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Die Flotte Harener Reeder ist in der Krise auf rund 300 Schiffe geschmolzen. Einige Akteure sind allerdings weiter sehr aktiv. Sogar von »Jahrhundertchancen« ist die Rede.


Vehement und unermüdlich haben sich Harener Reeder mit Appellen und Initiativen an die niedersächsische Landespolitik und auch an die Bundesregierung[ds_preview] gewandt, um staatliche Unterstützung einzufordern. Ihre Botschaft: Wir sind nicht Schuld an der Finanz- und Wirtschaftskrise, aber die Krise macht uns kaputt. Nur durch weitere Entlastung bei Abgaben und durch Bereitstellung von Kreditgarantien kann ein Ausverkauf von Flotten verhindert werden. Gerade in Haren, wo die Beschäftigung in Reedereien und maritimen Dienstleistungsbetrieben großes Gewicht hat, wären die Konsequenzen dramatisch. Doch alle Bemühungen verliefen im Sande.

Den Reedern an der Ems blieb nichts anderes übrig, als sich selbst zu helfen. Einigen ist inzwischen aufgrund massiver Flottenverluste die Geschäftsgrundlage so gut wie abhanden gegangen. Die eine oder andere Mehrzweckfrachter- oder Feederschiffsflotte hat es in den Abgrund gerissen. Trotzdem: Die allermeisten Unternehmen sind noch da und kämpfen weiter um ihre Zukunft.

»Diejenigen, die es bis hierhin gebracht haben, haben gezeigt, dass sie es schaffen können. Die haben sich auch den neuen Anforderungen der Banken und Investoren in Bezug auf Reporting und Transparenz angepasst«, stellt der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Harener Reeder (IHR), Bernd Sibum, fest. Seine eigene Reederei betreibt nach einigen Abgängen dieses Jahr weiterhin sechs Container-Feederschiffe. Auch wenn der Markt nicht leicht ist, gebe es für die kleineren Typen immer noch bessere Beschäftigungschancen als für größere Einheiten wie ältere Panamaxe und Postpanamaxe. Vor allem für die auf Nord- und Ostsee spezialisierten SSW-Typen (1.000TEU mit Eisklasse) laufe es bislang relativ gut, so Sibum.

Nach Schätzung der IHR werden heute noch rund 300 Seeschiffe von Haren aus kontrolliert, vor sechs Jahren sollen es über 350 gewesen sein. Einige Harener Reedereien konnten aber ihre Flotten mittlerweile wieder ausbauen und größeres Neugeschäft akquirieren. Bestes Beispiel: der Kümo-Reeder Hermann Lohmann. Seine Firma HLB hat die Zahl der bereederten Schiffe binnen weniger Jahre auf über 20 Einheiten vervielfacht und damit weit über Haren hinaus Aufmerksamkeit erregt.

»Diejenigen, die es bis hierhin gebracht haben, haben gezeigt, dass sie es schaffen können.«

Bernd Sibum, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Harener Reeder (IHR)

Auch andere Firmen, die sich auf Kümos und Minibulker spezialisieren, wittern wieder Möglichkeiten. »Wir haben dieses Jahr schon einige Schiffe besichtigt und sind in engem Kontakt mit An- und Verkaufsmaklern«, berichtet Nicole Gerdes, Mitglied der Geschäftsführung der Reederei Gerdes, die 13 Schiffe betreut – elf eigene und zwei »von Dritten«. Die Frachten im Shortsea-Sektor seien zwar auf niedrigem Niveau, aber immerhin ausreichend, um die Finanzierung eines Schiffsankaufs darzustellen. Und: Für solches Spezialgeschäft ließen sich trotz Zusammenbruchs des KG-Marktes weiterhin Privatinvestoren mobilisieren.

»Ich glaube, dass es für uns noch genügend Anleger gibt, die an Schiffsinvestitionen glauben«, so Gerdes. Jedenfalls seien die Kapitalvertriebe, mit denen die Familienreederei traditionell zusammenarbeitet, »auf der Suche nach Projekten«.

Im Bereich der Containerschifffahrt haben der Schiffsmakler Arkon Shipping und die Reederei Jüngerhans Mitte des Jahres ein größeres Neubauprogramm für Feederschiffe auf den Weg gebracht. Die Partner lassen vier 1.000TEU-Schiffe, die für den Einsatz in Nordsee und Irischer See konzipiert sind, auf der chinesischen Werft Zhoushan Changhong zur Ablieferung ab 2018 bauen. Charterer ist der britische Shortsea-Carrier BG Freight Line. Die Finanzierung wird komplett von lokalen Leasinggebern in China bereitgestellt.

Den Partnern sei damit gelungen, was große Linienreeder wie CMA CGM und MSC schon seit Jahren mit asiatisch finanzierten Serienaufträgen für Großcontainerschiffe vormachen. »Wir haben einfach selbst in China angeklopft und gefragt, ob man das nicht auch für Feederschiffe hinbekommt«, sagt Arkon-Geschäftsführer Torsten Westphal. Hierzulande sieht der Experte nach wie vor kaum Möglichkeiten, das erforderliche Eigenkapital für ganze Schiffsserien einzuwerben. »Es lohnt sich nicht mehr, über die Lande zu ziehen. Entweder die Ladungsseite gibt das Eigenkapital, oder wir finden andere Wege wie Leasingsysteme oder Fondslösungen«, so Westphal. Möglichkeiten für neue innovative Schiffsprojekte im Nordwesten werde es in den nächsten Jahren zuhauf geben, weil sich das gesamte Umfeld für die Schifffahrt rasant verändere: Strengere Emissionsgrenzen und Umweltauflagen, die Einführung neuer Treibstoffe und Antriebsformen, veränderte Anforderungen seitens der Ladungskunden in der Industrie. »Das sind Jahrhundertchancen«, unterstreicht Westphal, »nur dazu muss man mit der Industrie in ständigem Dialog sein.«
Michael Hollmann