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Die Offshore-Windbranche arbeitet weiter daran, die Kosten zu senken. Ein wirksamer Ansatz sind die Logistikkonzepte für den Betrieb der Windparks, wie eine aktuelle Veröffentlichung des Fraunhofer CML zeigt.

In der deutschen Nord- und Ostsee waren zum 30. Juni dieses Jahres 1.055 Offshore-Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von rund[ds_preview] 4,75 Gigawatt (GW) am Netz. Geht es nach dem Willen der alten Bundesregierung, wird bis 2030 ein Ausbau im Umfang von weiteren gut 10GW auf dann 15GW folgen – die Offshore-Branche fordert angesichts des jüngsten Auktionsergebnisses (HANSA 05/2017) eine Anhebung der Ausbauziele auf mindestens 20GW bis 2030. Doch unabhängig davon, wie schnell es tatsächlich vorangeht: Jede Anlage, die einmal steht, wird für mindestens 20 bis 25 Jahre betrieben – und in dieser Zeit fällt ein enormer Aufwand für Betrieb und Wartung (Operation and Maintenance, O&M) an.

In Sachen Kostensenkung hat die Branche schon einiges erreicht, wie Deutschlands erste Auktion zur Vergütung von Offshore-Windenergie gezeigt hat. Damit die Betreiber Dong Energy und EnBW ihre dort bezuschlagten Gebote aber tatsächlich wie geplant komplett ohne Förderung umsetzen können, sind weitere Einsparungen sowohl beim Bau als auch beim Betrieb von Offshore-Windparks erforderlich. Die Betriebsphase schlägt üblicherweise mit knapp einem Drittel der Gesamtkosten zu Buche, wobei der Bereich Instandhaltung den mit Abstand größten Anteil hat. Einer der Hauptposten sind hier die Logistikkosten – die damit zugleich auch einer der wirksamsten Hebel zur Kostenreduzierung sind. Mit dem richtigen Logistikkonzept lässt sich viel Geld sparen: Doch wie sieht ein optimales Logistikkonzept aus? Gibt es das überhaupt? Diese Fragen stehen im Zentrum einer jüngst veröffentlichten Dissertation, die Torsten Münsterberg vom Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML verfasst hat.

Berechnung der Logistikkosten

»Wer sein Logistikkonzept optimiert, kann dabei auf der Kostenseite etwa 15 bis 40% einsparen«, berichtet Münsterberg. »Auf 20 Jahre oder mehr gerechnet macht das eine Menge aus.« Der Wissenschaftler hat ein modulares Simulationsmodell entwickelt, mit dessen Hilfe Betreiber von Offshore-Windparks schon in einem frühen Planungsstadium berechnen können, welche Kosten das von ihnen gewählte Logistikkonzept in der Betriebsphase nach sich ziehen wird – oder aber Vergleichsrechnungen für unterschiedliche Konzepte erstellen können, auf deren Grundlage sie dann ihre Entscheidung treffen. Um möglichst praxisnahe Ergebnisse und realistische Kostenschätzungen zu erhalten, hat Münsterberg sowohl mit Windparkbetreibern als auch mit Reedereien, die Logistikkonzepte entwickeln, eng zusammengearbeitet.

Entstanden ist ein Simulationsmodell, das sich unkompliziert und modular den unterschiedlichen Ausgangssituationen anpassen lässt: Von der Größe des jeweiligen Offshore-Windparks und seiner Entfernung zum Servicehafen bis hin zur Zahl der eingesetzten Schiffe und Techniker sowie den Wetterbedingungen können die entscheidenden Variablen individuell angegeben werden. »Es handelt sich um eine ereignisdiskrete Simulation«, erläutert der Autor. »Das heißt, dass eintretende Ereignisse zur Veränderung eines Zustands führen und dadurch nachfolgende Ereignisse auslösen: Wenn zum Beispiel eine Windenergieanlage ausfällt, führt dies in der Regel zu einem Transport von Technikern zu den Anlagen, um diese zu reparieren.« Zeitgleich würden verschiedenste Kriterien wie Wetterbedingungen sowie die Verfügbarkeit von Personal, Schiffen und Ersatzteilen dynamisch abgeglichen, um zu sehen, ob ein Einsatz der Techniker zu diesem Zeitpunkt überhaupt möglich sei. Das entwickelte Modell ermögliche zugleich eine genaue wie auch transparente Darstellung, da alle ablaufenden Prozesse in 2D am Computer nachvollziehbar seien. »Der Vorteil gegenüber anderen bisher gängigen Modellen ist, dass sich damit das sehr komplexe System Offshore-Windpark mit seinen stochastisch verteilten Ereignissen realitätsnah auch für einzelne Monate abbilden lässt.«

