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Die Zeiten, in denen chinesische Leasing-Anbieter in der Schifffahrt argwöhnisch betrachtet wurden, sind offenbar vorbei. Das Geschäft wächst weltweit, die »Leasing-Flotte« ebenfalls – wenn auch eher im Hintergrund. In China hat man ambitionierte Pläne und betont die Nachhaltigkeit. Von Michael Meyer

Zu den wichtigsten Playern aus der Volksrepublik – meist eigens gegründete Tochterunternehmen großer Banken, die auch finanziell den Rücken stärken – gehören[ds_preview] unter anderem Minsheng Financial Leasing, ICBC Leasing (die beim massiven Ausbau der »Valemax«-Flotte von 400.000tdw-Bulkern eine entscheidende Rolle spielte), CMB Financial Leasing und die Bank of Communications Financial Leasing (BoComm). »Unser Leasing-Geschäft in der Schifffahrt ist seit 2013 schnell und kontinuierlich gewachsen. Das wird auch in Zukunft weitergehen«, sagte Lu Zhendong, stellvertretender Leiter der BoComm-Schifffahrtsabteilung jüngst auf einer Branchenveranstaltung in Hamburg.

Das staatliche Kreditinstitut hat sich eine Wachstumsstrategie zurecht gelegt, mit der Hansestadt als wichtigem Eckpfeiler. Vor wenigen Wochen wurde eine Niederlassung in Hamburg eröffnet. Die Entscheidung dazu fiel ganz bewusst, in den Abgesang auf den Schifffahrtsstandort Deutschland will BoComm nicht einsteigen.

Seit 2011 schrumpft die deutsche Flotte immerhin kontinuierlich, von 3.784 Schiffen auf zuletzt unter 2.770.

Die chinesische Bank setzt dennoch auf Hamburg. »Wir hätten auch nach London oder woanders hin gehen können. Da gibt es allerdings vor allem Finanzakteure, in Hamburg sitzt die Schifffahrt selbst«, so Lu Zhendong.

Die Chinesen wollen eine Lücke füllen, die im Zuge der Schrumpfkur beispielsweise deutscher Banken entsteht. Das gelingt zunehmend. Die Zurückhaltung vieler Banken und Reeder hat im vergangenen Jahr das Neubauvolumen auf unter 30Mrd. $ und damit auf ein Drittel der Werte aus den Vorjahren zusammenschrumpfen lassen. Laut dem Branchendienst Alphaliner wurden 2016 insgesamt nur 82 Containerschiffe mit einer Gesamtkapazität von 292.000TEU bestellt, 2015 waren es noch 254 Frachter mit 2,3Mio. TEU.

Mittlerweile umfasst etwa das BoComm-Portfolio ein Volumen von rund 13Mrd. $ in der Schifffahrtsfinanzierung, Tendenz stark steigend. Realisierte man 2013 noch ein Neugeschäft von 1,38Mrd. $, wuchs das Geschäft in den Folgejahren laut Lu Zhendong kontinuierlich um 1,58Mrd. $, 2,82Mrd. $ und im Vorjahr 5,19Mrd. $. Mit 60% nimmt den weitaus größten Teil des Portfolios die Containerschifffahrt ein, es folgen Bulker mit 15% und Öl- und Chemikalientanker (8%).

Ein weiterer große Player, Minsheng, hat ein Portfolio von 4,3Mrd. $ – nicht nur für Containerschiffe, sondern unter anderem auch für Bulker. Auch Minsheng weitet seine Auslandsaktivitäten aus, etwa mit der Eröffnung einer Niederlassung in Singapur. Wagte man sich vor einigen Jahren noch an spekulative Order heran, soll das mittlerweile der Vergangenheit angehören. Das gilt dem Vernehmen nach für die meisten der chinesischen Gesellschaften.

Als Reaktion auf die immer wieder geäußerten Vermutungen, chinesische Banken würde vorrangig chinesische Reedereien beim Kampf um Marktanteile fördern, verweist der Manager darauf, dass der »größere Anteil« von BoComms Aktivitäten auf Überseekunden entfalle. »In den kommenden Jahren wird dieser Trend noch zunehmen«, so Lu Zhendong. Ein chinesischer Bezug sei keine Voraussetzung für Projekte.

