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Zwischen Flaggenstaaten hat sich in der Schifffahrtskrise der Wettbewerb verschärft.

Die Reeder erwarten Service und Flexibilität. Darüber hinaus spielt die Digitalisierung

eine immer wichtigere Rolle. Die deutsche Flagge hat noch Nachholbedarf

Früher wurde die Flagge generell häufiger gewechselt, als das heute der Fall ist, denn eine Änderung ist mit Kosten verbunden[ds_preview]. Gerade in Zeiten, in denen Schifffahrtsunternehmen finanzielle Probleme haben, gibt es jedoch andere, weitaus wichtigere Themen, die sie beschäftigen.

Die Verschiebung des Inkrafttretens des Ballastwasserübereinkommens (siehe S. 54) könnte bei den Reedern auch dazu führen, Entscheidungen über mögliche Verschrottungen noch einmal zu überdenken, bzw. ebenfalls erst später zu vollziehen. Somit werden gerade einige ältere Einheiten ihre Flaggen noch ein wenig länger behalten.

Schiffsverkäufe sind indes auch heute noch einer der Hauptgründe für einen Flaggenwechsel. Die Kunden haben viele Register zur Auswahl, offene wie geschlossene. Entsprechend groß ist der Kampf der Flaggenstaaten um Klienten. »Ein guter Service wird heute von den Reedern vorausgesetzt«, sagt Gunnar Georgs vom Register der Marshall Islands. Ein weiterer Indikator sind die Bewertungslisten der Hafenstaatkontrollen. Auch daraus ziehen die Schifffahrtsunternehmen ihre Schlüsse und lassen sie in die Entscheidung einfließen, welche Flagge sie fahren wollen.

Service und Flexibilität

Eigentürmer und Investoren würden den einfachen und schnellen Weg der Kommunikation aber auch des Handelns bevorzugen, sagt Georgs. Es sei wichtig, eine vertrauensvolle Basis zu den Reedern und deren Partnern aufzubauen, schließlich würden sie hohe Summen investieren. Bei den Marshall Islands werden Anfragen daher auch von dem Büro beantwortet, an das sie gerichtet worden sind. Dadurch müssten sich die Reeder nicht auf verschiedene Kräfte einstellen und es ließe sich schneller eine Vertrauensbasis aufbauen.

Ein ganz wesentlicher Faktor ist für Georgs zudem die ständige Erreichbarkeit. »Wenn die Kunden ein Anliegen haben, erwarten sie, dass sich schnell darum gekümmert wird, egal zu welcher Uhrzeit.« Auch beim Liberia Register ist der 24-Stunden-Service inzwischen umfassend etabliert. Man sei stolz darauf, das zum Standard gemacht zu haben, sagt Carsten Gierga, Deutschland-Geschäftsführer beim Liberian International Shipping & Corporate Registry (LISCR). Für das Register Portugals ist der 24/7-Service ebenfalls zu einem festen Bestandteil geworden, gleiches gilt für die Flagge Zyperns und noch viele andere.

Darüber hinaus setzen sowohl das Liberia-Register als auch das der Marshall Islands auf eine ausgeprägte Marktpräsenz. Um schnellen Vor-Ort-Service anzubieten, hat Marshall Islands nach eigenen Angaben weltweit mittlerweile 27 Niederlassungen gegründet. »Die Dezentralisierung ist wichtig, um neue Märkte zu erschließen«, sagt Georgs. Auch das Register Liberias ist nach Angaben Giergas mittlerweile weltweit mit insgesamt 19 Büros präsent.

Prozesse vermehrt digital

Ein weiterer Faktor für die Beschleunigung der Abläufe ist die Digitalisierung. Das LISCR hat nach eigenen Angaben bereits im Jahr 2006 elektronische Dokumente erstellt und war damit der weltweite Pionier in diesem Bereich. Heute beschäftigt sich nahezu jedes in der Schifffahrtsbranche tätige Unternehmen damit – also auch die Flaggenstaaten.

Digitale Abläufe haben eine Reihe von Vorteilen. Durch die elektronische Zertifizierung wird beispielsweise der Prozess der Schiffsregistrierung beschleunigt, weil die Dokumente verlässlich und ohne Verzögerung die Reeder erreichen können. Dabei spielt es auch keine Rolle, wohin sie verschickt werden sollen. Gierga führt noch einen weiteren Aspekt an: »Es ist nicht mehr nötig, dass ein Vertreter des Registers vor Ort erscheint, um das entsprechende Zertifikat auszuhändigen.« Dies spare nicht nur Zeit, sondern reduziere auch merklich die Kosten.

