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Noch immer gibt es Bedarf an universell anwendbaren Antifoulingsystemen. Ein neues Projekt setzt auf eine elektrochemische Herangehensweise. Ein erster Versuch verlief erfolgreich


Das marine Biofouling auf Schiffsrümpfen gehört zu den Schlüsselproblemen der modernen Schifffahrt und führt über die Zunahme der Oberflächenrauheit zu[ds_preview] einem sehr großen Mehrverbrauch an Treibstoff. Schweres Biofouling durch Seepocken und Muscheln kann bei 15kn bereits zusätzlichen Bedarf an Maschinenleistung von mehr als 80% verursachen. Bereits einfacher Algenbewuchs führt zu 10% mehr Verbrauch. Die Verkürzung der Dockintervalle und erhöhte Wartungsaufwendungen führen zu erheblichen weiteren Kosten.

Das Biofouling wird durch eine große Vielfalt von verschiedenen Foulingorganismen verursacht. Nach wenigen Wochen kommt es zu einem irreversiblen Aufwuchs von Algen, Muscheln und Seepocken. Da diese und weitere Organismen über die Abscheidung von Sekreten und Bioklebstoffen die Oberfläche der Lackschichten zumindest partiell angreifen können, wird davon ausgegangen, dass das Biofouling auch die Biokorrosion beschleunigen kann. Zur Unterdrückung des maritimen Biofoulings gibt es bisher keine universell und ausreichend langzeitstabil wirkenden Lackbeschichtungen, die umweltverträglich und biozidfrei sind. Es besteht somit hoher technischer und ökonomischer Bedarf an neuen, steuerbaren und möglichst universell anwendbaren Antifoulingsystemen. Eine Möglichkeit ist das elektrochemische Antifouling. Die Grundidee ist, aus leitfähigen Lackschichten bestehende, segmentierte Elektroden auf den Schiffsrumpf aufzubringen und diese alternierend als Kathode und Anode zu betreiben. Durch eine an den Elektroden anliegende Niederspannung kommt es zur Seewasserelektrolyse. Zusätzlich erfolgt ein intervallweises Umpolen der Elektroden. Als geeignet erwies sich ein Strom-Zeit-Verlauf mit Umschaltzeiten im Minutenbereich.

An der Anode finden die Reaktionen (1) bis (3) und an der Kathode findet die Reaktion (4) statt.

2 H2O 4 H+ + O2 + 4 e– (1)

2 Cl– Cl2 h + 2 e– (2)

Cl2 + H2O OCl- + Cl- + 2 H+ (3)

4 H2O + 4 e– 4 OH– + 2 H2 h (4)

Durch die intermediär entstehenden reaktiven Sauerstoffspezies und Chloratome wird an der Lackoberfläche für die besiedelnden Organismen ein erheblicher, desinfizierender Redoxstress erzeugt, der zudem mit einem hohen pH-Stress verbunden ist. Letzterer wird durch das intervallweise Umpolen des Stromkreises noch deutlich verstärkt. Das maritime Biofouling kann zumindest in der Ostsee und in stehendem Ostseewasser vollständig unterdrückt werden. Obwohl das elektrochemische Antifouling seit langem vorgeschlagen wurde, konnte es sich bisher nicht durchsetzen. Dies lag in erster Linie daran, dass die dazu erforderlichen leitfähigen Lacke nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung standen und nicht mit den üblichen Applikationsverfahren für Schiffslacke aufgebracht werden konnten. Am Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS bestand daher die Zielstellung, ausreichend elektrochemisch stabile und leitfähige Außenlacke zu entwickeln. Die Lackschichten müssen zudem eine geringe Oberflächenrauheit aufweisen und die Grenzflächenenergie sollte im Bereich von 20 bis 30mNm liegen. Entscheidend für die Funktionsfähigkeit und Langzeitstabilität des elektrochemischen Antifoulingsystems war es, eine möglichst homogene Stromdichte über große Flächen zu erhalten. Dies konnte durch die Kombination des Außenlackes mit einem hochleitfähigen Innenlack erreicht werden. Letzterer hat bei einer Schichtdicke zwischen 50 µm und 200 µm eine spezifische Leitfähigkeit von >400 Scm-1. Der Außenlack muss dann bei einer Schichtdicke von 400 µm bis 1000 µm nur eine spezifische elektrische Leitfähigkeit von >0,02 Scm-1 erreichen. Das neu entwickelte Lacksystem kann, die isolierende Grundierung inbegriffen, durch Sprühbeschichtung auf Schiffsstahl aufgebracht werden. Ein stabiler Dauerbetrieb in Ostseewasser erfolgte über mehr als 16 Monate. Die Abbildung links zeigt, dass die Lack­-

o­berflächen über diese Zeit nahezu bewuchsfrei gehalten werden konnten. Das Experiment wurde im Bootshafen Kühlungsborn in ruhendem Wasser bei einem sehr hohen Bewuchsdruck durchgeführt. Der nach 16 Monaten zu sehende Überwuchs kommt von der nicht beschichteten Rückseite der Stahlplatten und haftet nicht an der Lack­oberfläche. Werden die Stromintervalle und Stromdichten für den tatsächlichen Schiffsbetrieb angepasst, kann auf eine Dauerbetriebszeit von fünf Jahren und mehr extrapoliert werden. Damit wäre das elektrochemische Antifoulingsystem zu konventionellen, am Markt etablierten Konzepten wettbewerbsfähig. Ein erfolgreicher Versuch auf einem Motorboot hat die Funktionsfähigkeit des auf Lackschichtelektroden basierenden Antifoulingsystems gezeigt. Die Betriebsstabilität und Wirtschaftlichkeit des elektrochemischen Antifoulings muss weiter verbessert werden, um auch größere Schiffe ausrüsten zu können. Daran wird gemeinsam mit der Schiffswerft Barth GmbH, der GMBU e.V., Halle, dem Institut für Kunststofftechnologie und -recyc­ling e.V., der NTC GmbH, Tholey, der FEW Chemicals GmbH und der Böhnstedt Lackier – und Oberflächensysteme GmbH im Rahmen eines von der AiF Projekt GmbH geförderten Projektes gearbeitet. Für die Kommerzialisierung muss insbesondere der Lackauftrag optimiert werden.

Autoren: U. Spohn, Ch. Morig, M. Rühl, und A. Heilmann, uwe.spohn@imws.fraunhofer.de, Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, Halle


U. Spohn, Ch. Morig, M. Rühl, A. Heilmann