In der Tat hat die Referenzliste der Bank einen internationalen Charakter. In den vergangenen Jahren konnten diverse Neubauprojekte realisiert werden, deren Finanzierung der breiten Öffentlichkeit nur bedingt bekannt wurden. Zu den Kunden gehören Branchengrößen wie ­Maersk, MSC und CMA CGM aus dem Containerlinienmarkt, große Trampreeder wie Costamare und Seaspan, Industriekunden wie BP oder Vale oder andere Akteure wie Stena, Dynagas und Ship Finance International (SFI) des norwegischen Schifffahrts-Tycoons John Fredriksen.

Lu Zhendong sieht seinen Arbeitgeber dabei als Vermittler und Stabilitätsanker, nicht als aggressiven Kämpfer um Marktanteile. »Wir wollen Eigner und Banken zusammenbringen und eine Ergänzung zu traditionellen Quellen für Schiffsfinanzierungen sein«. Weil viele Banken ihre Präferenzen verschöben und Reeder »durstig« nach Kapital seien. BoComm lege großen Wert auf eine stabile und nachhaltige Entwicklung. »Wir ermuntern nicht zu spekulativen Aufträgen«, so Lu Zhendong.

Dass der Anteil chinesischer Leasing-Gesellschaften an der weltweiten Schiffsfinanzierung weiter zunimmt, glaubt auch Peder Bogen, Leiter der Abteilung Syndications & Agency der schwedischen Nordea Bank. Das betreffe vor allem mittelgroße Kunden, weil Banken in diesen Zeiten vorrangig mit großen Schifffahrtsunternehmen arbeiten wollten. Das könnte theoretisch zu einer weiteren Konzentration in der Reedereibranche führen. Oder zumindest zu neuen Marktanteilen für ohnehin schon große Player. »Chinesisches Leasing leistet einen wertvollen Beitrag. Ich gehe davon aus, dass diese Akteure noch mindestens zehn Jahre in unserem Markt bleiben. Es hat gerade erst begonnen«, sagt Bogen. Auch westliche Banken böten dieses Modell an, Nordea selbst jedoch nicht. Relativ strikte Anforderungen würden mehr Aktivitäten verhindern. Daher dürfte der Anteil der Banken an der Schiffsfinanzierung abnehmen.

Weniger Schulden, mehr Kapital

Zu den großen Vorteilen sowohl von Leasing- als auch von »Sale & Lease back«-Transaktionen gehört eine weitaus geringere Fremdverschuldung des Reeders sowie die Freisetzung von Kapital, beispielsweise zur Begleichung anderer Schulden. Darüber hinaus wird die Flotte der Schiffe im echten Eigentum künstlich verjüngt, was für Investoren und Kapitalmarktbewertungen vorteilhaft ist.

Leasing-Verträge beinhalten zumeist eine Bareboat-Charter-Vereinbarung zwischen einem Finanzier und einem Reeder – oder wie im Fall der Valemax-Flotte auch einen umfangreichen Transportauftrag. Die Projekte sind vor allem auf langfristige Zusammenarbeit ausgelegt und weniger auf »Asset Play«. So hat der Finanzier ein stabiles Einkommen über meistens mindestens zehn Jahre. Im »traditionellen« Chartermarkt handelt es sich zumeist um Zeitcharter-Kontrakte. Die können prinzipiell auch sehr lange Laufzeiten haben, was vor allem dann der Fall ist, wenn Neubauten auf Basis einer Vereinbarung zwischen Eigner und Charterer bestellt werden.

Allerdings behält der Eigner in dieser Konstruktion die Kontrolle über weite Teile des technisch-nautischen Shipmanagements. Dem Aufwand entsprechend fällt in der Regel die Charterrate höher aus. Nach Ansicht von John Freydag von Hanseatic Unity Chartering wird die Timecharter ihren signifikanten Anteil am Markt behalten. Der Geschäftsführer des Joint Ventures von Bernhard Schulte, Borealis Maritime und Reederei Nord sagt: »Die Linien können nicht allein mit Leasing- und Bareboat-Verträgen arbeiten. Sie brauchen auch in Zukunft Tramp-Tonnage mit der Expertise von Eignern und Shipmanagern.«

Im Hintergrund werden die Karten neu gelegt, aus der Deckung wagt sich derzeit allerdings fast niemand. Hinter vorgehaltener Hand wird von vielversprechenden Projekten und Finanzierungen gesprochen, auch auf dem »klassischen« Weg mit Banken. Aber auch hierzulande sollen nach Informationen der HANSA Leasing-Deals konkret vorbereitet werden.
Michael Meyer