor. Die Perspektiven sind in den verschiedenen Produktgruppen unterschiedlich zu bewerten: Bei den Errichterschiffen scheint der Markt derzeit gesättigt, und auch Konverter-, Umspann- und Wohnplattformen werden wohl nicht die Offshore-Strukturen sein, auf die sich eine große Anzahl von Werften fokussieren wird. Der Umsatzanteil von Offshore-Produkten am Auftragsbestand, wird weiter stark zurückgehen.

Je mehr Offshore-Windparks stehen, umso mehr Schiffe werden für Service- und Wartungsarbeiten benötigt. Könnten sich daraus neue Chancen ergeben?

Marquardt: Mit der weltweiten Weiterentwicklung der Offshore-Windenergie wird es weiterhin Bedarf zum Beispiel an Servicefahrzeugen, Wartungs- und Hotelschiffen geben. Einige unserer Werften und ihre spezialisierten Zulieferer werden auch weiterhin ihre neu erworbenen Kompetenzen pflegen und um solche Aufträge kämpfen, die zu ihren Fähigkeiten, Fertigungsanlagen sowie den Personal- und Kostenstrukturen passen. Aber es herrscht – mehr denn je – die Überzeugung, dass man nicht nur auf eine Karte setzen darf und dass die wirklichen Potenziale in Hochtechnologie­nischen für komplexe Produkte für höchste Sicherheits- und Umweltanforderungen liegen. Deutsche Schiffbauunternehmen werden etwa bei den Servicefahrzeugen sicher nicht den fatalen Trend zu niedrigsten Standards und schiffbaulichen Billiglösungen mitmachen. In einem nach Aufträgen lechzenden, total verzerrten weltweiten Schiffbaumarkt kann und wird man nicht auf einer Preis- und Qualitätsspirale mit nach unten rutschen.

Was müssen die Werften tun, um die sich bietenden Chancen zu nutzen?

Marquardt: Die Branche betrachtet heute Windenergiespezialschiffe und Offshore-Strukturen für die regenerative Energieerzeugung aus dem Meer als weitere Nischenprodukte, bei denen deutsche Schiffbauunternehmen eine spezielle anspruchsvolle Klientel bedienen können. Nicht mit großen Stückzahlen, sondern mit passgenauen Lösungen für spezielle Probleme. Werften und Zulieferer können in einigen Bereichen wertvolle Beiträge leisten, zum Beispiel in der technischen Vorschriftenentwicklung und Normung – mit dem Ziel, durch verbindliche gesetzliche Anforderungen das Niveau so zu heben, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Schiffbaustandorts Deutschland steigt.

Anne-Katrin Wehrmann