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Bei der Nationalen Maritimen Konferenz in Hamburg üben Politik und Wirtschaft

den zukunftsorientierten Schulterschluss. Doch nicht nur Angela Merkels mahnende

Worte legen auch grundlegende Differenzen frei. Von Michael Meyer

Es gab lobende Worte, es gab optimistische Worte, und es gab – wenn auch weniger – kritische Worte. Weitgehend einig waren sich[ds_preview] Politik und Wirtschaft in der positiven Bewertung des Potenzials innovativer Technologien und der Digitalisierung, das Zauberwort schlechthin, zumindest aus Sicht der Volkvertreter. Unter der Oberfläche wurde aber auch die Uneinigkeit in der Bewertung von kurz- und langfristigen Notwendigkeiten deutlich.

Die Regierungsvertreter versuchten klarzustellen, dass man sehr viel für die Branche tue und übten sich in Weitsicht. »Nur mit modernen Produkten können wir bestehen. Wir dürfen nicht nur den Standard halten, sondern müssen ihn ausbauen. Genau das adressiert die Maritime Agenda 2025«, sagte Uwe Beckmeyer, als Maritime Koordinator der Bundesregierung auf Abschiedstournee.

Wunderbar sei, dass man Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften bei der »Gemeinsamen Erklärung« an einen Tisch bekommen habe. Man wolle Vorreiter sein: »Wir sind nicht mehr diejenigen, die den Finger in die Luft halten und schauen, woher der Wind kommt, sondern diejenigen, die den Propeller selbst anwerfen.« Enak Ferlemann, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium ergänzte, er sei froh »über die gute Stimmung« auf der NMK: »Damit schicken wir ein kraftvolles Bild in die Gesellschaft

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte für die Schifffahrtsindustrie salbungsvolle Worte mitgebracht. Zulieferindustrie, Werften, Häfen – all diese Bereiche sieht die deutsche Kanzlerin technologisch gut aufgestellt. Damit das auch so bleibe, habe die Regierung Einiges getan: »Ich glaube, wir dürfen mit Fug und Recht sagen: Die Bundesregierung, aber auch die Bundesländer, unterstützen die Branche bei der Neuausrichtung«. Zu den wichtigsten Instrumenten zählte die CDU-Politikerin die »Maritime Agenda« – die allerdings schon zu Jahresbeginn von den Verbänden als nicht ausreichend kritisiert worden war – die »Maritime Energiewende« und die »Gemeinsame Erklärung« zur Standortsicherung. Merkel ergänzte, dass angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen und der ständigen Notwendigkeit der Anpassung es auch Unsicherheiten bei den Beschäftigten gebe. »Wir wollen helfen, ihnen diese Unsicherheit zu nehmen. Denn wenn die Fachkräfte einmal weg sind, ist es schwer, sie zurückzubekommen«, so die Regierungschefin weiter.

Deutschland genieße hohes Ansehen, wenn es um innovative Technologien gehe. Das sei auch gut so, Deutschland befürworte verbindliche Klimaschutziele. »Wir setzen uns dafür ein, dass die Schifffahrt noch umweltfreundlicher wird. Und wir schätzen Ihre Anstrengungen sehr«, sagte die Kanzlerin.

Zuvor hatten bereits Verkehrsminister Alexander Dobrindt und Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries die Errungenschaften für die Branche hervorgehoben. Die Industrie solle fit gemacht werden für die digitale Revolution. »Die maritime Wirtschaft steht mit der Digitalisierung vor einer echten Effizienzrevolution. Jetzt geht es darum, damit verbundene Potenziale zu nutzen und unsere Wettbewerbsfähigkeit digital zu behaupten. Dafür starten wir ein umfangreiches Maßnahmenpaket und investieren kräftig: Wir bauen die Gigabit-Netze der Zukunft, investieren dafür 350Mio. €, fördern die Digitalisierung der Häfen im IHATEC-Programms und unterstützen die Ideen von Startups für die Schifffahrt 4.0.«, sagte der bayrische Politiker. Darüber hinaus starte das Deutsche Maritime Zentrum in Hamburg, um die Kompetenzen von Bund, Ländern und Gewerkschaften zu koordinieren.

Die deutschen Reeder sehen in der die Digitalisierung ebenfalls großen Chancen. Alfred Hartmann, Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) sagte, mithilfe der Daten von Hunderten Sensoren an Bord könnten Reedereien ihre Schiffe effizienter einsetzen. Gleichzeitig monierte er allerdings einen Nachholbedarf auf politischer Seite: »Wir brauchen zuverlässiges Breitbandinternet. Auch die öffentliche Verwaltung braucht einen Digitalisierungsschub.«

Im Gegenzug fand die Kanzlerin auch kritische Worte für die Reedereien: »Wir wünschen uns, dass sich die Bedeutung Deutschlands auch in der Beflaggung widerspiegelt und dass wieder mehr Schiffe deutscher Reeder unter deutscher Flagge fahren.« Sie wisse, dass die Konkurrenz im Weltmarkt sehr groß sei, aber: »Wir haben den Reedern ein deutliches Zeichen gegeben und erwarten, dass diese Reeder nun entsprechend reagieren«, so Merkel.

Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) zog ein erstes positives Fazit. »Die klaren Aussagen der Bundeskanzlerin und der Bundesminister – ob zu IHATEC, Handelspolitik oder dem Digitalen Testfeld Hafen – und die Erklärung zur Digitalisierung bilden im Zusammenspiel mit dem Nationalen Hafenkonzept, dem Bundesverkehrswegeplan und der Maritimen Agenda einen optimistisch stimmenden Rahmen für das Arbeitsprogramm der nächsten Bundesregierung«, teilte der Verband mit.

Ein Kernproblem der politischen Begleitung ist jedoch der zeitliche Ansatz, wie sich auch bei der NMK zeigte. Abgesehen vom Hafengeschäft sind die Initiativen vor allem mittel- bis langfristig wirksam. Die »Maritime Agenda 2025« trägt einen der Mängel bereits im Namen. Viele Zulieferer kämpfen allerdings gegen ein eingebrochenes Orderbuch. Nicht wenige fordern mittlerweile konkrete politische Unterstützung, weil Investitionen in die Zukunft, die eher mittel-, wenn nicht sogar nur langfristig Abhilfe schaffen könnten, angesichts der knappen Kassen teilweise gar nicht möglich sind. Entsprechend war die Stimmung bei einigen der Wirtschaftsvertreter nicht so überschwenglich, wie etwa bei Enak Ferlemann.

Das Verkehrsministerium setzt dennoch auf Innovationen. Im Rahmen der Konferenz startete er eine Initiative zur »maritimen Energiewende« mit den Schiffbau- und Zulieferverbänden VSM und VDMA.

Deutlich kritischere Worte fanden fast ausschließlich Oppositionspolitiker, vor allem Valerie Wilms von den Grünen – sowohl in Richtung Politik, als auch an die Wirtschaft gerichtet: »Ich hasse es, wenn nur dann etwas umgesetzt wird, wenn das Füllhorn öffentlicher Förderung sich öffnet«, so die Politikern weiter. »Warten sie nicht auf die Politik, da können sie manchmal lange warten.« Darüber hinaus monierte sie die Unentschlossenheit der Behörden. Die Politik betone stets die Potentiale der LNG-Nutzung, tue aber zu wenig: »Ich habe keinen Bock mehr darauf, dass deutsche Behördenschiffe mit Schweröl fahren.« Zustimmung bekam sie vom SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs: »Mich wundert, dass das Verkehrsministerium nicht aus dem Quark kommt.«

Ebenfalls sichtbar wurde der schmale Grat zwischen Schulterschluss und direkter oder indirekter Subventionspolitik. Prinzipiell lehnt die Wirtschaft allzu tiefe Eingriffe ab. An einigen Stellen wünscht sich so Mancher aber ein stärkeres Engagement, sozusagen als Anschub für die Umsetzung neuer Technologien.

Ein Beispiel lieferte Rolf Habben Jansen, CEO von Deutschlands größter Linienreederei Hapag-Lloyd. Auf der NMK sprach er über LNG in seiner Flotte. Noch sei das kein guter »Business Case«, und das werde auch noch einige Jahre so bleiben. Nach wie vor gebe es ein gewisses finanzielles Risiko. Auch mangele es an der Bunker-Infrastruktur und an unterstützenden Rahmenbedingungen. »Alles was unterstützen kann, hilft uns, beispielsweise reduzierte Hafengebühren«, so Habben Jansen.

MAN-Chef Uwe Lauber blies ebenfalls in dieses Horn und forderte eine stärkere Förderung umweltfreundlicherer Technologien. Habben-Jansen sprach sich allerdings eindeutig gegen nationale oder regionale »Sonderinitiativen« aus. Die globale Politik müsse über die Internationale Schifffahrtsorganisation IMO den nötigen Rahmen setzen. Auf Deutschland bezogen machte Beckmeyer klare Grenzen deutlich. »Wir brauchen ein einheitliches Regime, keine verschiedenen Hafenordnungen.« Zudem könne der Staat nicht für die Bunker-Infrastruktur sorgen: »Da muss die Wirtschaft ran.«

Ansonsten wurden allzu kritische Töne eher ausgespart, zumindest an der Oberfläche der Konferenz. Im Hintergrund gab es durchaus tiefergehende Gespräche, auch im Vorfeld der NMK bei den Branchendialogen. Dafür ist die NMK vielleicht auch nicht der richtige Ort. Ob man dann ein solch großspuriges Format wählen muss – auch mit Blick auf die zum Teil sehr angespannte wirtschaftliche Lage der Branche, ist eine andere Frage. Die Grünen-Politikerin Wilms brachte es auf den Punkt: »Wahlkampfreden können wir machen ohne Ende, aber es kommt darauf an, was rauskommt.«


Michael Meyer