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Beim Ausbau der Offshore-Windenergie kommt dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) künftig eine noch zentralere Rolle zu als bisher schon. BSH-Präsidentin Monika Breuch-Moritz sprach mit der HANSA über die kommenden Aufgaben und die damit verbundene Umstrukturierung der Behörde

Welche Bedeutung hat die Offshore-Windenergie für das BSH?

Monika Breuch-Moritz: Die Bedeutung der Offshore[ds_preview]-Windenergie hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Als es um die Jahrtausendwende losging mit den allerersten Überlegungen und dem Antrag für den Forschungswindpark »alpha ventus«, haben das hier ein oder zwei Bearbeiter gemacht. Dann kamen die Aufgaben Offshore-Genehmigungen und Raumplanung zum BSH und das Ganze wurde auf etwa zehn Dienstposten aufgestockt. Nach dem Unfall in Fukushima 2011 bekam das Thema einen enormen Drive, dadurch wurde der Bereich immer größer und die Bedeutung ist weiter gewachsen. Aktuell haben wir ungefähr 45 Mitarbeiter, die sich mit Offshore-Windenergie befassen. Durch die neuen Aufgaben, die uns das Windenergie-auf-See-Gesetz zuweist, kommen in den nächsten anderthalb Jahren sukzessive noch einmal 35 neue Stellen dazu.

Was sind das für neue Aufgaben?

Breuch-Moritz: An den Genehmigungsverfahren ändert sich im Prinzip nichts, und auch die Aufgabe »Raumordnungsplan für die Nord- und Ostsee« bleibt bestehen. Vor einiger Zeit haben wir den Bundesfachplan Offshore erstellt, der die Entwicklung der Offshore-Windparks mit der Entwicklung der Stromnetze koppelt und die Trassen festlegt. Er wird nun ersetzt durch einen Flächenentwicklungsplan: Das ist eine Weiterentwicklung der schon vorhandenen Aufgabe mit neuen Komponenten. Und was ganz neu hinzukommt, ist die Flächenvoruntersuchung. Bisher mussten die Firmen, wenn sie einen Genehmigungsantrag gestellt haben, dazu Unterlagen beispielsweise zur Bodenbeschaffenheit und zu Umweltfragen nach bestimmten Standards einreichen. Die wurden bei uns geprüft und ausgewertet. In Zukunft soll diese Aufgabe eine staatliche Stelle übernehmen, und das ist eben das BSH. Wir werden also selbst Datenpakete herstellen, mit deren Hilfe ein potenzieller Windparkbetreiber einschätzen kann, was auf ihn zukommt.

Lässt sich das in den vorhandenen Strukturen regeln?

Breuch-Moritz: Nein, wir werden uns neu strukturieren. Ich wollte das schon länger, aber durch den Umfang der neuen Aufgaben ist es jetzt an der Zeit, eine eigene Abteilung zu gründen. Bisher haben wir die Offshore-Windenergie im Referat M5 »Ordnung des Meeres« innerhalb der Abteilung M »Meereskunde« bearbeitet. Jetzt machen wir daraus eine eigene Abteilung mit dem Namen O »Ordnung des Meeres«, die eigene Referate für die Flächenvoruntersuchung, den Flächenentwicklungsplan und die Genehmigungsverfahren haben wird. Das ist angesichts der Bedeutung der Aufgaben auch absolut angemessen. Politisch stehen diese Aufgaben noch mehr im Fokus als bisher, und für meine Kollegen ist das auch eine enorme finanzielle Verantwortung.

Wann nimmt die Abteilung ihre Arbeit auf?

Breuch-Moritz: Das hängt davon ab, wann wir die ersten Stellen und vor allem die Abteilungsleiterstelle besetzt haben. Irgendwann gibt es dann einen Tag X. Ich rechne damit, dass das in wenigen Monaten passieren wird.

Wie ist bei Ihnen im Haus die Stimmung mit Blick auf das, was da kommt?

Breuch-Moritz: Es ist eine große Chance, darum nehme ich die Stimmung insgesamt als positiv wahr. Wir haben schon so viel Energie in die Offshore-Windenergie gesteckt, und das gibt noch einmal neuen Schwung. Es wird hier auch anerkannt, dass diese Aufgabe jetzt eine angemessene Würdigung erfährt. Es sind ja auch fast alle Abteilungen daran beteiligt: So bekommt zum Beispiel unsere Abteilung N »Nautische Hydrographie« eine deutlich wichtigere Bedeutung, weil ihre Messungen nicht mehr nur in die Seekarten eingehen, sondern künftig auch Grundlage für Flächenvoruntersuchung und Flächenentwicklungsplan sein werden. Es müssen jetzt fast alle bei einer Veränderung mitmachen und da kommt einiges in Bewegung. Aber die spannende Entwicklung, die das BSH dadurch nimmt, und auch die Aufwertung ganz vieler Aufgaben im Haus – das finden die meisten schon toll, glaube ich.

