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Die politische Arbeit an der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung war von intensiven Debatten geprägt. Nun gibt es ein Ergebnis. Ein Blick auf die Hintergründe der neuen Beihilferegeln

Für die Hafenwirtschaft endete am 10. Juli eine wichtige politische Debatte – jedenfalls bis auf weiteres: die Änderung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung[ds_preview] (AGVO) in Bezug auf Hafen- und Flughafeninfrastrukturen trat als Verordnung (EU) 2017/1084 in Kraft. Die AGVO bestimmt nun auch für See- und Binnenhäfen, welche Investitionen der Staat tätigen darf, ohne zuvor die Europäische Kommission um Genehmigung bitten zu müssen. Die ursprünglichen Änderungsvorschläge der Kommission hätten die Geschäftsgrundlage der Seehafenbetriebe grundlegend und nachteilig verändern können.

Grundsätzlich verbietet die Europäische Union – direkt in den Europäischen Verträgen – staatliche Beihilfen. Als Beihilfe gilt jeglicher geldwerte Vorteil ohne marktgerechte Gegenleistung, den die öffentliche Hand einer wirtschaftlich tätigen Einheit oder einer bestimmten Gruppe solcher Einheiten gewährt, auf diese Weise den Wettbewerb verfälscht und den innereuropäischen Handel beeinträchtigt. Beabsichtigt ein Mitgliedsstaat, ausnahmsweise eine Beihilfe zu gewähren, so verpflichtet ihn das Beihilferecht, diese Beihilfe zunächst von der Kommission billigen zu lassen. Es gilt dabei das Anmelde- und Stillhalteerfordernis: Ohne Erlaubnis der Kommission darf die Maßnahme nicht vollzogen werden. Dies bedeutet einen zusätzlichen Verfahrensschritt, verursacht einen hohen Bearbeitungsaufwand und verzögert Infrastrukturprojekte häufig um viele Monate.

Ziel der AGVO ist es, bestimmte Beihilfemaßnahmen von der Notifizierungspflicht auszunehmen, nämlich jene, die aus Sicht der Kommission »einen spürbaren Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa leisten« und so mit dem Binnenmarkt vereinbar sind. Damit soll die Anwendung des Beihilferechts erleichtert und beschleunigt werden. Beihilfemaßnahmen, die nicht unter die AGVO fallen, sind dennoch möglich. Ihnen muss weiterhin das Genehmigungsverfahren vorangestellt werden.

Grundansatz der AGVO für die Einbeziehung von Häfen war von Beginn an, die Beihilfen für Hafeninvestitionen den Gesamtkosten des Vorhabens und dem aus dem Vorhaben zu erzielenden Gewinn gegenüber zu stellen. Liegen die Kosten unterhalb einer bestimmten Schwelle, gilt das Projekt als von der Notifizierungspflicht freigestellt. Kaum strittig war auch, dass die freigestellte Beihilfe nur einen bestimmten Prozentsatz der Investitionskosten (in Abhängigkeit von Größe und Art der Investition) abdecken dürfte.

Die von der Kommission in einem Konsultationsverfahren vorgelegten Entwürfe waren dennoch aus Sicht der Hafenwirtschaft, die die Einbeziehung von Häfen in die AGVO ausdrücklich begrüßt hat, verschiedener Mitgliedsstaaten und des Europäischen Parlaments hochproblematisch.

In der Frage der Abgrenzung von Investitionen, die der Allgemeinheit dienen, die erst gar nicht als Beihilfen zu werten sind, und Investitionen, die als Beihilfen einzuordnen und daher durch die Kommission zu genehmigen sind, kam diese der massiven Kritik aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft, die eine grundsätzliche Kompetenzverlagerung bei Verkehrsinfrastrukturausbau – auch etwa bei Autobahnen und Eisenbahnen – hin zur EU monierten, zumindest teilweise entgegen. Im Laufe des Konsultationsverfahrens veröffentlichte sie Interpretationshilfen zum Beihilferecht für Häfen, nämlich die Mitteilung zum Begriff der staatlichen Beihilfe und das sogenannte Analyseraster. Es weist etwa darauf hin, dass bei Investitionen in Verkehrswege, die durch Häfen führen, davon ausgegangen werden kann, dass sie der Allgemeinheit dienen. Allerdings: Weder die Mitteilung noch das Analyseraster bieten ein besonderes Maß an zusätzlicher Rechtssicherheit, da sie jederzeit von der Kommission revidiert werden können. In der nach den Entwürfen kaum durchführbaren Berechnung der Schwellenwerte hat die Kommission den Bedenken Rechnung getragen. Anstatt alle Projekte eines Beihilfeempfängers über einen Dreijahreszeitraum zu bündeln, was erhebliche Zuordnungsprobleme verursacht hätte, stellt die Endfassung auf Kosten einzelner Vorhaben ab.

Auch in der Frage der Laufzeitbeschränkung gab es Kritik. Die Entwürfe sahen irritierenderweise bestimmte Maximallaufzeiten für Konzessionen und Mietverträge vor, wie sie von Mitgliedstaaten, Parlament, Wirtschaft und Gewerkschaften in mehreren Gesetzgebungsverfahren mit Nachdruck abgelehnt worden waren. Die Schlussfassung sieht von Zwangsneuvergaben von Konzessionen und Mietverträgen ab.

Handfeste finanzielle Belastungen für die Hafenwirtschaft drohten bei den Regelungen zu Ausbaggerungskosten. Die Kommission hat jedoch nach intensiver Prüfung anerkannt, dass die Kosten von den Baggermaßnahmen, die als Beihilfe zu werten sind, einschließlich der schwer abzugrenzende Unterhaltsbaggerung, für Häfen bis zu einer Höhe von 130 bzw. 150Mio. € von der Genehmigungspflicht freigestellt werden. Für Häfen sei die Ausbaggerung wegen ihrer geographischen Lage »nicht verhandelbar«.

Im Ergebnis vermeidet die Endfassung der Verordnung wichtige Kostentreiber bei Mieten, Pachten und Hafengeldern, die die Hafenwirtschaft und die Schifffahrt und damit gerade den Wirtschaftsstandort Deutschland übermäßig belastet hätten. Die neu gefasste AGVO sollte zudem Infrastrukturprojekte an den Standorten beschleunigen. Der ZDS betrachtet die Änderung der AGVO als wichtiges, positives und für Seehafenbetriebe betriebswirtschaftlich bedeutsames Ergebnis einer intensiven Debatte.
Daniel L. Hosseus