Print Friendly, PDF & Email

In der Luftfahrtindustrie ist es längst etabliert, ebenso bei Software und beim Carsharing. Nur die Schifffahrt war trotz anhaltender Krise und Kostendruck bislang zurückhaltend beim nutzungsorientierten Bezahlmodell. Das könnte sich künftig ändern.

Auf die Idee, ein fest installiertes Fernrohr zu kaufen, kommen vermutlich nur wenige Menschen. Schon Kinder wissen, dass sie nur[ds_preview] eine Münze in den Schlitz zu werfen brauchen, um das zu tun, was sie möchten: ein paar Minuten den Ausblick zu genießen. Ähnlich simpel ist vom Prinzip her auch das Geschäftsmodell, das Rolls-Royce 1962 einführte und das als »Power-by-the-hour« bekannt wurde. Statt ein Flugzeugtriebwerk zu verkaufen, werden die Betriebsstunden fakturiert. »Power-by-the-hour« ist inzwischen etabliert und wurde auch von vielen anderen Branchen unter der Bezeichnung »Pay-per-use« adaptiert, beispielsweise beim Carsharing, bei Software und beim Cloud-Computing sowie bei Fotodatenbanken und den Online-Medien.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Statt hoher Fixkosten, zahlen die Kunden nur für die tatsächliche Nutzungszeit, die Transparenz auf der Kostenseite steigt. Bei B2B-Geschäften nimmt der Kontakt mit den Kunden zu, wodurch die Geschäftsbeziehung enger wird. Das wiederum erleichtert es dem Marketing und dem Vertrieb, den Kunden an sich zu binden.

Akzeptanz der Schifffahrt steigt

Trotz diesen Vorteilen hat sich »Power-by-the-hour«-Modelle in der Vergangenheit in der Schifffahrt nur vereinzelt durchgesetzt. So hat der Motorenhersteller Wärtsilä bereits mit einigen Reedereien für LNG-Tanker und Bulker entsprechende Verträge geschlossen. Nun scheint sich der Trend jedoch zu verstärken: Im Januar dieses Jahres hat Wärtsilä mit der weltgrößten Kreuzfahrtreederei Carnival Corporation eine entsprechendes Vereinbarung getroffen. Sie beinhaltet, dass die gesamte Wartung und das Monitoring für 79 Schiffe von Carnival von Wärtsilä übernommen werden und die laufende Planung gemeinsam durch beiden Unternehmen erfolgt.

Und auch Rolls-Royce hat im Mai 2017 den ersten maritimen »Power-by-the-hour«-Servicevertrag mit der norwegischen Kurzstrecken-Reederei Nor Lines für die beiden mit LNG (Liquefied Natural Gas) betriebenen Schiffe »Kvitbjørn« und »Kvitnos« unterzeichnet.

Hohes Sparpotenzial

Noch ist es allerdings nicht so, dass die Reedereien und Schiffseigner lediglich für die Nutzung zahlen und nicht mehr Eigentümer der Schiffsmotoren sind. Die bestehenden Verträge beziehen sich derzeit lediglich auf die Effizienz und die Wartung.

Die Vereinbarung zwischen Wärtsilä und Carnival beinhaltet beispielsweise die dynamische Instandhaltungsplanung (DMP) und die Condition Based Maintenance (CBM). Beides basiert auf der Erfassung digitalisierter Datenströme der rund 400 Wärtsilä-Motoren, die von Spezialisten analysiert werden. Dies ermöglicht eine Echtzeitoptimierung der Geräte sowie die Vorhersage von Betriebs- und Wartungsanforderungen. Ein besonderer Fokus liegt zudem auf der Effizienz des Motors und dem Treibstoffverbrauch. Beides wird regelmäßig gemessen und analysiert. »Je effizienter unsere Motoren, desto mehr profitiert der Eigner«, so Fraser Scott, Global Sales Development Director bei Wärtsilä Services. Die erwartete Kostenreduktion für die Carnival-Schiffe ist laut Scott enorm: »Bei 1Mrd. $ Bunkerkosten belaufen sich die potenziellen Einsparungen auf mehrere 10 Mio. $ pro Jahr.«

Versicherung vor Ausfallzeiten

Nor Lines hat mit dem Servicevertrag die Verantwortung für die Serviceplanung und -leistung an Rolls-Royce übergeben. Die Reederei zahlt dafür eine feste Gebühr pro Betriebsstunde pro Schiff. Rolls-Royce überwacht die Technik durch den Einsatz von Sensoren an Bord der Schiffe. Mithilfe von »Big Data« sollen so Servicearbeiten aus der Ferne ausgeführt oder erforderlichenfalls ein Servicetechniker beauftragt werden, den Job zu erledigen. Die Vereinbarung umfasst zudem geplante Wartungsarbeiten. Die tägliche Instandhaltung an Bord des Schiffes wird hingegen weiterhin von der Reederei selbst durchgeführt. Zudem beinhaltet der Vertrag auch ein Energiemanagementsystem, das den Verbrauch und die Emissionswerte protokolliert.

Kaum standardisierte Schiffe

»Insgesamt tut sich die Schifffahrt mit echten »Power-by-the-hour«-Modellen noch etwas schwer«, resümiert Scott. Dafür gibt es mehrere Gründe: »Zunächst einmal gibt es eine technologische Herausforderung«, erläutert Marco Cristoforo Camporeale, Vice President, Intelligent Asset Management Marine bei Rolls-Royce. Die Vorgänge in der zivilen Luftfahrt seien insgesamt sehr standardisiert: Start, kontinuierlicher Flug bei – über den Wolken – ziemlich konstanten Wetterbedingungen und Landung. Da es nur wenige Hersteller gibt und diese zahlreiche Modelle im gleichen Design bauen, sind auch die Flugzeuge standardisiert. Das Gleiche gilt für die Systeme und Motoren. Dadurch können in der Luft- und Raumfahrt schnell aus Tausenden von Stunden Kennzahlen abgeleitet werden. Die Abläufe in der in der Schifffahrt sind alles andere als standardisiert, der Lernprozess benötigt daher viel mehr Zeit.

Fraser Scott ergänzt: »Während das Triebwerk eines Flugzeugs relativ leicht ausgebaut und gegebenenfalls in ein anderes eingebaut werden kann, werden Schiffsmotoren in der Werft fest an Bord verbaut.« Auch die Transparenz der Daten – obgleich Vertraulichkeit vereinbart werde, sei von den Reedern nicht immer gewünscht. Zudem ist die Finanzierung von Schiffsbauten sehr komplex, sodass die Änderung der Eigentumsverhältnisse am Motor komplexe juristische und wirtschaftliche Fragen aufwirft.

Und noch ein Faktor kommt hinzu: »Die Schifffahrt ist eher konservativ«, meint Scott, aber »ich hoffe dennoch, dass sich das Modell künftig stärker durchsetzen wird.« Auch Camporeale meint: »Meiner Meinung nach wird ›Pay-per-use‹ für die Akteure in der Schifffahrtsindustrie sehr attraktiv sein, die ihre Profite maximieren und sich auf den Einnahmen generierenden Teil des Geschäfts fokussieren wollen.«
Claudia Behrend