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HANSAInsight 05 | 2017

Die Tankerreeder scheinen (noch) keine Lehren aus der Krise der Containerschifffahrt gezogen zu haben. Zumindest sieht es so aus, als habe ein vergleichsweise stabiler Markt [ds_preview]inmitten der tiefen Container- und Bulkerkrise wie auch der jüngste Höhenflug gegen Ende des Jahres 2016 die Sicht auf die Risiken eines Neubau-Rausches verstellt.

Allein im ersten Monat des Jahres habe es einen neuen Ablieferungsrekord gegeben, warnte zuletzt BIMCO. Mit allein zwölf VLCC mit insgesamt 3.68 Mio. dwt wurde der Vorjahreswert um sagenhafte 629 % übertroffen. Seit 2012 wurden nicht mehr so viele Rohlöltanker in Fahrt gesetzt wie im Jahr 2016, bei Produkttankern fand ein ähnlich hohes Flottenwachstum zuletzt 2010 statt. Und die Bestellungen gehen munter weiter.

Als äußerst bedenklich bewerten Experten daher die auffällige Unlust an Verschrottungen. Zwischen 2014 und 2017 wurden lediglich 2,2 % der weltweiten Tonnage aus dem Verkehr gezogen. Solche Zahlen waren zuletzt in den 1980er und 1990er Jahren zu beobachten. BIMCO befürchtet folgerichtig bereits kurz- bis mittelfristig einen zunehmenden Druck auf das Ratenniveau.

Grafik der Woche:

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Mit dem Lockern der Sanktionen gegen den Iran im vergangenen Jahr wächst die Nachfrage nach Öl-Transporten aus dem Land am Persischen Golf. Das Volumen hat sich seither verdoppelt, doch wächst bereits wieder die Unsicherheit angesichts neuerlicher Spannungen zwischen dem Iran und den USA. Es bleibt fraglich, ob das Land seine Ölexporte weiter steigern kann. (Grafik: VesselsValue)

Es fehlt bei all diesen Bestellungen ganz offensichtlich ein Plan B und an der Sensibilität dafür, dass der Markt auch ganz schnell kippen könnte. Wie hoch letztlich das Risiko wirklich ist, hängt jetzt von den Entscheidungen der Öl-produzierenden Länder und der daran gekoppelten Preisentwicklung ab.

Noch sorgt viel billiges Öl für eine hohe Transport-Nachfrage. Die Raffinerien arbeiten auf Hochtouren, die USA füllen derzeit ihre Lagerbestände auf, dazu kommen neue Routen für iranische Exporte. Doch Analysten warnen eindringlich, dass die Balance zwischen Angebot und Nachfrage langsam, aber sicher ins Ungleichgewicht gerät. Das Absacken der Raten im Sommer war dafür ein erstes Alarmzeichen.

Die Lage bleibt also höchst volatil, auch wenn die Fundamentaldaten zunächst wenig Grund zur Sorge bieten. Alle Prognosen erwarten bis auf Weiteres einen Ölpreis im Bereich von 50 bis 55 $ pro Barrel. Das liegt nach Angaben der Internationalen Energie-Agentur IEA knapp unter der Schwelle von 60 $, die zusätzlich zu einem massiven Hochfahren der Schieferöl-Produktion in den USA, derzeit einem wichtigen Import-Markt, führen könnte. Angeblich lohnt der Abbau teilweise heute schon ab 40 $.

Die Begrenzung der Fördermenge seitens der OPEC wäre damit mehr als gedämpft. Gleichzeitig ist seit dem Ende der Sanktionen mit dem Iran ein Spieler zurück auf dem Feld, der zuletzt seine Exporte nach Asien und Europa verdoppeln konnte und die Mengen weiter steigern will.

Dennoch hält die IEA inzwischen sogar Versorgungsengpässe ab 2022 für möglich, weil weltweit die Produktionskapazität mit der steigenden Nachfrage nach Öl in Asien, vornehmlich in China, und in anderen aufsteigenden Wirtschaftsräumen kaum noch mithalten könne. Das wäre die gute Nachricht für die Schifffahrt. Mit ihren massiven Bestellungen wetten die Tankerreeder dennoch auf eine Zukunft, die mehr als ungewiss bleibt und durch Marktveränderungen schnell ins Wanken geraten könnte. (fs)

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