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Ohne vorherige Versammlung sollen die Anleihe-Gläubiger einer Sanierung der finanziell ins Trudeln geratenen Rickmers Gruppe zustimmen. Sie spielen am Ende eine entscheidende Rolle.

In einem Schreiben, das im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde, hat sich die Reederei-Gruppe ultim[ds_preview]ativ an die rund 1.000 Anleger ihrer Unternehmensanleihe gewandt. Sie sollen dem kürzlich vorgelegten Sanierungsplan zustimmen und zudem den Hamburger Rechtsanwalt Kristian Heiser als ihren gemeinsamen Vertreter akzeptieren. Zwischen dem 8. und 10. Mai müssen sie ihr Votum abgeben und zwischen zwei Übeln wählen: Entweder sie üben Verzicht oder riskieren einen faktischen Totalausfall ihrer Investments. In einem Liquidationswertbericht hat die Kanzlei Brinkmann & Partner eine Insolvenzquote von 2,8% (worst case) bis maximal 6,7% (best case) prognostiziert.

»Die rückläufigen Umsätze aus dem operativen Geschäft sowie der unter anderem durch Forderungsausfälle zusätzlich verstärkte Rückgang des EBITDA und des operativen Cash Flows haben zur Folge, dass die Rickmers Gruppe den Kapitaldienst unter den bestehenden Finanzierungsverträgen nicht mehr erbringen kann und daher eine Restrukturierung insbesondere der Finanzverbindlichkeiten unausweichlich ist«
Mitteilung vom 21.04.2014

Gläubiger erhalten Beteiligung

Neben der HSH Nordbank und der UniCredit sollen somit auch die Anleger zu Anteilseignern der Rickmers Gruppe werden. So sieht es das Sanierungskonzept vor, das in der vergangenen Woche bekannt wurde. Demnach zahlt Firmengründer Bertram Rickmers nicht nur mehr als 30 Mio. € zur Rettung aus seinem Privatvermögen, sondern überträgt zusätzlich 75,1% seiner Anteile an ein Finanzvehikel namens »LuxCo« in Luxemburg, das die »Neuen Rickmers-Aktien« im Zuge einer Kapitalerhöhung bei der Rickmers Holding AG übernimmt.

Bei der LuxCo sollen ein Teil der Bankkredite und auch die Anleiheschulden gebündelt werden. Über einen späteren Verkauf an einen Investor – innerhalb der nächsten drei Jahre – könnten die Gläubiger dann ausgezahlt werden. In welcher Höhe, steht völlig in den Sternen.

Schwache Charterraten, sinkende Schiffswerte und in der Folge hohe Wertberichtigungen hatten der Gruppe nach den ersten neun Monaten 2016 bereits einen Verlust von knapp 200 Mio. € bei einem Umsatz von rund 374 Mio. € (-15% gegenüber 2015) beschert. Demnächst soll der Jahresabschluss vorgelegt werden, die Zahlen dürften dann noch einmal deutlich schlechter ausfallen. Das Schreiben der Rickmers Holding an die Gläubiger, das der HANSA vorliegt, offenbart jetzt das ganze Ausmaß der finanziellen Krise, in der das Unternehmen steckt:

Die Banken

Die Bankenfinanzierung der Rickmers Gruppe wird von den fünf Kreditinstituten HSH Nordbank AG, UniCredit, NordLB, Deutsche Bank und DNB Bank ASA gestellt und hat ein Gesamtvolumen von mehr als 1 Mrd. $ (Stand 31. März 2017). Der überwiegende Teil entfällt auf die Kernbanken HSH und UniCredit.

Darunter machen Schiffshypotheken-Darlehen 804 Mio. $ aus, überwiegend durch die HSH gewährt. Die Rickmers Holding AG garantiert den überwiegenden Teil der Hypothekendarlehen. Der Kredit zur Finanzierung von fünf 13.600-TEU-Schiffen über insgesamt knapp 520 Mio. $ war bereits im April 2016 bis 2020 bzw. 2021 verlängert worden. Ein Großteil der übrigen von der HSH und den anderen Banken gewährten Hypothekendarlehen wird in der ersten Hälfte 2018 zur Rückzahlung fällig.

