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Neben Theorien über die autonome Schifffahrt oder immer größere Schiffe spielt der Wind als alternative Antriebsart nach wie vor eine Rolle für die »Schifffahrt der Zukunft«. Michael Meyer stellt zwei Projekte für die Kreuz- und Handelsschifffahrt vor
Im Cruise-Segment macht die NGO Peaceboat mit ihrem »Ecoship« von sich reden, bei dem großer Wert auf Nachhaltigkeit und[ds_preview] – unter Ausnutzung der weltweit steigenden Kreuzfahrtnachfrage – auf die Informationsverbreitung gelegt wird. Im Rahmen der SMM wurde jüngst ein Kooperationsabkommen mit der Klassifikationsgesellschaft DNV GL unterzeichnet, so soll das 2014 in Hamburg initiierte Projekt vorangetrieben werden.

Ab 2020 soll das 55.000-Tonnen Schiff mit Platz für bis zu 2.000 Passagiere auf den Weltmeeren fahren. Entwickelt wurde es auf Basis von biophilen Prinzipien – mit Rückgriff auf »natürliche Lösungen«.

Bei einer auf hydro- und aerodynamische Aspekte optimierten Rumpfform – angelehnt an die Körperform eines Buckelwals – soll das Ecoshop 224m lang, 31m breit und maximal 8m tiefgehend sein, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 21kn. Wie beispielsweise auch die jüngsten Neubauten von Aida Cruises wird ein System installiert, dass Luftblasen unter den Rumpf leitet und ebenfalls die Hydrodynamik verbessern soll.

Einen besonderen Stellenwert genießen die Segel- und Solarelemente an Bord, wie Projekt Manager Andrés Molina der HANSA erläutert. Das Basisdesign sieht zehn jeweils 30 x 12m große Segel vor, die mit Solarpaneelen besetzt sind. Sie sollen durchschnittlich bis zu 10% der Antriebsenergie pro Jahr liefern. Zusätzliche Solarpaneele werden auf dem gesamten Schiff verteilt, vor allem auf den obersten Ebenen. So kommen weitere 6.000m2 Solarfläche hinzu. Allerdings sei man noch nicht auf ein endgültiges Design festgelegt.

Segeloder Flettner-Rotoren

»Wir arbeiten noch an der Ideallösung und haben zwei Favoriten. Eine Version sieht bis zu zehn feste Segel aus Karbonfaser vor. Eine Alternative wäre die Installation von sechs Flettner-Rotoren«, sagt Molina. Von der ursprünglichen Variante mit vielen Solarpaneelen auf den Segeln sei man inzwischen etwas abgerückt, weil nicht die erhoffte Wirkung erzielt werden könne.

Selbst beim »konventionellen« Antrieb wurde auf eine hohe Umweltverträglichkeit geachtet. Ein dieselelektrischer Podantrieb mit zwei jeweils 10 MW leistenden Pods und sechs jeweils 4,59 MW leistenden Viertakt-Dual-Fuel-Motoren kombiniert nach Vorstellung der Projektleitung die potentielle Nutzung von Marinediesel, LNG und Biogasen wie Methanol oder Ethanol.

Weitere Elemente sollen laut Molina den Energieverbrauch weit nachhaltiger gestalten, als es üblich ist. Dazu zählen eine Wasseraufbereitungsanlage, Abwärmenutzung und ein innovatives Ventilationssystem, dass unter anderem durch ein eigenes Ökosystem des Schiffes – ein »Bordgarten« – gespeist wird. Selbst Küchenabfälle sollen zu Energieerzeugung herangezogen werden, auf einem Kreuzfahrtschiff mit 2.000 Passagieren kein unwesentlicher Faktor. Eigens dafür vorgesehene Batterieblöcke sollen die Energie speichern. Im Ergebnis planen die Entwickler eine 40%-ige Reduzierung von CO2-Emissionen.

