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Noch fristen Batterien und hybride Antriebstechnologien ein Nischendasein, doch der Markt wächst. Dirk Lehmann, Geschäftsführer von Becker Marine Systems, sprach mit der HANSA über Gegenwart und Zukunft der »grünen Schifffahrt«

Herr Lehmann, wie grün ist die Schifffahrt aus Ihrer Sicht heute?

Dirk Lehmann: Bis auf grün angemalte Schiffe[ds_preview] ist sie leider noch nicht sehr grün. Technisch geht mehr, und auch wirtschaftlich würde mehr gehen. Aber leider ist es bequemer, herkömmliche Schiffe zu betreiben.

Was hat es mit Ihrem neuen Batteriesystem »Cobra« auf sich?

Lehmann: Wenn man Schiffe effizient betreiben möchte, macht es Sinn, den Antrieb mit der Elektrik an Bord zu kombinieren, und im Laufe der Jahre sind dieselelektrische Anlagen ja auch deutlich wirtschaftlicher geworden. Aber die ganz großen Motoren laufen die längste Zeit des Tages in geringer Last und haben dadurch schlechte Wirkungsgrade. Besser ist da ein kleiner Motor, der eine Grundlast betreibt und voll ausgenutzt wird. Dabei spielen dann die Themen Speicherung und Batterien eine große Rolle, denn mit Batterien lässt sich die eingesetzte Energie effizient nutzen. Außerdem können sie Energiespitzen abfangen. Ich bin seit gut drei Jahren an einer Firma beteiligt, die Pkw zu Elektroautos umbaut und dafür auf eine neue Art sehr kompakt Lithium-Ionen-Zellen miteinander verknüpft, sodass vergleichsweise leichte Batterien mit einer hohen Energiedichte entstehen. Darüber habe ich mit Kunden in der maritimen Welt gesprochen und bin auf ein großes Interesse gestoßen. So haben wir bei Becker entschieden, in diesen Bereich zu investieren und »COBRA« auf den Markt zu bringen. Die Produktionsstätte ist gerade fertig geworden, das Zertifizierungsverfahren läuft. Ich gehe davon aus, dass wir das System ab Ende des Sommers serienreif verkaufen können.

Für welche Schiffe und Einsatzgebiete ist es gedacht?

Lehmann: Interessant sind natürlich Fahrgastschiffe, die zumindest streckenweise elektrisch, leise und sauber fahren wollen, durchaus auch große Fähren. Color Line zum Beispiel lässt die größte Hybridfähre der Welt bauen, und da sind sehr viele Batterien notwendig. Scandlines betreibt die Hybridisierung schon seit Jahren, auch andere Reedereien sind an dem Thema dran. Das ist der Bereich, in dem wir momentan einen Markt sehen.

Eine der größten Herausforderungen war bisher die eingeschränkte Reichweite. Wie weit kann ein Schiff mit Ihrem System fahren?

Lehmann: Das hängt davon ab, wie viele Batterien installiert werden. Typischerweise würde man das nicht für eine Transatlantik-Reise machen, sondern bei einem kleineren Fahrgastschiff zum Beispiel zwei oder drei Stunden elektrisch fahren und dann wieder aufladen oder auf einen kleinen sauberen Motor umschalten. Es muss ja auch die Heizungsproblematik gelöst werden: Dafür bietet sich ein Verbrennungsmotor an, der möglichst wie ein wärmebedarfsgesteuertes Blockheizkraftwerk arbeitet und die Batterie ergänzt – also eine hybride Technik aus Verbrenner, der die Wärmelast übernimmt und gleichzeitig auch Strom erzeugt, sowie Batterie, die während der Liegezeiten gespeist wird.

Insgesamt konnten sich Batterien allerdings noch nicht wirklich durchsetzen. Warum sollte sich das jetzt ändern?

Lehmann: Es ist ein Markt, der langsam in Gang kommt. Schon jetzt gibt es eine Menge Hybridfähren, auf den Kreuzfahrtschiffen sind Batterien als Back-up-Systeme an Bord und auch rein elektrisch betriebene Schiffe sind im Einsatz. Die sind teuer, weil die Technologie noch vergleichsweise neu ist, darum ist das ein sehr spezieller Markt. Noch ist er überschaubar, aber er wird jährlich größer. Dass sich Batterien wirklich rechnen, wird sicher noch ein bisschen dauern. Irgendwann werden sie allerdings so attraktiv sein, dass auch Handelsschiffe Batterien nutzen werden.

Sie engagieren sich zudem für eine verstärkte Nutzung von LNG und haben mit der »Hummel« die erste LNG-Hybrid-Barge zur Versorgung von Kreuzfahrtschiffen entwickelt. Wie läuft es?

Lehmann: Wir mussten zunächst eine Akzeptanz herstellen, aber inzwischen hat die Industrie erkannt, dass die Barge »plug-and-play« funktioniert. Das Ganze ist mittlerweile auch einigermaßen wirtschaftlich, und je mehr Schiffe eines Tages ankoppeln, umso günstiger wird es. Momentan ist das Problem, dass die Behördenauflagen in Hamburg unverhältnismäßig hoch sind und wir die Barge jedes Mal von ihrem Liegeplatz zum Einsatzort schleppen müssen, was mit enormen Kosten verbunden ist. Wir sind darum in Gesprächen, die »Hummel« in einen anderen Hafen umzuziehen.

Wie sieht es mit Folgeprojekten aus?

Lehmann: Da sind wir in sehr konkreten Planungen, vor allem mit Häfen in Spanien, Italien und Norwegen. Konkrete Gespräche führen wir auch mit China und Singapur. Rotterdam ist ebenfalls ein Thema, aber da haben wir noch keine wirtschaftliche Lösung für eine Winternutzung gefunden.

Vor einem Jahr haben Sie Ihren LNG PowerPac zur Stromversorgung von Containerschiffen vorgestellt. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Lehmann: Wir werden zunächst vier davon bauen, wofür wir eine Förderung vom Bundesverkehrsministerium bekommen haben. Die ersten beiden sind schon im Bau und sollen bis Ende des Jahres im Hafen funktionieren.

Welche Aussichten hat PowerPac?

Lehmann: Unter anderem will ein großes asiatisches Hafenunternehmen das System unbedingt haben. Wir gehen fest davon aus, dass es sich stark verbreiten wird, weil es eine sehr unkomplizierte Lösung ist, sauberen Strom direkt an Bord zu produzieren. Wir müssen nur unseren Container auf das Schiff setzen – und das Schiff muss lediglich eine zusätzliche Steckdose und ein Schaltpult nachrüsten.

Ein echter LNG-Boom ist in der Branche nach wie vor nicht festzustellen. Sind Ihre Erwartungen diesbezüglich enttäuscht worden oder hatten Sie damit gerechnet, dass es zäh wird?

Lehmann: Dass es so zäh wird, hätte ich nicht gedacht. Vor allem hätte ich nicht erwartet, dass wir gerade in Deutschland eine solche Problematik mit der Akzeptanz von LNG in den Häfen haben. Und auch seitens der Politik gibt es immer noch keine Richtlinie, die zumindest bundesweit gilt. Es ist schade, dass der Bund hier nicht mehr Handhabe hat – dabei tut er wirklich viel, um auf die Länder und sogar die Regionen hinzuwirken, aber von dort gibt es immer wieder Blockaden. Da muss dringend etwas passieren, denn es ist Firmen nicht zuzumuten, mit jedem Hafenstandort und jeder Behörde einzeln über eine LNG-Nutzung zu sprechen. Momentan ist es doch so, dass der Reeder, der mehr an die Umwelt denkt als an den letzten Cent in der Wirtschaftlichkeit, als Risikobringer gesehen wird. Es müsste genau andersherum sein: Die Häfen müssten eine Einladung aussprechen, mit LNG zu arbeiten und so die Emissionen zu senken.

Gibt es denn Reeder, die es sich momentan leisten können, mehr an die Ökologie als an die Ökonomie zu denken?

Lehmann: Ja, die gibt es an jeder Ecke. Wirklich in jedem Bereich des Shippings gibt es Reeder, die das sehr gerne wollen und darin die Zukunft erkennen, auch wenn es im Moment nicht die wirtschaftlichste Art ist. Wir haben da Nachfragen aus der gesamten Branche: Fähre, Kreuzfahrt, Massengut, Containerfahrt, selbst die RoRo-Transporte. Aber leider ist es so unglaublich schwer, an LNG zu kommen.

Sie reden relativ optimistisch über die Branche. Von außen hat man den Eindruck, dass das grüne Thema generell eher negativ zurückhaltend betrachtet wird. Ist das ein falscher Eindruck?

Lehmann: Nein, das ist der Gesamteindruck der Schifffahrt, das stimmt schon. Was ich jetzt gesagt habe, ist ja eine Nische: Das sind die Wenigen, die mit einem geringen Prozentsatz ihrer Flotte etwas verändern wollen und auch können. Dafür gibt es einen Markt. Die Masse des Marktes muss natürlich gerade in der jetzigen Marktsituation möglichst günstig fahren. Und günstig kann nicht sauber heißen, das wissen wir alle. Demzufolge wird es immer eine Schifffahrt geben, die herkömmlich fährt, und es wird einen anderen Teil geben, der anders und nachhaltiger fährt. Fest steht, dass sich da eine Menge tut und der nachhaltig fahrende Teil jedes Jahr größer wird.

Interview: Anne-Katrin Wehrmann


Anne-Katrin Wehrmann