Betriebsbasis an Land

Für seine Dissertation hat Münsterberg drei unterschiedliche Arten von Logistikkonzepten überprüft: onshore-basierte, offshore-basierte mit Mutterschiff und offshore-basierte mit stationärer Plattform im Windpark. Bei onshore-basierten Konzepten werden die Windparks mit kleineren Transferschiffen und Helikoptern von Land aus versorgt, was bedeutet, dass die zurückgelegten Strecken länger und damit die Abhängigkeiten von den Wetterbedingungen größer sind. Offshore-basierte Konzepte nutzen Spezialschiffe oder eben Plattformen, die zur Unterbringung der Service-Techniker sowie als Lager für Ersatzteile und Betriebsmittel dienen. Sie sind angesichts hoher Anschaffungskosten und Logistikaufwendungen teurer, führen aber zu geringeren Einnahmeausfällen für die Betreiber, da bei fehlerbedingtem Anlagenstillstand die Reaktionszeiten kürzer sind. Diese drei Konzepttypen wurden für unterschiedliche Windparkgrößen und Küstenentfernungen in jeweils neun Szenarien durchgerechnet, die wiederum in jeweils vier Varianten (je nach Zahl der eingesetzten Transferschiffe) untergliedert waren. Insgesamt führte Münsterberg so 108 unterschiedliche Simulationsexperimente mit insgesamt fast 3.000 simulierten Jahren durch.

Das Ergebnis: Für die meisten Offshore-Windparks ist ein onshore-basiertes Logistikkonzept bei den gewählten Annahmen am kosteneffizientesten. Offshore-basierte Konzepte rechnen sich erst ab einer Windparkgröße von mindestens 90 Anlagen und einer Küstenentfernung ab 100km. Dann aber auch nur die mit einem Mutterschiff im Windpark – das plattformbasierte Konzept war in keinem der durchgerechneten Szenarien das preiswerteste.

Das günstigste Konzept müsse für ein Projekt aber nicht zwingend auch das beste sein, betont Münsterberg mit Blick auf die Wohnplattform, die Vattenfall und Stadtwerke München vorigen Sommer für ihre Windparks »DanTysk« und »Sandbank« in Betrieb genommen haben. »Ich habe das Ganze rein ökonomisch betrachtet. Es gibt aber auch weiche Faktoren, die nicht zu unterschätzen und schwer monetär auszudrücken sind: Zum Beispiel die Frage, wie schnell Service-Techniker seekrank werden oder wie attraktiv ein Plattformkonzept mit all seinen Annehmlichkeiten für neue Mitarbeiter ist. Letztlich sollten solche Aspekte auch in die Entscheidungsfindung mit einfließen.«

Flexibilität hilft

Eine weitere Erkenntnis aus den Berechnungen des Wissenschaftlers ist, dass keines der verglichenen Logistikkonzepte über das ganze Jahr hindurch optimal ist, da der Aufwand insbesondere für den Seetransport von den Jahreszeiten abhängig ist. Als Beispiel führt er das offshore-basierte Mutterschiffkonzept ohne eigenes Transferschiff an, das von Oktober bis März die effizienteste Variante ist. Von April bis September hingegen ist das onshore-basierte Konzept mit zwei Transferschiffen das günstigste. Eine Kombination beider Varianten könne etwa 10% der Kosten sparen, heißt es in der Untersuchung. »Das Modell wurde entwickelt, um die Offshore-Branche dabei zu unterstützen, die Logistikkosten in der Betriebsphase zu senken«, sagt Münsterberg. Erste vielversprechende Gespräche mit interessierten Unternehmen seien bereits geführt worden: »Ich bin optimistisch, dass es demnächst auch in der Praxis zur Anwendung kommen wird.«


Anne-Katrin Wehrmann