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Der Reparatur- und Umbaumarkt ist zwar nicht aufgebläht, dafür trifft die Werften die Geldknappheit der Reeder. Umweltregularien und neue Technologien haben sich noch nicht als die erhofften Heilsbringer erwiesen. Von Felix Selzer

Zeitversetzt ist die Krise in der Schifffahrt nun auch bei den Reparatur- und Umbauwerften angekommen. »Anfangs hatten die Reedereien noch[ds_preview] Geld, das ist jetzt vorbei«, sagt Christian Schneider, Geschäftsführer der Werftvertretung Zoepffel & Schneider. Die Boom-Zeiten, als viele Werften mit großen Conversion-Projekten große Umsätze verzeichneten, sind vorbei. Nachrüstungen, die wegen ihres Sparpotenzials bis 2014 und 2015 beliebt waren, sind nun nicht mehr gefragt. Wulstbug, neue Propeller, verstärkte Lukendeckel, alles, was einen guten Return on Investment versprach, mache nach seinen Informationen nun nicht einmal mehr der Marktführer Mærsk, sagt auch Birk Fleischer, Dockbroker und Geschäftsführer bei CET in Hamburg.

Hinzu kommt, dass viele Reeder nun, um Versicherungsbeiträge zu sparen, mit deutlich höheren Eigenbeteiligungen versichert sind. Teils betragen sie bis zu 200.000$, was dazu führt, dass kleine Schäden gar nicht mehr gemeldet, sondern möglichst billig repariert werden.

Zwar seien derzeit die Buchungslagen der Werften in Ordnung, die Umsätze hätten sich aber praktisch halbiert, das gelte selbst für Klasseerneuerungen, sagt Andreas Schou von der Werftvertretung Combitrade. Am häufigsten seien Reparaturen im Ladungsbereich und an Kranen. Das bestätigt auch Fleischer. Während man 2012 für eine normale Dockung eines 2.500-TEU-Schiffs in China noch bis zu 500.000$ bezahlt habe, um das Schiff wieder für fünf Jahre auf Stand zu bringen, würden dieselben Schiffe heute für höchstens 250.000$ gedockt. »Da wird nur das Minimum für die Klassenerneuerung gemacht, oder Kleinigkeiten, die der Charterer verlangt.« Schiffe würden eher »runtergefahren«, vor allem im deutschen und griechischen Markt.

Längere Dockungsintervalle

Einen spürbaren Buchungsrückgang verzeichnen die Werften außerdem, weil viele Reeder nun die Extended-Dry-Docking-Programme (EDD) der Klassifikationsgesellschaften nutzen. Qualifizierte Schiffe müssen dann nur alle siebeneinhalb statt alle fünf Jahre ins Dock. Für Inspektionen in der Zwischenzeit sind dann In-Water-Surveys (IWS) ausreichend. Das hilft zwar kurzfristig dem Cashflow, weil teure Strahl- und Farbarbeiten geschoben werden können, auf längere Sicht zahlt der Reeder aber drauf. Denn die Klasseerneuerung steht weiterhin alle fünf Jahre an, dann müssen ggf. für viel Geld Dienstleister und Besichtiger eingeflogen werden.

Nach so langer Zeit können böse Überraschungen warten. »Ich kenne keinen Superintendent, der sein Schiff freiwillig von fünf auf siebeneinhalb Jahre Fahrzeit verlängert, weil der Zustand des Schiffs nach dieser Zeit grausam ist,« sagt Birk Fleischer von CET. Am Ende sei es insgesamt doch spürbar teurer, ein Schiff in 15 Jahren nur zwei statt drei Mal zu trocken zu stellen, meint auch Schneider.

