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Nachdem die Situation um die insolvente Reederei Hanjin immer unübersichtlicher wurde, hat sich zuletzt erneut die südkoreanische Regierung zu Wort gemeldet. Präsidentin Park Geun-hye machte deutlich, dass man nicht schweigend neben einem Management sitzen werde, dass nicht alles für die Rettung tue und auf das Einschreiten der Politik warte. Mögliche juristische Folgen für die deutsche Schifffahrt kommentieren aktuell die maritimen Rechtsexperten Jan-Erik Pötschke und Katharina Oechsle von der Kanzlei Ahlers & Vogel exklusiv für die HANSA
Welche Konsequenzen drohen den Charterschiff-Reedern und -Gesellschaften?

Reeder, die ihre Schiffe im Rahmen von langfristigen Charterverträgen an[ds_preview] Hanjin verchartert haben, müssen sich darauf einstellen, dass diese von Hanjin nicht erfüllt werden können. Das zuständige koreanische Gericht, das Seoul Central District Court, hat auf Antrag Hanjins am 1. September ein »Rehabilitation-Verfahren« für Hanjin Shipping angeordnet. Hierbei handelt es sich – vergleichbar dem aus Amerika bekannten Verfahren »Chapter 11« – um eine Art Schutzschirminsolvenz, bei der dem vom Gericht benannten »Receiver« die Möglichkeit gegeben wird, zusammen mit den Gläubigern eine mögliche Fortführung der Geschäfte zu prüfen. Als Receiver wurde Hanjins CEO, Tae-Soo Seok, benannt. Gläubiger waren aufgefordert, innerhalb einer bestimmten Frist ihre Forderungen bei dem koreanischen Gericht einzureichen, andernfalls liefen sie Gefahr, dass ihre Forderungen nicht berücksichtigt werden.

Durch gerichtliche Anordnung vom 12. September wurde die Frist mittlerweile bis zum 25. Oktober verlängert. Für den Charterschiff-Reeder bedeutet dies, dass er seine ausstehenden Forderungen beim Insolvenzgericht in Korea anmelden muss, damit diese berücksichtigt werden. Das Schicksal der angemeldeten Forderungen ist jedoch zweifelhaft. In einem deutschen Insolvenzverfahren bekommen Insolvenz­gläubiger in der Regel – wenn überhaupt – nur einen sehr geringen Prozentteil ihrer angemeldeten Forderungen später tatsächlich ausgekehrt. Es ist zu vermuten, dass dies in einem südkoreanischen Insolvenzverfahren nicht anders sein wird. Durch Beschluss vom 19. September hat das zuständige Gericht in Seoul angeordnet, dass Hanjin die von den Reedern gecharterten Schiffe an diese zurückliefern und so viele eigene Schiffe wie möglich veräußern soll. Dies dürfte als bislang stärkstes Signal dafür aufgefasst werden, dass Hanjin entweder liquidiert oder jedenfalls erheblich verkleinert werden soll.

Müssen Charterschiff-Reeder für Forderungen Dritter gegen Hanjin geradestehen?

Rechtlich ist kein Grund dafür ersichtlich, weshalb die deutschen Reedereien/Vercharterer für Forderungen Dritter gegen Hanjin »gerade stehen« müssten, etwa weil Hanjin Rechnungen ihrer Bunkerlieferanten nicht bezahlt hat. In Deutschland dürfen sich Schiffsarreste nur gegen das Eigentum des Schuldners richten – zum Eigentum Hanjins gehören die von den Reedern nur vercharterten Schiffe aber nicht. Auch das Institut des sogenannten Schiffsgläubigerrechts (maritime lien) an dem belieferten Schiff für Bunkerforderungen ist dem deutschen Recht fremd; in manchen anderen Jurisdiktionen ist ein solches aber für Bunkerforderungen anerkannt.

Dennoch wird das Schiff »Zielscheibe« vieler Gläubiger sein. Sie werden versuchen, die Schiffe mittels eines Arrests zu pfänden. Da ein Zeitcharterer regelmäßig für die Beschaffung des Treibstoffs zuständig ist, wird – soweit kein Schiffsgläubigerrecht besteht – nicht das Schiff selbst gepfändet, sondern der sich im Schiff befindliche Bunker. Dies hat denselben Effekt wie eine Pfändung des Schiffes, da dieses nicht auslaufen können wird. In Deutschland ist dies allerdings mit der Entscheidung des AG Hamburg vom 14. September nicht mehr zulässig.

Sind die deutschen Seehäfen ein sicherer Ort für Hanjin-Schiffe?