Auch das Register der Marshall Islands hat die Umstellung der Arbeitsabläufe jetzt abgeschlossen und stellt nur noch elektronische Zertifikate aus. Auf diese Weise ausgehändigte Dokumente können nicht verloren gehen oder beschädigt werden. Das Register Portugals bietet den Kunden ebenfalls zahlreiche Online-Anwendungen an und auch bei der Flagge Zyperns haben sich Online-Abläufe etabliert. Auf diese Weise läuft beim nach der Tonnage elftgrößten Flaggenstaat die Registrierung von Seeleuten und ebenfalls das Anerkennen von Zertifikaten.

Liberias elektronische Zertifikate verfügen über eine Tracking-Identifizierungsnummer (TID). Dadurch werde Küstenstaaten weltweit ermöglicht, die liberianischen Dokumente sofort zu verifizieren, so Gierga, und es ließen sich Betrügereien verhindern. Das Marshall Islands Register geht einen Schritt weiter und inkludiert auf jedem Dokument einen QR-Code, der die Überprüfung mittels Smartphone z.B. durch die Hafenstaatkontrolleure beschleunigt. Durch die Digitalisierung von Unterlagen, die Hypotheken betreffen, würden darüber hinaus auch Firmen unterstützt, da kein Papier mehr anfalle. Auch dadurch entstünden im Endeffekt weniger Kosten.

Deutschland ist noch nicht so weit

Andere, wie etwa die deutsche Flagge, sind in Sachen Digitalisierung indes noch nicht ganz so weit. Hier wird es noch eine Weile dauern, bis das elektronische Verfahren vollständig zur Verfügung steht. »Unser Ziel ist es, spätestens im Jahr 2020 die Umstellung auf digitale Daten komplett vollzogen zu haben«, sagt Jörg Kaufmann, Abteilungsleiter Schifffahrt beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Anträge per E-Mail seien aber schon jetzt möglich. Weitere Funktionen sollen nach und nach integriert werden.

Will jemand die deutsche Flagge fahren, müssen Amtsgericht, Schiffsregister, die Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland sowie das BSH beteiligt werden, das die Ausflaggungsgenehmigung ausstellt. All diese Organe müssen sich untereinander austauschen und abstimmen, was in der Vergangenheit Zeit in Anspruch genommen hat. »Wir sind dabei, die Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen«, stellt Kaufmann in Aussicht.

Die deutsche Flagge habe lange unter der Schifffahrtskrise gelitten und viele Kunden verloren, räumt er ein. Einige davon sind ins liberianische Register gewechselt. Nach Angaben des LISCR ist das Verhältnis zwischen der deutschen Schifffahrtsgemeinschaft und dem Liberia-Register während der Schifffahrtskrise noch enger geworden. Entsprechend sei die Flagge Liberias die bevorzugte Wahl deutscher Reeder. Auch die portugiesische Flagge werde von den deutschen Schifffahrtsunternehmen häufig gewählt, insbesondere für große Einheiten, ergänzt Kaufmann. Kleinere Frachter würden hingegen die Flagge von Antigua und Barbuda bevorzugen.

Daran ist abzulesen, dass auch die deutschen Reeder Wert auf eine hohe Präsenz der Register vor Ort legen, denn sowohl Liberia, Marshall Islands, Portugal als auch Antigua & Barbuda haben Niederlassungen in Deutschland. Doch auch außereuropäische Reedereien, die traditionell andere Flaggen bevorzugt hätten, würden zunehmend häufiger auf die Flagge Portugals setzen, sagt die Agentur Euromar, die die portugiesische Flaggevertritt. Auch deshalb sieht sich das Register auf einem guten Weg, denn es ist auch ein wichtiges Instrument für die Europäische Union, indem es die Einhaltung der Anforderungen der Kommission hinsichtlich des Anteils der europäischen Schiffe unterstützt, die mit der Flagge eines EU-Mitgliedsstaates unterwegs sind.

»Talsohle überwunden«

Auch wenn andere Flaggenstaaten aktiv um deutsche Reeder werben, ist Kaufmann zuversichtlich, dass die deutsche Flagge die Talsohle überwunden hat. Die Kundenzahlen hätten sich zuletzt stabilisiert. Ein Grund dafür seien Maßnahmen, mit denen man den Reedern entgegengekommen sei. Das betrifft nicht zuletzt die Lohnsteuer, denn der Reeder oder Arbeitgeber darf mittlerweile 100% der Lohnsteuer für Seeleute für sich einbehalten. Zuvor hatte der Wert noch bei 40% gelegen. Dadurch sind die deutschen Reeder nunmehr mit vielen ausländischen Schifffahrtsunternehmen gleichgestellt, die keine Lohnsteuer für ihre Seeleute zahlen müssen.Das Norway International Ship Register (NIS) erstattet seit dem ersten Juli dieses Jahres ebenfalls die volle Lohnsteuer an Reedereien, die einheimische Seeleute beschäftigen. Die Reederei Odfjell hat daraufhin angekündigt, einen norwegische Kadetten einstellen zu wollen, zumindest für eine Probephase für dieses und das kommende Jahr.

