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Das hatte sich Mohamed Abdi Hassan ganz anders vorgestellt: Ein wandlungsfähiger Somalier mit einem Gespür für ertragreiche Geschäfte. Und mit hohen Geltungsbewusstsein, das ihm zum Verhängnis wurde


Afweyne«, Großmaul, wie er genannt wurde, stammt aus der Stadt Harardheere, noch vor wenigen Jahren berüchtigt als eine der Piraten[ds_preview]-Hochburgen im zerrütteten ostafrikanischen Land. Nach Ansicht internationaler Ermittler war er einer der einflussreichsten Hintermänner, bezeichnete sich selbst als ein Anführer der »legitimen Selbstverteidigungsbewegung zum Schutz der somalischen Gewässer und Fischgründe«. Innerhalb weniger Jahre soll Hassan sehr viel Geld mit dutzenden Schiffsentführungen und Lösegeldern gemacht haben, er soll unter anderem an den spektakulären Überfällen auf den Tanker »Sirius Star« (2008), die als »Waffenfrachter« bekannt gewordene »Faina« (2008) und die belgische »Pompei« (2009) als Drahtzieher beteiligt gewesen sein. Dabei ging er auch Kooperationen ein. Sein Sohn, der das Geschäft später fortführen sollte, bestätigte mehrfach, dass Hassan ein Abkommen mit der Terrorgruppe Al-Shabab hatte. Die Miliz ließ die »unislamischen Piraten« nur gegen eine Beteiligung an den Lösegeldern gewähren. Als Hassan angesichts internationaler Marine-Missionen und der zunehmenden Aktivität von privaten bewaffneten Sicherheitsteams das Risiko zu groß wurde, versuchte er sich als Piratenjäger anzudienen, um einer Strafverfolgung aus dem Weg zu gehen. Zuvor war er einem Prozess schon einmal nur knapp entgangen. Malaysische Behörden hatten ihn 2012 bei einer Reise nach Südostasien festgesetzt, mussten ihn aber wieder freilassen, nachdem er ein Dokument der ehemaligen somalischen Übergangsregierung vorlegen konnte, dass ihn als Diplomat auswies. Im gleichen Jahr erwirkte Belgien einen internationalen Haftbefehl gegen »Afweyne« bei Interpol. Er scheiterte damit, bei der neuen Regierung Somalias ein Amnestieprogramm für ehemalige Piraten durchzusetzen, von dem er selbst profitiert hätte. Es wurde immer enger für den selbsternannten Piratenanführer.

Doch der Höhepunkt in der Dramaturgie folgte erst noch: 2013 willigte der knapp 60-jährige Mohamed Abdi Hassan nach langen Verhandlungen ein, sein Leben von einem europäischem Filmteam verfilmen zu lassen und als Berater zu fungieren. Einzige Bedingung: Er musste für die Vertragsunterzeichnung nach Belgien reisen. Von der Aussicht auf internationalen Ruhm angetrieben, setzte er sich mit seinem »Geschäftspartner« Mohamed Moalin-Aden, genannt »Tiiceey«, ein ehemaliger Gouverneur der somalischen Provinz Himan und Heeb, tatsächlich ins Flugzeug. Den Empfang in Brüssel hatte er sich allerdings anders vorgestellt. Bei dem Filmteam handelte es sich nämlich um ein Täuschungsmanöver der belgischen Polizei, die dem Piraten eine Falle gestellt hatte und ihn nun für die Entführung der »Pompei« vor Gericht stellen wollte.

Mohamed Abdi Hassan gilt als der hochrangigste somalische Pirat, der vor Gericht gestellt wurde. Der Prozess begann im September 2015 und endete jetzt mit einer Verurteilung. Die Somalier konnten mit ihrem Argument, sie hätten der Piraterie abgeschworen und Seeräuber zurück auf den rechten Weg gebracht, nicht überzeugen. Auch der Schutz der somalischen Fischerei wurde vom Gericht nicht anerkannt, da Hassan erst später in die Piraterie eingestiegen sei – als sich abzeichnete, welche Erträge möglich waren. Letztlich wurde »Afweyne« zu einer 20-jährigen, »Tiiceey« wegen seiner Beteiligung an dessen Machenschaften zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt.