»Neu anfangen, solange man noch kann«

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Herr Svensen, Sie waren 23 Jahre im Unternehmen, zunächst bei DNV, nach der Fusion bei DNV GL. Ist ein[ds_preview] wenig Schwermut dabei?

Svensen: Wenn man nach so einer langen Zeit geht, sind immer gemischte Gefühle im Spiel. Ich werde all die Kollegen vermissen. Es war keine leichte Entscheidung, aber auf der anderen Seite muss man diesen Schritt gehen, wenn man etwas Neues anfangen will, solange man noch kann. Das war mit 61 Jahren meine Hauptmotivation für den Rückzug. Ich wollte die Gelegenheit nach dem Abschluss der Fusion nutzen.

Wie hat es Sie in die maritime Wirtschaft verschlagen?

Svensen: Weil ich nah der Küste aufgewachsen bin, war ich schon immer an allem interessiert, was mit dem Meer zu tun hat. Ich hatte den Traum, ein Yacht-Designer zu werden. Im Studium holte mich die Realität jedoch schnell ein. Es gab schlicht zu wenig Stellen für Yacht-Designer, daher habe ich einen anderen Weg eingeschlagen.

Gab es einen anderen Beruf, den Sie ebenfalls gerne ausgeübt hätten?

Svensen: Wenn ich nicht Schiffbauingenieur geworden wäre, hätte ich wohl auf den Architektur- oder Design-Markt gesetzt.

Was war die wichtigste Entwicklung in der Schifffahrt während Ihrer aktiven Zeit?

Svensen: Die stärksten Auswirkungen hatte definitiv die Containerisierung. Danach gab es zwar noch faszinierende Innovationen, aber die waren nicht derart bahnbrechend.

Mit Ihrer langen Erfahrung: Wie bewerten Sie die aktuelle Krise?

Svensen: Man muss schon 30 Jahre zurückblicken, um etwas Ähnliches zu entdecken. Aber heute ist es anders, es wird nicht wieder werden wie es war. Wir erleben eine Krise, die das Ergebnis eines Superzyklus ist, den wir der Globalisierung, der Handelsliberalisierung und vor allem der Entwicklung in China verdanken. Mehr als ein Jahrzehnt mit rasantem Wachstum, das sich auf die seeseitigen Transporte ausgewirkt hat.

Glauben Sie, dass wir derartiges in einem anderen Land noch einmal erleben?

Svensen: Nein, es ist noch nicht einmal klar, ob die Entwicklung in China nachhaltig ist.

Wie wird die Schifffahrt Ihrer Meinung nach in fünf, zehn oder 20 Jahren aussehen?

Svensen: Die aktuelle Krise in Verbindung mit der Entwicklung der Weltwirtschaft wird dazu führen, dass die Schifffahrt weniger kleinteilig sein wird. Wir werden größere Akteure sehen. