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Mit den neuen Mega-Carriern in der weltweiten Schifffahrt könnten Schadenssummen aus Sicht der Versicherer eine bislang nicht gekannte Dimension erreichen. Denn mit der Größe der Schiffe steigen auch die Kosten einer Havarie entsprechend an. Von Krischan Förster

Bei einem »Katastrophen«-Szenario, das von einer Kollision eines Containerschiffes mit einem Kreuzfahrtschiff, einer folgenden Grundberührung und einer anschließenden Umweltverschmutzung[ds_preview] in einem ökologisch sensiblen Gebiet ausgeht, haben Experten der Allianz eine Schadenssumme von bis zu 4 Mrd. $ ermittelt (siehe Grafik). Aber auch bei einem einzelnen Tanker oder Containerschiff könne der Schaden schnell 2 Mrd. $ erreichen.

So lautet die Warnung im jüngsten 5. »Safety & Shipping Review« des Versicherers Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS). Noch ist dieses Szenario nicht eingetreten. Und mit Blick auf die gesamte Branche lässt sich feststellen: Die Totalschäden sind im Laufe der letzten zehn Jahre um 50% zurückgegangen. Dies sei im Wesentlichen auf die Verbesserung der Sicherheitsbedingungen seitens der Schiffseigner zurückzuführen, heißt es in dem AGCS-Bericht.

85 Totalverluste in 2016

2016 seien insgesamt 85 Totalverluste gemeldet worden, ein Rückgang um 16% gegenüber dem Vorjahr (101). Damit war das vergangene Jahr das sicherste Jahr für die Schifffahrt – mit den geringsten Totalschäden seit einem Jahrzehnt. Die Zahl der Schifffahrtsunglücke mit reparablen Schäden reduzierte sich laut der Studie ebenfalls leicht um 4% (Vorjahr: 2.611 Unglücke). »Es gibt jedoch keinen Anlass, sich zurückzulehnen«, betont Baptiste Ossena, Global Product Leader Hull & Marine Liabilities bei der AGCS. »Die Schifffahrtsbranche ist mit steigendem regulatorischem Druck, schwindenden Margen und neuen Risiken konfrontiert.«

So würden Umweltprüfungen immer weiter verschärft und könnten zu Geldbußen in bislang nicht gekannter Höhe führen. Die neuen Regelungen für das Ballastwasser-Management, die im September 2017 in Kraft treten, könnten die heute schon unter Druck stehenden Reedereien durch finanzielle Anforderungen zusätzlich belasten. Politische Risiken stiegen in bestimmten Regionen wie dem Jemen und dem südchinesischen Meer. Nicht zu unterschätzen sei auch die Bedrohung durch Cyberangriffe auf See, heißt es.

Hotspot Asien

2016 ereignete sich mehr als ein Viertel der Totalschäden in der Seefahrt (23) in Südchina, Indochina und im Bereich Indonesien und Philippinen – dem Top-Hotspot des letzten Jahrzehnts. Frachtschiffe (30) machten mehr als ein Drittel sämtlicher Schiffsverluste aus; bei Passagierfähren war eine leichte Zunahme vor allem im Mittelmeer und Südostasien zu beobachten (8). Unterdurchschnittliche Standards bleiben in einigen Teilen Asiens ein Problem. Dazu zählen unzureichende Sicherheitsvorkehrungen oder Wartung, mangelhafte Umsetzung von Vorschriften und die Überbesetzung mit Passagieren.

Mit über 50% war Schiffsuntergang – oft in Verbindung mit schwerer See – die häufigste Ursache weltweit bei Totalschäden. Mehr als ein Drittel der Schiffsunglücke sind auf Maschinenschäden zurückzuführen.

75% durch menschliches Versagen

Angesichts hoher Schuldenstände und schwacher Erträge versuchten viele Reedereien, die Kosten für Wartung, Schulung oder Besatzungsstärke zu reduzieren. »Ein sinkender Ausbildungsstand und unzureichende Wartung von Schiffen können das Sicherheitsrisiko steigern«, sagt Volker Dierks, bei AGCS für Schiffsversicherungen zuständig. Laut AGCS-Analysen war zwischen 2011 und 2016 menschliches Versagen nach dem Schadenswert für ca. 75% von 15.000 Seehaftpflichtschäden in Höhe von insgesamt 1,6 Mrd. $ verantwortlich.

Auch die Schifffahrt sei künftig durch Cyberrisiken bedroht, warnt die Allianz. Bisher zielen die meisten Angreifer allerdings eher auf Daten und Systeme der Reedereien ab, als darauf, ein Schiff unter ihre Kontrolle zu bringen. »Da die Schifffahrt bisher von großangelegten Cyberattacken weitgehend verschont geblieben ist, wird die Gefahr noch unterschätzt«, sagt Rahul Khanna, Global Head of Marine Risk Consulting bei AGCS. Würde es Hackern jedoch gelingen, ein großes Containerschiff auf einer strategisch wichtigen Route unter ihre Kontrolle zu bringen, könnten sie die Durchfahrt über längere Zeit blockieren und so erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen.

Als weitere Risiken benennt die Allianz Verluste durch Schäden am Rumpf insbesondere bei umgebauten Schiffen, wie zuletzt beim Bulker »Stellar Daisy« im Atlantik, oder Feuer auf See wie zuletzt auf dem Containerschiff »MSC Daniela« vor Sri Lanka.


Krischan Förster