Bei aller Fokussierung auf umweltfreundliche Technologien und Bildungsmaßnahmen ist aber auch das Ecoship auf eine gesunde finanzielle Basis angewiesen, um den Betrieb zu gewährleisten. Nach Angaben von Molina laufen Gespräche mit potentiellen Geldgebern auf Hochtouren. Die Verantwortlichen gehen von 8 bis 10% höheren Kapitalkosten als bei »normalen« Kreuzfahrtschiffen aus. »Je nach letztlich gewählter Art der Anlagen an Bord unterscheidet sich auch die Amortisierung. Sie variiert von zehn Jahren für die Segel bis zu fünf Jahren für die Solarpaneele«, sagt er. Es gebe definitiv einen klar profitorientierten Business-Plan, um Überschüsse wieder reinvestieren zu können.

In der Handelsschifffahrt wird bereits seit Jahren an einer Wiederbelebung von Segeltechnologien zur Entlastung der Bunkerrechnungen gearbeitet. Zu den prominentesten Projekten zählt »Skysails«, das unter anderem vom ehemaligen Bremer Reeder Niels Stolberg vorangetrieben wurde. Durchgesetzt hat sich bislang keines.

Einen neuen Anlauf macht das japanische »Wind Challener Project«, an dem unter anderem die Klassifikationsgesellschaft ClassNK sowie führende Reedereien und Werften beteiligt sind. Leiter Kazuyuku Ouchi von der Universität Tokio ist zuversichtlich, auch wenn man bislang noch keinen Reeder finden konnte, der ein Pilotprojekt umsetzen will: »In Sasebo laufen umfangreiche Tests an Land. Die Ergebnisse bestätigen unsere Annahmen«, sagt er der HANSA. Das bereits in Japan, Europa und den USA patentierte System ist als Protoyp für einen 84.000tdw-Bulker mit vier festen Segeln entwickelt, die zwischen den Ladeluken installiert sind. Für die Route Yokohama-Seattle wurden bis zu 30% Bunkereinsparungen berechnet.

Neu an dem Projekt ist die Herangehensweise. »Bislang waren Segel als Ergänzung zum Motor vorgesehen. Entsprechend waren die Einsparpotentiale geringer. Wir verfolgen die Devise ›Sailing ship assisted by motor‹«, erläutert der Projektleiter. Wichtiger Bestandteil ist eine eigens entwickelte Software zur Berechnung der optimalen Route. Bei günstigem Seitenwind von 25kn und 14kn Geschwindigkeit könne man die herkömmliche Maschinenkraft ersetzen, so Ouchi.

Die Segel könnten eine Kraft von 15 m/s erzeugen. Sie haben eine Fläche von jeweils 50 x 20m und sind an Teleskopmasten angebracht, können so hoch- und runtergefahren und 360 Grad gedreht werden. Sie haben eine »Sandwich-Struktur« und sind aus fiberglas-verstärktem Hartplastik mit einem Kern aus PET-Schaum gefertigt.

Zwar können sich Reeder durch das System auf kleinere Antriebsmaschinen im Schiff beschränken. Darauf verzichten können sie allerdings nicht, und zwar nicht nur für den Fall von Windstille oder Gegenwind. Auch im Hafen oder in engen Kanälen sind die Segel ungeeignet. Für starken Wind – ein Grund dafür, dass es etwa bei »Skysails« anfänglich Probleme gab – wurden Segel und Masten verstärkt, durchschnittliche Geschwindigkeiten von 20m/s können sie laut Ouchi aushalten.

Angesichts des nach wie vor relativ niedrigen Bunkerpreises und der Finanzlage vieler Schiffseigner spielt der Preis für ein Segelsystem eine wichtige Rolle. Beim Wind Challenger mit vier Segeln 9Mio. $ an. Je nach Ölpreisniveau und Einsatzzeit könnten sich die Kosten in fünfeinhalb Jahren amortisieren, heißt es seitens der Japaner. M