Außerdem kann es passieren, dass ein Schiff zum Fünfjahrestermin in China gewesen wäre, nach siebeneinhalb Jahren jedoch in Gibraltar vom Charterer zurückgegeben wird. Dort ist die Dockung so teuer, dass es sich für manche Schiffe sogar lohnt, in Ballast bis ins Schwarze Meer zu fahren, um in Rumänien die Reparaturen günstiger zu bekommen. So etwas komme vor, sagt Dieter Gast von Peter Gast Shipping (PGS), letztlich entschieden das Bunkerpreise, Anschlussbeschäftigung und vor allem in der Containerschifffahrt Routen. Selbst in der Karibik und in Südamerika, wo die Werftpreise hoch sind, beobachtet er vermehrt Dockungen, weil die Fahrt nach Europa zu teuer ist.

Dabei ist eine Hauptmotivation bei der EDD eigentlich der Zugewinn an Flexibilität was den Zeitpunkt der Dockung angeht. Man hat also zweieinhalb Jahre mehr Zeit, um auf eine günstige Gelegenheit zu warten. Große Hoffnungen hatten die Werften auf die Umsetzung der Ballast Water Management Convention (BWMC) gelegt. Eine regelrechte Goldgräberstimmung habe noch vor einem Jahr geherrscht, sagt Schneider, der selbst einen »Squeeze« bei den Dock-Slots erwartet hatte. Doch der blieb aus. 2015 führte die Ballastwasserregelung der USA 2015 zu einem Boom bei den Werftbuchungen. Dem folgte 2016 die Flaute, dann stabilisierte sich die Buchungslage wieder. Die nun erfolgte Verschiebung der BWMC-Frist um zwei Jahre (siehe S. 54–55) trifft die Werften hart. »›A real blow‹, hat es ein Werftchef mir gegenüber genannt«, sagt Hans-Joachim Lemcke von PGS. Die Werften hätten in diesem Jahr mit mehr Dockungen gerechnet. Christian Schneider von Zoepffel & Schneider beobachtet den Trend zur vorzeitigen IOPP-Verlängerung vor allem bei den deutschen Eignern. Da werde alles versucht, um die Nachrüstung so lange wie möglich hinauszuzögern. »Die Reeder haben kein Geld mehr übrig, die Banken wollen nichts mehr geben«, so der Experte. Schiffe in deutscher Bereederung, die heute schon zehn oder 13 Jahre alt sind, werden wahrscheinlich nie nachgerüstet, schätzt er. »Wenn die Frist abläuft, sind die Schiffe so alt, dass da keiner mehr 2Mio. € reinsteckt.«

Letztlich werden die neuen Umweltauflagen so bei der Überwindung der Krise durch Abbau von Überkapazitäten helfen, da sind sich wohl alle in der Branche einig. Alte Schiffe gehen früher oder später in den Schrott und nicht zur Nachrüstung. »Das sehen wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zum einen eröffnen sich durch die Nachrüstungen in den kommenden fünf Jahren neue Geschäftsfelder für die Werften, zum anderen sind die neuen Anforderungen ein Genickbrecher für alte Schiffe, die eigentlich viel Arbeit gebracht hätten«, sagt Schneider.

Die Geldgeber entscheiden

Auch andere Umweltmaßnahmen wie die Einführung von Emissionsschutzgebieten (ECA) und das von der IMO für 2020 beschlossene globale Schwefellimit schlagen sich nicht in den Auftragsbüchern der Werften nieder. Scrubber-Nachrüstungen machen laut Schou nur diejenigen, die es müssen, weil sie in ECA-Fahrtgebieten unterwegs sind. Alle anderen würden jeden Schritt so weit es geht hinauszögern. Gleiches gelte für alternative Antriebstechnologien und den Einsatz von LNG. Die meisten schauen hinsichtlich 2020 eher auf die Nutzung von MDO. Eine Ausnahme sei die Passagierschifffahrt, meint Fleischer. »Hier ist Sauberkeit einfach ein Marketingargument.« Ansonsten geschehen Umbauten und Nachrüstungen vor allem auf Wunsch der Charterer und sind entsprechend individuell. Ein Beispiel sind Landstromanschlüsse, die von manchen Häfen verlangt werden.

