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Je mehr Offshore-Windparks gebaut werden, umso mehr Schiffe werden für Service- und Wartungsarbeiten benötigt. Der maritimen Branche in Deutschland eröffnen sich damit neue Chancen.


Insgesamt 835 Offshore-Windkraftanlagen haben laut Halbjahresstatistik der Deutschen WindGuard zum 30. Juni 2016 in der deutschen Nord- und Ostsee[ds_preview] Strom ins Netz eingespeist. Sie alle müssen über die geplante Laufzeit von mindestens 20 Jahren instandgehalten und regelmäßig gewartet werden – ebenso wie die voraussichtlich rund 1.500 bis 2.000 weiteren Anlagen, die in den kommenden 15 Jahren hinzukommen werden, wenn die aktuellen Ausbauziele der Bundesregierung erreicht werden sollen. Der Bedarf an Schiffen für den Bereich »Operations and Maintenance« (O&M) ist dementsprechend groß, und so rückt nach mehreren Jahren, in denen der Bau von Offshore-Windparks im Fokus stand, nun die Betriebsphase mehr und mehr in den Fokus auch der maritimen Branche. Jüngstes Beispiel ist der dänische Service-Dienstleister Ziton, der bis Ende Juni unter dem Namen DBB Jack-Up Services auf dem Markt war und nun durch die Umbenennung seine Fokussierung auf den O&M-Bereich und seine Unabhängigkeit von der DBB-Gruppe demonstrieren will.

»Wir stellen fest, dass sich die Anfragen für Schiffe, die für Service- und Wartungsarbeiten gebraucht werden, zuletzt deutlich gehäuft haben«, sagt Philippe Schönefeld von den auf Offshore-Brokerage spezialisierten Global Renewables Shipbrokers (GRS). Mittlerweile vermitteln er und sein Team für die Betriebsphase genauso häufig Schiffe wie für die Installationsphase: Für die Zukunft erwartet Schönefeld, dass sich das Verhältnis auf dem europäischen Markt auf etwa 70:30 zugunsten von O&M-Anfragen verschieben wird.

Bei den Crew Transfer Vessels (CTVs), mit denen die Servicetechniker zu ihrem Arbeitsplatz im Windpark gebracht werden, sieht Schönefeld den Markt derzeit gesättigt. »Wir haben viele CTV-Anbieter in Europa, die zum Teil nur ein oder zwei Schiffe in der Flotte haben: Da rechnen wir in den kommenden zwei Jahren eher mit einer Konsolidierung als mit weiterem Wachstum.« Ausgeglichen sind Angebot und Nachfrage nach seiner Einschätzung aktuell bei den größeren Service Operation Vessels (SOVs), auf denen mehrere Dutzend Servicetechniker über Wochen im Windpark untergebracht werden können und die dank spezieller Gangwaysysteme einen Zugang zur Windkraftanlage auch bei höherem Wellengang ermöglichen. Angesichts immer größer und schwerer werdender Turbinen und Fundamente ist zu erwarten, dass früher oder später leistungsfähigere Installationsschiffe benötigt werden. Jack-up Vessels sind allerdings teuer – und üblicherweise beim Bau von Windparks im Einsatz, weil sie dort über längere Zeiträume verchartert werden können. Geht an einer Anlage plötzlich etwas Größeres kaputt, steht der Windpark-Betreiber vor der Herausforderung, schnell und finanzierbar ein Errichterschiff zum Austausch der Komponente zu organisieren.

»Die Verfügbarkeit von Schiffen und mögliche Pool-Lösungen sind immer wieder Thema«

Auch deswegen gibt es unter den Betreibern schon seit Längerem Überlegungen, sich bei bestimmten logistischen Fragen zusammenzuschließen. »Die Verfügbarkeit von Schiffen und mögliche Pool-Lösungen sind immer wieder Thema«, berichtet Irina Lucke, Sprecherin des Arbeitskreises »Service & Betrieb« der Windenergie-Agentur WAB und Geschäftsführerin des Dienstleisters EWE Offshore Service & Solutions. Je nach Betriebskonzept seien in den meisten Windparks ein bis zwei CTVs und während der Sommer-Kampagnen ein SOV oder Hotelschiff im Einsatz. Insbesondere in den Sommermonaten, wenn die meisten regelmäßigen Wartungsarbeiten durchgeführt werden, gibt es laut Lucke noch Bedarf an Hotel- und Serviceschiffen. Für die Zukunft würden zusätzlich noch andere Schiffstypen benötigt, meint sie: »Nämlich Schiffe, die die Lücke zwischen den CTVs und den SOVs abdecken und für einen kürzeren Offshore-Aufenthalt von drei bis fünf Tagen eingesetzt werden können.«

Während bei den deutschen Schiffbauern derzeit keine Bewegung im Geschäftsfeld Offshore-Wind festzustellen ist (s. Interview mit VSM-Geschäftsführer Ralf Sören Marquardt in dieser Ausgabe), sieht Schiffsmakler Schönefeld für die hiesigen Reeder durchaus zusätzliche Möglichkeiten im O&M-Bereich. »Grundsätzlich sind Chancen da – sofern ein Reeder spekulativ investieren oder sich einen der rar gesäten langfristigen Charterverträge sichern kann.« Insgesamt fehle den Schiffseignern hierzulande allerdings noch etwas die Wagnisbereitschaft in diesem Geschäftsfeld.

Um Schiffe finanzieren zu können, bräuchten Reedereien in der Regel Partner, betont Ralf Nagel, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbands Deutscher Reeder (VDR). Vor allem die deutschen Banken seien mittlerweile aber sehr zurückhaltend bei Neugeschäften. »Langfristige Charterverträge helfen natürlich, um eine Finanzierung auf die Beine zu stellen und große Investitionen zu stemmen. Bei dem Bau von Crew Transfer Vessels und dem Aufbau kompletter Rettungsketten sind deutsche Reedereien bereits vor einigen Jahren in Vorleistung getreten. Diese Innovationsbereitschaft zeigt heute entsprechende Erfolge.« Insgesamt sind nach Nagels Aussage derzeit rund 20 heimische Reedereien im Bereich Offshore-Wind aktiv, die mit 50 Schiffen etwa 1.500 Arbeitsplätze sichern. »Die große Euphorie in dem Bereich hat sich zwar abgeschwächt, aber dennoch geht der Ausbau weiter. Wir haben in Deutschland das richtige Know-how, nicht nur um diese anspruchsvollen Schiffstypen zu bauen, sondern um sie auch wirtschaftlich und sicher zu betreiben.«

Der Dienstleister Ems Maritime Offshore GmbH (EMO), eine Tochter der AG »EMS« hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen auf dem deutschen Offshore-Markt gemacht. Neben zwei Guard & Safety Vessels sowie drei Supply & Support Vessels gehören fünf CTVs zur Flotte: Der jüngste Neuzugang »Windea Four« ist erst Ende Juli getauft worden. Laut Geschäftsführer Knut Gerdes hat sich EMO zu einer Full-Service-Reederei entwickelt, zu deren Aufgabenfeldern neben Schiffsbetrieb auch Hafen- und Logistikdienstleistungen sowie maritime Koordinationsservices gehören. In Eemshaven baut das Unternehmen gerade sein Terminal für zukünftige O&M-Arbeiten aus: Anfang April hatte Siemens einen langfristigen Vertrag mit EMO über den Bau und Betrieb eines Offshore-Servicehafens unterzeichnet, von dem aus der Turbinenproduzent den niederländischen Windpark »Gemini« betreuen will.

»Welche Modelle wird es geben, um Jack-ups permanent ­verfügbar zu haben?«

Laut Gerdes ist die Flotte derzeit je zur Hälfte beim Bau und beim Betrieb von Windparks im Einsatz. »Wir haben ein starkes Interesse daran, den O&M-Bereich weiter zu steigern, weil das langfristige Verträge sind.« Um die Lücke zwischen CTVs und SOVs zu schließen, entwickelt EMO gerade ein sogenanntes OS-CTV, ein Offshore-Service CTV, das 36 bis 38 m lang sein soll und bis zu zehn Technikern Unterkunft für drei bis vier Tage bieten kann. Man sei schon in konkreten Gesprächen mit Werften, so Gerdes: »Wir bräuchten einen Chartervertrag über vier bis fünf Jahre, um das Schiff bauen zu lassen.« Ähnlich hat es die Reederei Bernhard Schulte Offshore gehandhabt, die neben EMO und dem technischen Dienstleister SSC Wind einer von drei Partnern im gemeinsamen Joint Venture »Windea« ist. Nachdem Bernhard Schulte einen langfristigen Chartervertrag mit Siemens unterzeichnet hatte, gab das Unternehmen bei der norwegischen Ulstein Werft zwei SOVs in Auftrag. Das erste mit dem Namen »Windea la Cour« wurde im Juni getauft.

Der norwegische Offshore-Dienstleister Fred. Olsen Windcarrier ist mit seinen acht CTVs zu gleichen Teilen beim Windparkbau und für Wartungsarbeiten unterwegs. Und die beiden auf die Installation von Turbinen spezialisierten Errichterschiffe »Brave Tern« und »Bold Tern« waren zuletzt regelmäßig für kurzfristige Reparaturarbeiten im O&M-Bereich im Einsatz. »Der Installationsmarkt ist Mitte 2015 eingebrochen, das geht erst Ende dieses Jahres wieder richtig los«, berichtet O&M-Manager Felix Fliege. »Von O&M-Einsätzen können die großen Jack-ups nicht auf Dauer leben, aber es ist eine gute Möglichkeit, freie Zeiten zwischen Installationsaufträgen auszufüllen.« Die Branche werde in den nächsten zwei Jahren die Frage beschäftigen, mit welchen Modellen Jack-ups permanent für den O&M-Bereich verfügbar gehalten werden könnten. Eine Möglichkeit seien Rahmenverträge zwischen mehreren Parkbetreibern und Reedern, um sechs bis acht Schiffe in einem Pool zusammenzubringen. Fliege geht davon aus, dass es einige wenige Jack-ups speziell für die Betriebsphase geben wird, die etwas kleiner und damit günstiger sind als die klassischen Installationsschiffe. »Auch wir spielen mit dem Gedanken, weitere Investitionen im O&M-Bereich zu tätigen«, sagt er. »Möglichkeiten gibt es einige: Es geht nur darum, die richtige Alternative zu wählen.« M

Anne-Katrin Wehrmann