Print Friendly, PDF & Email

Mithilfe einer App sollen künftig am Autoterminal in Bremerhaven Planung und Steuerung verbessert werden. Das »virtuelle Spiegelbild« des Terminals, das im Rahmen eines IHATEC-Projekts entsteht, soll den Betrieb auf eine neue Ebene heben

Wo befindet sich gerade welches Fahrzeug und wie kann es auf dem besten Weg zur richtigen Zeit am gewünschten Ort[ds_preview] zur Verfügung stehen? Derzeit ist dies im Autoterminal der BLG nicht zu jederzeit für alle Beteiligten klar, da die Verladung von Autos bislang ein überwiegend manueller Prozess ist. Das Management der Schiffsliegeplätze, der Lagerflächen, der Werkstätten zur technischen Bearbeitung sowie der Fahrzeuge, der Bahn- und Lkw-Verladung und des Einsatzes der Mitarbeiter erfolgt auf Basis von Informationen, die weder stets den aktuellen Status wiedergeben, noch die Komplexität der ineinandergreifenden Prozesse ausreichend abbilden können. Auch Statusmeldungen werden derzeit noch per Hand erfasst und teils erst später elektronisch übermittelt. Zudem erfolgen die Fahrzeugbewegungen bisher in aller Regel als Einwegverkehr, was den Rücktransport der Handling-Fahrer in Shuttle-Bussen erforderlich macht.

Ziel des Verbundprojekts »Isabella« ist es, die Kapazitätsplanung und damit die Effizienz zu verbessern. Im Rahmen des Förderungsprogramms Innovative Hafentechnologien (IHATEC) des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) wird das F&E-Vorhaben während seiner dreijährigen Laufzeit bis zum 30. Juni 2020 mit 2,6Mio.€ unterstützt, das Gesamtbudget liegt bei 3,7Mio.€. Beteiligt sind der Logistikdienstleister BLG, das BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik und der Bremer Softwareentwickler 28Apps. Den Projektpartnern kommen dabei unterschiedliche Aufgaben zu: BLG AutoTerminal ist Gesamtprojektleiter, liefert die realen Daten sowie Anwendungsfälle und wird die Forschungsversion des Systems einsetzen. Das BIBA bringt als Forschungspartner sein Wissen in Planung und Steuerung logistischer Prozesse sowie der autonomen Entscheidungsfindung ein. 28Apps verantwortet die Entwicklung der Software für den geplanten Multitouch-Tisch und die Umsetzung des Steuerungskonzepts in eine mobile Anwendung (App).

»Bis 2020 soll das virtuelle Spiegelbild eines Autoterminals soweit ausgebaut sein, dass mittels Echtzeitmeldungen, Materialflusssimulation und systemgestützter Kommunikation mit den Fahrern eine neue Ebene von Planung und Steuerung erreicht wird«, fasst Andrea Eck, Vorstand Automobile der BLG, den Projektinhalt zusammen. »Isabella« basiert dabei auf zwei großen Modulen: einem Planungs- und einem Steuerungsmodul.

Simulationsgestützte Planung

Bremerhaven ist mit seinem Umschlag von rund 2,1Mio. Fahrzeugen pro Jahr der zweitgrößte europäische Autohäfen. Jedes Jahr laufen mehr als 1.400 Car Carrier das Terminal mit einer Gesamtfläche von 240ha und einer Stellflächenkapazität von 95.000 Pkw an. Von den Stellflächen sind 45.000 offen und 50.000 in acht Parkregalen überdacht. Hinzu kommen 18 Schiffsliegeplätze, drei Technikzentren und eine Lackierhalle sowie 16 Gleisanschlüsse und Kopframpen. Die Herausforderung ist es, unzählige logistische Prozesse und die dafür erforderlichen Ressourcen für den Terminalbetrieb wie die Flächen, das Personal, die Parkregale, die Bahnrampen, die Lkw-Verkehre und die Schiffsliegeplätze aufeinander abzustimmen. In ihrer Gesamtheit, Veränderlichkeit und den Auswirkungen ist all das auch mit viel Intuition und Erfahrung kaum noch für den Einzelnen und erst recht nicht für die Vielzahl von Beteiligten zu überschauen. Hinzu kommt: »Bei der Planung der Prozesse gibt es unterschiedliche Prioritäten, die von den Bereichsverantwortlichen miteinander abgestimmt werden müssen«, berichtet Wolf Lampe, Leiter Nachhaltigkeit und neue Technologien bei der BLG. »Auf einem Multi-Touch-Tisch, der den Plan des Terminals zeigt, sollen künftig alle Ressourcen visualisiert werden«, erläutert Susanne Schukraft, Projektleiterin vom BIBA. Schlagen die Planer operative Szenarien vor, berechnet eine Materialflusssimulation im Hintergrund die Auswirkungen der planerischen Vorschläge und stellt sie bildlich dar. »Durch einfache Fingerbewegungen auf der Multi-Touch-Oberfläche wird ein alternatives Szenario erzeugt. Die Auswirkungen dieser Änderungen, wenn beispielsweise auf einer Fläche Teams abgezogen oder Waggons auf andere Entladerampen gesteuert werden, werden im Hintergrund simuliert«, so Lampe. »Man sieht also unmittelbar den zu erwartenden betrieblichen Aufwand, also die von den Fahrzeugen in Summe zurückzulegenden Strecken, den Zeitaufwand und die Kosten.« Der direkte Vergleich aussichtsreicher Szenarien vereinfacht damit die Auswahl des Liegeplatzes, der Stellflächen und der Anzahl der eingesetzten Fahrer. Lampe: »Änderungen werden dadurch bewertbar und die ausgehandelte Planung wird an das Betriebssystem übermittelt, das daraus konkrete Aufträge für die Fahrzeugumlagerung ableitet.«

Individuelle Steuerung

Das zweite große Modul betrifft die Steuerung. »Heute bringen beispielsweise bei der Schiffsbeladung Shuttlebusse die Handling-Fahrer zu den Fahrzeugen, die sie dann aufs Schiff fahren. Von dort werden die Fahrer wieder zurücktransportiert und steigen in das nächste Fahrzeug«, so Lampe. » Wenn ich allerdings genau weiß, wo sich welches Fahrzeug befindet, kann ich die Anschluss-manöver planen und komme vom Single Loop zu einem Doppelspiel beziehungsweise Dreiecksver-kehr und verringere den Anteil des unproduktiven Personentransports.«

Erforderlich für diese Steuerung der Fahrzeuge ist zum einen die Entwicklung eines Algorithmus, der eine individuelle Prozesssteuerung und Priorisierung von Aufträgen inklusive deren Zuweisung an den Einzelnen in Abhängigkeit vom Standort der Fahrzeuge erlaubt. Zum anderen muss ein Ortungssystem entwickelt werden, um den Standort von Fahrzeugen in Echtzeit zu erfassen. »Eine Herausforderung ist dabei die Ortungsgenauigkeit, die eine exakte Lokalisierung der Fahrzeuge bis hin zum einzelnen Stellplatz drinnen wie draußen gewährleisten muss«, so Schukraft. Wichtig ist ihr zudem: »Die Mitarbeiter werden in die Entwicklung mit einbezogen. Das System soll die Kommunikation unter den Mitarbeitern verbessern und deren Erfahrungswissen mit einbeziehen.« Auch Lampe betont: »Die Arbeitsplätze der Mitarbeiter werden aufgewertet, da sie mit den Handgeräten besser unterstützt werden und stärker in die Abläufe einbezogen werden.«
Claudia Behrend