Undankbare Chronistenpflicht

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Der Chronist hat die Aufgabe, die Entwicklung nachzuzeichnen, auch wenn sie seit langer Zeit alles andere als erfreulich ist. Wirklich[ds_preview] positive Nachrichten sind zumeist Einzelfälle, oder schlicht von der Hoffnung getrieben. Damit wären wir bei den Sorgen der hiesigen Branche – auch wenn sie wahrlich nicht die einzige ist, wie anlässlich der diesjährigen Leitmesse »Nor-Shipping« ein Blick in den hohen Norden zeigt.

Auch beim Gastgeber Norwegen, dank des Offshore-Fokus jahrelang als stabiler und prosperierender Markt bewertet, darben die Reedereien. Egal ob Umsatz oder Flottengröße – wichtige Kennzahlen haben dort für 2016 ein Minus als Vorzeichen. Ausschlaggebend ist vor allem die Flaute am Öl-/Gas- und Offshore-Markt. Schenkt man dem Reederverband Norwegens und seiner aktuellen Umfrage Glauben, rutscht die Branche dieses Jahr sogar noch weiter ab. Vergleichsweise gut sieht es nur in der Shortsea- und der weltweiten Handelsschifffahrt aus.

Der Verband selbst muss ebenfalls einen Aderlass hinnehmen. Die Zahl der Mitglieder sank zuletzt auf 138, 2013 waren es noch 160. Damit teilt er das Schicksal mit seinem deutschen Gegenpart VDR. Auch er hat seit einiger Zeit mit Austritten zu kämpfen, zum Teil durch das krisenbedingte Verschwinden von Unternehmen (2011 waren es noch 388, 2015 noch 364), aber auch wegen einer wachsenden Unzufriedenheit mit der Verbandsarbeit. Eines der letzten prominenten Beispiele ist die Reederei German Tankers. Von den noch 356 Reedereien im Lande – über 60% davon haben übrigens maximal vier Schiffe – sind nur noch 166 im VDR vertreten (zuzüglich 16 »fördernden« Unternehmen) – vor wenigen Jahren waren es noch »über 220«.

Allein mit Konsolidierungsprojekten wie der Fusion von Leonhardt & Blumberg mit Buss Shipping oder der Übernahme der Conti durch Claus-Peter Offen ist das nicht zu erklären.

Ein interessanter Unterschied zwischen den beiden großen europäischen Schifffahrtsstandorten zeigt sich allerdings beim Anteil der eigenen Flagge in den Flotten. Während von den zuletzt 2.244 deutsch-kontrollierten Schiffen 333 unter heimischer Flagge fahren, sind es in Norwegen 778 von 1.716. Das ist Wasser auf die Mühlen der Politik, die etwa in Person von Kanzlerin Merkel deutsche Reeder in die nationale Pflicht nimmt.

Auch auf der »Nor-Shipping« werden die Schifffahrts- und Offshore-Krise bemerkbar sein. Die HANSA als Medienpartner widmet dem Branchenevent in dieser Ausgabe einen Schwerpunkt – auch die Konsolidierung der deutschen Schifffahrt sowie die politische Begleitung sind natürlich Themen des Hefts.