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Die Verschrottung von Schiffen bringt man vor allem mit Südasien in Verbindung – nicht mit Finnland. Doch dort gibt es Pläne, das Schiffsrecycling in die EU zurück zu holen. Von Felix Selzer

Die maritime Industrie in Finnland stellt sich derzeit neu auf. Zum einen muss man auf die veränderten Marktbedingungen reagieren, der[ds_preview] Offshore-Einbruch hat viele Technologieunternehmen und Werften in Bedrängnis gebracht. Zum anderen setzt man auf Zukunftstrends wie Digitalisierung und autonome Schifffahrt (siehe HANSA 03/2017). Chancen für neue Geschäftsmodelle sieht man in Finnland aber nicht nur im digitalen Bereich. Mit neuen Regularien wie der EU Ship Recycling Regulation (EU-SRR) gibt es nun Überlegungen, auch im hohen Norden Schiffe zu verschrotten.

Der EU-Vorgabe entsprechend dürfen europäische Eigner ihre Schiffe unter EU-Flagge nur noch von zertifizierten Betrieben verwerten lassen, das beliebte »Beaching« ist nicht mehr erlaubt, es gibt Vorgaben für Umwelt- und Arbeitsschutz. Die Bestimmungen treten spätestens am 31. Dezember 2018 in Kraft, frühestens sechs Monate, nachdem die Recyclingkapazität der akzeptierten Betriebe mindestens 2,5Mio. LDT pro Jahr beträgt. Die Grundvoraussetzungen können nur Werften mit Trockendock erfüllen.

Davon erhofft sich zum Beispiel die Turku Repair Yard neue Geschäfte. Die Werft, die zur estnischen BLRT-Gruppe gehört, ist derzeit auf die Reparatur und Wartung fokussiert, nimmt Retrofits oder Lifecycle-Extensions an verschiedensten Schiffstypen vor. Bereits in den 1980ern habe man aber auch Schiffe demontiert, in den 1990ern seien russische Atom-U-Boote in Turku abgewrackt worden, erklärt Juhani Linna.

Der Geschäftsführer von AJL Consulting berät die Werft bei ihren Plänen zum Wiedereinstieg ins Verschrottungsgeschäft. Er ist überzeugt, dass es angesichts der Tonnage, die in den nächsten Jahren verschrottet werden muss, auch mehr Bedarf für Recycling innerhalb Europas geben wird. »Wir haben hier schließlich viel Expertise zu bieten, sowohl was das Recycling verschiedenster Produkte als auch die entsprechende Logistk angeht«, sagt er.

Der bisherige Plan sieht vor, dass die Werft das große 265 x 70m-Dock nutzt, das einst für Arbeiten an Offshore-Plattformen gebaut worden war. Die Demontage will man zusammen mit Delete Finland erledigen, die auch für die Weiterverarbeitung des Materials zuständig sind. Weitere Partner sind Hans Langh für die Abfallbeseitigung sowie Meriaura für den Kauf von Schiffen und die Transportlogistik.

Mehr Potenzial für Europa

In einem »virtuellen Projekt« sind bereits eine Verschrottung durchgespielt, Umweltbestimmungen geprüft und ein Businessplan erstellt worden, mit Unterstützung von der finnischen Innvationsförderungsagentur TEKES, die es auch für die erste echte Abwrackung geben wird. Für den Erfolgsfall liegen bei der Werft schon Pläne für ein zweites, neues Trockendock in der Schublade.

»Wir können nicht die gleichen Schrottpreise zahlen wie in Bangladesch, eher wie in der Türkei – also 100–150$/LDT anstatt 320$. Aber angesichts der Tatsache, dass beispielsweise norwegische Eigner bereits angekündigt haben, keine Schiffe mehr nach Südasien in den Schrott zu schicken, sehen wir ein riesiges Potenzial«, meint Linna. Wie groß die Zahl EU-geflaggter Schiffe, die in zertifizierten Betrieben verwertet werden, letztlich ist, muss sich zeigen. Denn durch einen Flaggenwechsel zu einem Drittstaat könnten Reeder die EU-SRR umgehen, befürchten Kritiker.

Die Reparaturwerft will zum führenden Schiffsverwerter in der EU werden. Damit ist man in Finnland nicht allein. Auch bei der Stadt und Hafenverwaltung im weiter nördlich gelegenen Pori gibt es nach Aussage des dortigen Liaison Managers Pasi Pitkänen ernsthafte Überlegungen zur Ansiedlung einer Recyclingwerft.

Die Finnen sind nicht die einzigen, die Chancen für Verschrottungen in der EU sehen. So haben vor kurzem fünf europäische Werften, die bereits eine Zulassung durch die EU haben, die Gründung der European Ship Recyclers Group (ESR) verkündet. Port of Bordeaux (Frankreich), Galloo (Belgien), Smedegaarden(Dänemark), Scheepssloperij Nederland (Niederlande) und DDR (Spanien) agieren dabei unter der Flagge der International Ship Recycling Association (ISRA).

ESR-Chairman Peter Wyntin erklärte: »Unsere fünf Werften repräsentieren die heutigen ›Best Industry Practices‹ im Schiffsrecycling. Unser erstes Ziel ist es, ein Bewusstsein für die Recyclingkapazität in Europa zu wecken, die derzeit bei über 1Mio. t liegt.« Man müsse nun schaffen, dass die ESR-Werften ganz oben auf der Liste von Schiffseignern stünden, wenn es um das Abwracken ihrer Schiffe gehe. »Unsere Botschaft ist ganz klar: Lasst EU-geflaggte Schiffe in Europa.«

Wie groß die Chancen für die europäischen Abwrackbetriebe sind, gilt als offen. Allerdings haben die Europäer klar die Nase vorn, wenn es um die Umwelt- und Arbeitssicherheit geht, denn bisher wurden nur Werften aus EU-Staaten in die Liste der akzeptierten Betriebe aufgenommen. Dabei gibt es wohl auch Anträge aus China, Indien und der Türkei, die jedoch noch geprüft werden.

Die mit Spannung erwartete erste Version der EU-Liste, die im Dezember 2016 veröffentlicht wurde, führt Werften in Belgien, Dänemark, Frankreich, Lettland, Litauen, den Niederlanden, Polen, Portugal, Spanien und UK auf. Der europäische Reederverband ECSA fürchtet, dass die Zahl zugelassener Werften nicht ausreichen wird und fordert eine schnelle Aufnahme von Betrieben aus Drittstaaten. Während dort noch Investitionen nötig wären, könnten die europäischen Werften schon anfangen zu recyceln.

Zwar hat es im Vorgriff auf die ebenfalls anstehende Hong Kong International Convention for the Safe and Environmentally Sound Recycling of Ships der Weltschifffahrtsorganisation IMO bereits Verbesserungen bei den großen Verwertern in Südasien gegeben, etwa im indischen Alang. Doch werden dort noch immer Schiffe auf den Strand gefahren – gern auch von europäischen Reedern.


Felix Selzer