Der zweite wesentliche Aspekt, mit dem man den unter deutscher Flagge fahrenden Unternehmen entgegenkam, ist für Kaufmann die angepasste Schiffsbesetzungsverordnung. Seit Mitte 2016 braucht jedes Schiff über 8.000 BRZ unter deutscher Flagge nur noch mit einem EU-Kapitän und einem EU-Offizier besetzt zu sein, für Schiffe bis 8.000BRZ ist ein Kapitän aus einem EU-Mitgliedsstaat ausreichend. Zuvor mussten je nach Schiffsgröße bis zu vier Offiziere aus EU-Ländern an Bord sein, zudem war ein Schiffsmechaniker vorgeschrieben.

Der Schifffahrtsexperte hofft, dass sich die getroffenen Maßnahmen auch weiter positiv auswirken, damit die deutsche Flagge wieder stärker vertreten ist in der Schifffahrt. Ein wenig Sorge bereitet ihm jedoch die anhaltend schwierige Lage der deutschen Reeder, die in der Containerschiffsflotte weiter weltweit die Nummer eins sind. Entsprechend sind besonders viele deutsche Firmen von der Schifffahrtskrise betroffen. Einige Insolvenzen hat es bekanntermaßen bereits gegeben.

Wenn ein Reeder ein Schiff bei einem anderen Flaggenstaat registrieren will, ist es bei vielen Registern mittlerweile obligatorisch, sich die Schiffe hinsichtlich ihres Zustands vorher gründlich anzusehen. »Wir unterziehen nicht nur Schiffe einer Risikoanalyse, sondern schauen uns auch den Manager an«, sagt Georgs. Jedoch werden nicht nur die Einheiten untersucht, die neu in die Flotte hinzustoßen, sondern auch die Bestandsflotte wird regelmäßig überprüft. Vor allem dann, wenn in der Vergangenheit Mängel festgestellt worden sind. Dann kann sich der Zeitraum bis zur nächsten Inspektion, der normalerweise bei zwölf Monaten liegt, deutlich verringern. Dieses Modell hat sich bei vielen Flaggenstaaten bewährt. Wenn sie selbst mögliche Mängel erkennen, können sie die Crew darauf hinweisen, damit sie nicht bei einer Hafenstaatkontrolle beanstandet werden, was im schlimmsten Fall zu einem Auslaufverbot führen kann. Darüber werden die Register dann in Kenntnis gesetzt.

Es kann auch vorkommen, dass Schiffen zu Unrecht das Auslaufen verweigert wird. In solchen Fällen nützt die enge Zusammenarbeit der Register mit den eigenen Ländern, um das Schiff möglichst schnell wieder frei zu bekommen und die offiziellen Records richtig zu stellen

Vieles spricht dafür, dass es in den kommenden ein bis zwei Jahren nur wenige Veränderungen im Kräfteverhältnis der Flaggen geben wird. Zumindest so lange, bis die nächste Verschrottungswelle einsetzt. Gespannt darf vor allem die Entwicklung der Panama-Flagge verfolgt werden, die von den internationalen Reedern noch immer mit Abstand bevorzugt wird. Branchenexperten führen dies in erster Linie auf die historische Entwicklung zurück. Viele asiatische Reeder lassen ihre Schiffe in diesem Register fahren. Das ist auch ein Grund dafür, warum Panama bezüglich der Tonnage einen so großen Vorsprung gegenüber den anderen Flaggenstaaten hat, denn gerade die Asiaten betreiben eine große Flotte von Tankern und Bulkern.

Abstand zu Panama verringert

Allein die Historie wird aber sicher nicht ausreichen, den Status zu halten, denn andere Register holen auf. Zur Strategie der Marshall Islands gehört es, verstärkt auf neuere Schiffe zu setzen. Im weltweiten Vergleich hat der Flaggenstaat laut Clarksons Research die jüngste Flotte mit einem Durchschnittsalter von acht Jahren. Dieses Modell soll in Zukunft weiter verfolgt werden, sagt Georgs. Beim LISCR wird ebenfalls versucht, die Flotte jung zu halten. Laut Gierga sind im vergangenen Jahr viele große Neubauten hinzugekommen.

Auch andere Flaggenstaaten wie Palau, das jüngst im Report von Paris MoU in die »Black List« gerutscht ist, wollen den Rückstand mit neuen Konzepten, verbessertem Service und digitalen Techniken verkürzen. Man wolle sich für neue Praktiken einsetzen und an den Bedürfnissen der Kunden orientieren. Jedem Schiff solle eine verstärkte Aufmerksamkeit zukommen, um die Flagge im 21. Jahrhundert zu einer Top-Adresse zu entwickeln. Auch deshalb hat Palau International Ship Registry (PISR) im Januar 2017 zusätzlich zum Hauptsitz in Houston, USA, in Griechenland eine Niederlassung für Europa eröffnet, um eine stärkere Marktpräsenz zu demonstrieren.