Die Beantwortung hängt davon ab, wie weit Schutzmaßnahmen über das Hanjin-Vermögen rechtliche Wirkung in Deutschland entfalten. Aus rechtlicher Sicht ist die Pfändung von Vermögenswerten von Hanjin dann bedenklich, wenn das koreanische Insolvenzgericht Anordnungen getroffen hat, wonach Zwangsmaßnahmen zur Sicherung von Forderungen gegen das Vermögen unzulässig sind. In der deutschen Insolvenzordnung kennen wir dies in § 21 InsO. Nach dieser Vorschrift kann das Insolvenzgericht Maßnahmen treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung der Vermögenslage der Insolvenzschuldnerin zu verhüten. Weiter kann ein deutsches Gericht anordnen, dass Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen die Insolvenzschuldnerin untersagt werden bzw. einzustellen sind. Zu diesen Maßnahmen gehört nach deutschem Recht auch der Arrest eines Schiffes bzw. der Arrest von Bunker in einem Schiff. Das AG Hamburg hat am 14. September entschieden, dass gemäß §§ 344 Absatz 1, 21 InsO ein solcher Schutz für Hanjin-Vermögenswerte innerhalb Deutschlands besteht. Arreste oder andere Zwangsmaßnahmen gegen in Deutschland belegenes Vermögen von Hanjin sind nicht mehr zulässig. Dies gilt aber nicht automatisch für solche Schiffe, die nicht im Eigentum Hanjin’s stehen. Sie bleiben ungeschützt und den Zwangsmitteln solcher Gläubiger ausgesetzt, die z.B. mittels Schiffsgläubigerrechten abgesichert sind. Schiffsgläubiger haben ein gesetzliches Pfandrecht am Schiff, das gegen jeden Besitzer des Schiffes verfolgt werden kann (§ 597 Absatz 1 HGB).

Droht den Schiffen dann nicht wiederum selbst eine Insolvenz?

Sofern – wie nach aktuellen Meldungen zu vermuten ist – gegenüber Hanjin hohe Außenstände, insbesondere bei den Charterraten, bestehen, besteht in der Tat die Gefahr, dass auch deutsche Reeder und sonstige schifffahrtsbezogene Gesellschaften finanziell so betroffen sind, dass sie selbst zahlungsunfähig und damit in die Insolvenz gezwungen werden. Besondere Regelungen, etwa eine Besserstellung der Reedereien gegenüber anderen Gläubigern im Insolvenz­verfahren des Schuldners, sind dem deutschen Insolvenzrecht unbekannt.

Wie ist die rechtliche Situation bzw. welches Recht gilt?

Auf das Insolvenzverfahren von Hanjin ist das südkoreanische Insolvenzrecht anzuwenden. Nach § 343 Absatz 1 InsO werden das südkoreanische Insolvenzverfahren und die dort getroffenen Anordnungen in Deutschland grundsätzlich anerkannt. Für die Durchsetzung offener Forderungen gegen Hanjin ist es erforderlich, dass die Gläubiger unabhängig von ihren in den Verträgen (z.B. Charterverträgen) vereinbarten Gerichtsständen bei dem für die Hanjin-Insolvenz zuständigen Gericht in Seoul ihre offenen Forderungen anmelden. Damit ist allerdings nicht automatisch gemeint, dass sich die Forderung selbst auch nach koreanischem Recht beurteilt. Ob die Forderungen unter dem jeweils vereinbarten Recht begründet sind oder nicht, wird der südkoreanische Insolvenzverwalter bzw. das Insolvenzgericht nach erfolgter Forderungsanmeldung prüfen, üblicherweise mithilfe einzureichender »legal opinions« von Experten (i.d.R. Anwälten) aus dem jeweiligen ausländischen Rechtsraum.

Lohnt sich aus Sicht der Schiffsgesellschaften eine Klage gegen Hanjin?

Da die Beschlüsse des südkoreanischen Insolvenzgerichts grundsätzlich auch in Deutschland Bindungswirkung entfalten, dürften nach Insolvenzantragstellung angestrengte Klagen gegen Hanjin wegen ausstehender Forderungen wenig erfolgsversprechend sein. Auch Zwangsmaßnahmen gegen in Deutschland gelegene Hanjin-Vermögenswerte, mit Ausnahme unbeweglichen Vermögens, sind seit der AG-Hamburg-Entscheidung unzulässig. Die Gläubiger Hanjins sind vielmehr gemäß dem o.g. Beschluss des südkoreanischen Gerichts vom 1. September auf die Ameldung ihrer Forderungen im südkoreanischen Insolvenzverfahren zu verweisen, mit ungewissen Erfolgsaussichten.

Was sind weitere juristische Aspekte?

Nicht nur die Schiffseigentümer haben große Probleme mit Hanjin, sondern auch die Ladungseigentümer, die Waren an Bord von Hanjin-Schiffen haben. Sie müssen sich darauf einstellen, dass sie an ihre Ladung nur herankommen, wenn sie bereit sind, weitere Kosten aufzuwenden. Zwar werden die meisten Konnossemente ausweisen, dass die Fracht bezahlt wurde (Freight Prepaid), so dass ein Empfänger einen Auslieferungsanspruch hat, doch wird die Praxis sein, dass niemand mehr in Vorleistung treten wird, ohne bezahlt worden zu sein. Ladungseigentümer müssen also damit rechnen, dass Terminals oder andere in den Vor- und Nachlauf involvierte Frachtführer versuchen werden, ihre Außenstände gegenüber Hanjin dadurch durchzusetzen, dass sie Vorkasse verlangen und faktisch ein Zurückbehaltungs- bzw. Pfandrecht geltend machen. Ob ihnen dies wirklich zusteht, hängt wiederum davon ab, nach welchem Recht der jeweilige Frachtvertrag sich beurteilt und inwieweit dieses eine Pfändung für Altforderungen zulässt. In der Praxis wird es regelmäßig so laufen, dass (noch einmal) bezahlt wird, um an die Güter heranzukommen, die dringend benötigt werden. Eine solche Zahlung wird regelmäßig unter Protest erfolgen und ist von vielen Warentransportversicherungen gedeckt.