Zusätzlich bestehen Zinssicherungsgeschäfte (zehn einzelne Swaps jeweils mit der HSH als Gegenpartei) über insgesamt 305,2 Mio. $, die per 31. März 2017 »signifikant negative Marktwerte« von insgesamt rund 70 Mio. $ ausweisen. Unter neun dieser Geschäfte ist im September 2017 eine Einmalzahlung von 24 Mio. $ an die HSH fällig.

Sale and lease back

Weitere Bankenfinanzierungen konnten bereits abgelöst werden, sonst wäre die Belastung noch größer. Teil der Finanzierung ist eine im August 2016 mit der chinesischen Bank of Communications Financial Leasing (BoCom) für drei Großcontainerschiffe von je 13.600 TEU abgeschlossene »Sale-and-Lease-back«-Transaktion. Sie hat ein Gesamtvolumen von 283,3 Mio. $ bei einer Laufzeit bis 2025 bzw. 2026, die sich maximal bis 2029 verlängern kann. Nach Ende der Laufzeit ist Rickmers verpflichtet, die Schiffe zum Fix-Preis zurückzukaufen.

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Mit Hyundai Heavy Industries (Korea) bestehen acht Einzelkredite für den Bau und Erwerb von Schiffen über insgesamt 40,25 Mio. $. Der Newyard Worldwide Holdings schuldet die Rickmers Gruppe weitere 10 Mio. $. Diesen Betrag zahlt Bertram Rickmers laut einer früheren Mitteilung demnächst zurück.

Die Rickmers-Anleihe

Im Juni 2013 hatte Rickmers Schuldverschreibungen im Nennwert von 1.000 € je Schein und in einem Gesamtwert von 175 Mio. € herausgegeben – mit einer jährlichen Verzinsung von 8,875% und einer Laufzeit von fünf Jahren. Diese Anleihe war danach im November 2013 um weitere 50 Mio. € sowie im März und November 2014 um weitere jeweils 25 Mio. € durch Privatplatzierungen aufgestockt worden.

Die nächste Zinszahlung in Höhe von rund 24,4 Mio. € ist im Juni fällig und soll nach eigenen Angaben vom 20. April von der Rickmers Gruppe pünktlich und aus eigenen Mitteln aufgebracht werden – allerdings nur, wenn vorher die geforderte Restrukturierung eingeleitet werde. Dagegen könne die am 11. Juni 2018 anstehende Rückzahlung der 275 Mio. € nicht geleistet werden. Die Anleihe war an der Frankfurter Börse zuletzt für rund 8,5% des Nominalwerts zu haben. Nun soll die Laufzeit bis Ende 2027 ohne jegliche Zinszahlungen verlängert werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Die künftige Beteiligung an der LuxCo setzt sich damit wie folgt zusammen. In diesem Verhältnis würden auch Auszahlungen, durch den Verkauf der Anteile an einen Investor, vorgenommen werden. Dazu heißt es: »Forderungen werden nur aus freiem Vermögen der LuxCo, insbesondere aus den Erlösen aus einem Verkauf der Neuen Aktien sowie aus etwaig ausgeschütteten Dividenden bedient.« Zinsen würden kapitalisiert.