Noch immer gibt es Shipmanager, die ihre Schiffe immer wieder in die Werften schicken, bei denen sie sich auf gute Arbeit verlassen können. Doch mittlerweile holen 60 bis 70% Angebote bei einer Vielzahl von Werften ein. Nicht selten gewinnt dann die mit dem günstigsten Angebot. Preisbasierte Entscheidungen kommen vor allem beim Third-Party-Management vor, wenn die großen Geldhäuser dahinter stehen. Wenn deutsches Geld involviert ist, spielen noch eher Faktoren wie Qualität und Timekeeping eine Rolle. »Das Hauptargument ist aber schon der Preis und dann kommt erst einmal ganz lange gar nichts«, sagt Birk Fleischer. Als Phänomen der Krise stehen auch immer mehr Schiffe unter Verwaltung durch Insolvenzmanager. Hier wird natürlich besonders genau aufs Geld geschaut, auch Banken und Berater werden stärker einbezogen. Die Entwicklung hat aber auch positive Aspekte, so erhöht sich laut Dieter Gast durch das breit gestreute Tendering die Transparenz.

Europäer müssen effizient sein

Mit dem Trend hin zu möglichst billigen Reparaturen wird die Luft für manche Standorte immer dünner. Werften im Ostseeraum, in Bulgarien, in der Türkei und in China haben preislich die Nase vorn. In die beiden letzteren Regionen gehen rund 60% der Reparaturaufträge. Vorteile ergeben sich aus geringeren Lohnkosten, arbeitsrechtlichen Unterschieden und den deutlich niedrigeren Umweltstandards in Asien. Während in der Türkei und in China rund um die Uhr gearbeitet werden kann, sind die Europäer durch Arbeits- und Lärmschutzstandards eingeschränkt. In einem Geschäft, wo Schnelligkeit und Preis so eng zusammenhängen, kann das entscheidend sein. »Die Off-hire-Zeiten sind entscheidend, aber keiner kann zaubern und irgendwann sind die Möglichkeiten da natürlich auch ausgereizt«, sagt Schou.

Die Europäer müssen mit Organisation und effizientem Handling der Aufträge punkten. Noch hat die chinesische Konkurrenz im Performance-Bereich Nachholbedarf, was Zuverlässigkeit der Dock-Slots und der Angebote angeht. »Es kommt durchaus vor, dass ein aggressives Angebot gemacht wird und am Ende Mehrkosten entstehen«, sagt Gast. Auch bei den Materialkosten können die Europäer kaum mithalten. Während in China der Kilogrammpreis für Stahl bei 1$ liegt, zahlt man in Polen bis zu 5€, in Südspanien und Portugal bis zu 8€. Da ist auch die Türkei mit Preisen bis 2,70$ attraktiv. Das Sandstrahlen pro Quadratmeter ist in China mit 4,50$ am billigsten. In der Türkei ist man mit 7–8$ dabei, in Polen zahlt man das Doppelte, in Deutschland das Dreifache davon.

Selbst in Polen ziehen die Preise in den letzten Jahren an, wer kann, weicht auf Werften in Tallinn, Klaipeda aus oder bleibt gleich in Deutschland oder Dänemark und spart lieber die Überführungskosten. Gerade dänische und schwedische Werften können laut Lemcke durch den Einsatz von Subunternehmern ihre Dienste zu attraktiven Preisen anbieten.

Der Trend hin zu billigen Reparaturstandorten gilt vor allem für die Schiffe in internationaler Fahrt. Im Feeder-Segment können die europäischen Werften laut Schneider noch immer ihr Stück vom Kuchen abbekommen. Schiffe, die in der Nordsee unterwegs seien, würden oft nicht ins Baltikum oder in die Türkei geschickt. Hier kommen die Werften in Amsterdam, Rotterdam, Bremerhaven und Emden zum Zug. Was in sieben bis zehn Tagen erledigt werden kann, bleibt für gewöhnlich in den Niederlanden oder in Deutschland, größere Arbeiten gehen nach Tallinn, Klaipeda oder nach Polen. An Werftkosten gespart wird hier meist erst bei älterer Tonnage. Für Kostenintensive Strahl- und Farbarbeiten oder zur Tankreinigung geht es dann schon eher in die Ostsee. Als »europäisches Back-up« der Türkei beschreibt Fleischer Bulgarien. Es sei zwar etwas teurer, aber da es in der EU liege, seien Ersatzteilservices einfacher zu machen.

Der Standort entscheide immer mehr, ob es einer Werft gut gehe oder nicht, sagt Schou: »Ein typisches Beispiel sind Klasseerneuerungen. Für Werften, die an Orten liegen, wo die Schiffe eher nicht leer werden, ist die Lage prekär. Es gibt jedoch auch Unterschiede je nach Schiffsart. Während Bulker weltweit gedockt werden können, auch wenn sie beladen sind, sieht das bei Containerschiffen anders aus.«

Umsteiger schaffen es kaum

Mittlerweile ist auch in Asien der völlig aufgeblähte Neubaumarkt zusammengebrochen. In China mussten im letzten Jahr bereits hunderte Neubauwerften schließen, weitere werden wohl folgen. »Klar glaubt ein nennenswerter Anteil nun, im Reparaturmarkt überleben zu können – ein Trugschluss«, sagt Fleischer. Es fehle an Know-how und Reputation. Selbst mit eingekauften Reparaturteams schafften es die wenigsten.

Eine Konkurrenz stellen die asiatischen Neubauwerften höchsten für die Reparaturspezialisten in Asien, nicht aber in Europa dar, meint Schneider. »Die Reparatur- und Umbaubetriebe sind völlig anders strukturiert und organisiert. Das ist eine ganz andere Denke«, sagt er. Ein Umbau von einer Neubauwerft mit durchgetakteten und lange im Voraus planbaren Abläufen in einen Reparaturbetrieb sei ein Jahrelanger Prozess. Viele Umsteiger würden daher schnell wieder aufgeben.

Dieter Gast sieht die Konkurrenz vor allem unter den Reparaturakteuren selbst. Aufgrund der Reduzierung der Reparaturbudgets auf Seiten der Reedereien wird der Preiskampf mit harten Bandagen geführt. In der Türkei waren Rabatte von 35 bis 40% keine Seltenheit, nun versucht man hier und in China die Margen wieder nach oben zu bringen, höchstens noch Rabatte von 20 bis 30% zu geben, um den Zuschlag zu bekommen.

Digitalisierung kostet Aufträge

Mit Spannung verfolgt die Branche die Entwicklung in Piräus, wo der chinesische Reederei- und Werftenkonzern COSCO die Konzession für den Hafen ergattert hat und Pläne hegt, dort eine eigene Reparaturwerft zu eröffnen. In Gerüchten ist von zu chinesischen Konditionen beschäftigten chinesischen Arbeitern die Rede. Vorgeblich geht es COSCO nur um den Service der eigenen Flotte – aber wer weiß. Schon jetzt ist der Konkurrenzkampf am östlichen Mittelmeer und Schwarzen Meer immens, sind Werften in Montenegro und Griechenland untergegangen.

Für manche Reparaturen schicken Reeder ihre Schiffe nicht mehr in die Werft, sondern geben die Projekte direkt an die Hersteller. Diese erledigen die Arbeiten an Bord und in Fahrt oder bereiten so viel wie möglich vor, um die Werftzeit zu begrenzen. »Wir hatten etwa bei Ballastwasseranlagen deutlich mehr Arbeit für die Werften erwartet, aber vieles wird jetzt schon auf See gemacht«, sagt Christian Schneider. Allerdings hänge der Grad der Vorproduktion und Vorbereitung nicht nur von der Anlage, sondern auch vom jeweiligen Schiff ab. Fleischer beobachtet einen starken Trend hin zu Condition Based Maintenance. Komponenten sollen so lange wie möglich im Betrieb bleiben. Mit zunehmender Digitalisierung werde sich langfristig der Reparaturaufwand verringern.


Felix Selzer