Können Sie garantieren, dass die anderen Aufgaben des BSH nicht unter den neuen leiden werden?

Breuch-Moritz: Wir werden die neuen Aufgaben so integrieren und aufbauen, dass die anderen Bereiche so wenig wie möglich gestört werden, das ist klar. Aber generell wird es intern natürlich Veränderungen geben, auch weil der neue Bereich teilweise durchaus mit attraktiven Stellen unterlegt ist. Um diese werden sich vorhandene Leute auch aus anderen Bereichen des BSH bewerben. Die dadurch frei werdenden Stellen schreiben wir dann natürlich sofort wieder aus. Das dauert. Deswegen kann ich nicht ausschließen, dass an der einen oder anderen Stelle Verzögerungen vorkommen werden. Wir optimieren das soweit es geht.

Trotz der gedrosselten Ausbauziele stehen immer mehr Windparks in der Nord- und Ostsee. Sehen Sie zum Beispiel mit Blick auf den Schiffsverkehr die Gefahr, dass es irgendwann eng werden könnte?

Breuch-Moritz: Bereits der jetzt bestehende Raumordnungsplan hat die Belange des Schiffsverkehrs berücksichtigt und die vorhandenen und erwarteten Schifffahrtsrouten eingeplant. Dort wurden grundsätzliche Eignungsgebiete für Windparks schon ausgewiesen, und die ändern sich auch nicht. Jedes Verfahren wird mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung abgestimmt. Darum wird sich für den Schiffsverkehr über die bestehenden Planungen hinaus nichts ändern. Es ist unsere Aufgabe, die Interessen aller Spieler auf See zu wahren – neben der Schifffahrt und der Offshore-Windenergie sind das auch die Marine, die Umwelt- und Naturschutzbehörden und die Fischerei. Alle wollen gehört werden, alle müssen mitwirken. Und diesen Prozess beherrschen meine Kolleginnen und Kollegen hervorragend. Da habe ich schon viel Lob gehört.

In der Vergangenheit musste sich die Offshore-Windbranche schon mehrfach mit komplett neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen arrangieren. Wie bewerten Sie diesen erneuten Systemwechsel?

Breuch-Moritz: Ein Systemwechsel bedeutet für die Wirtschaft immer den Verlust von Planungssicherheit, und das ist generell ein Problem. Deshalb wünscht man sich, dass ein Gesetz mal etwas länger hält, sonst kann die Wirtschaft nicht damit arbeiten. Für eine Behörde bedeutet so ein Systemwechsel natürlich ebenso den Verlust einer gewissen Planungssicherheit, aber wir haben ja ohnehin jährliche Haushalte und können alles, was wir verändern wollen, erst übernächstes Jahr in den Haushalt stellen. Für uns ist das eine relativ typische Nachsteuerung, die mal im größeren und mal im kleineren Umfang passiert. Ob wir für das eine Gesetz arbeiten oder für das andere, ist für uns ein Zeitverteilungsproblem, aber kein Existenzproblem. Für die Wirtschaft ist es eine existenzielle Herausforderung. Die ganz Potenten können mitmachen, für Kleinere wird es schwierig. Aber diese Entwicklung hat schon in den vergangenen Jahren begonnen.

Welche Zukunft sehen Sie für die Offshore-Windenergie in Deutschland?

Breuch-Moritz: Ich halte die Offshore-Windenergie für eine grandiose Chance, den Energiebedarf Deutschlands auf lange Sicht mit umweltfreundlicher Energie zu decken. Und sie ist effizient, denn es gibt da draußen immer Wind. Es hat sich jetzt schon gezeigt, dass die Meereswindparks mehr Strom liefern, als man vorher berechnet hatte. Natürlich muss es Vernetzungen geben – mit den Nachbarländern, mit anderen Energieformen: Stichwort »smarte Netze«. Das ist notwendig. Aber insgesamt sehe ich sehr große Chancen für die Offshore-Windenergie. Wenn sie nicht in politischen Querelen zerredet wird, wird sie eine tolle Zukunft haben. Und wir vom BSH wollen dazu beitragen, dass daraus etwas wird.


Interview: Anne-Katrin Wehrmann