  • Anleihe-Gläubiger: 57,6% (für 275 Mio. € Anleihevolumen)
  • HSH Nordbank: 36,1% (für eine revolvierende Kreditlinie von 165 Mio. $ mit einer Laufzeit bis Mai 2018)
  • weiterer Gläubiger: max. 6,3% (für einen 30-Mio.-Kredit, vermutlich von UniCredit)

Allerdings ist nicht sicher, dass die Anleihe-Gläubiger automatisch den größten Anteil eines möglichen Verkaufspreises erhalten: Wie aus dem Papier hervorgeht, sind die Banken »vorrangig besichert«, die Anleger dagegen »gänzlich unbesichert«. Eine Mindestzahlung von 54 Mio. € geht demnach, vor allen anderen, an die HSH. Im Gegenzug ist die Bank offenbar zu weiteren Tilgungsstundungen, Zinskürzen und Laufzeitverlängerungen sowie zur Freigabe von bereits gepfändeten Geldbeträgen bereit.

Rickmers verkauft Yacht, Containerschiffe und Beteiligungen

Flagge Rickmers Group
(Foto: Rickmers Group)

Mit der Rickmers-Linie wurde bereits ein Verlustbringer an die Bremer Zeaborn-Gruppe verkauft. Mit der Abwicklung des Rickmers Maritime Trust in Singapur bleibt von der 34,2%-Beteiligung nur der Erlösanteil nach dem Verkauf der 14 Schiffe an Navios für 113 Mio. $.

In dem bis 2020 angesetzten Sanierungszeitraum muss die Reederei weiter erhebliche Beiträge leisten. Eine Privat-Yacht von Bertram Rickmers im Wert von 600.000 € wurde bereits verkauft, ebenso wie im März ein Containerschiff mit 1.850 TEU für 3,6 Mio. $. Zwei weitere Schiffe mit 1.850 TEU und 1.350 TEU sollen zeitnah folgen. Die Flotte soll künftig weiter schrumpfen, auch andere Maßnahmen sind geplant, die für mehr Liquidität sorgen sollen:

  • Weitere ausgewählte Schiffe, vorzugsweise unter Verträgen mit kurzen Laufzeiten, sollen veräußert werden. Wie viele, bleibt offen.
  • Verkauf der Unternehmensbeteiligungen an Harper Petersen & Co. (50%), an German Lashing Robert Böck (17%) und am Hamburger Terminalbetreiber Wallmann & Co. (25,05%).
  • Verwertung der Anteile an drei im Eigentum eines Joint Ventures mit Apollo stehenden Containerschiffen von je 9.450 TEU.
  • Einsparungen von Beratungs- und Personalkosten »aufgrund geringerer Größe«. Auch die Vorstandsmitglieder üben Verzicht – auf 60% ihrer variablen Gehaltsbestandteile.

Die Rickmers Gruppe besitzt oder managt zurzeit rund 114 Schiffe und beschäftigt mehr als 2000 Mitarbeiter. In einem Sanierungsgutachten sei eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu dem Ergebnis gekommen, dass die Rickmers Holding AG »sanierungsfähig ist, wenn alle geplanten Restrukturierungsmaßnahmen umgesetzt werden«. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die positive Fortführungsprognose entfällt, wenn das Rettungspaket einschließlich der Restrukturierung der Rickmers-Anleihe, nicht umgesetzt wird.

Ob eine Rettung gelingt, hängt zwar entscheidend von den Anleihe-Gläubigern ab, aber auch von den beteiligten Banken. Rickmers beruft sich zwar auf eine grundlegende Verständigung (Term Sheet) mit dem Hauptgläubiger, der HSH Nordbank. Doch in der Hamburger Bankenzentrale wird der Fall von den Gremien noch geprüft, wie ein Bankensprecher gegenüber der HANSA bestätigte. Auch das Einverständnis der UniCredit liegt offensichtlich noch nicht vor.

Rickmers Maritime Trust als schlechtes Omen

Mit einem ähnlichen Szenario waren auch Gläubiger und Anleger des an der Börse in Singapur gelisteten Rickmers Maritime Trust konfrontiert worden, auch sie hatten die Wahl zwischen einem Forderungsverzicht oder der Abwicklung. Das Sanierungskonzept wurde nach monatelangen Verhandlungen abgelehnt – der Trust wird jetzt abgewickelt.

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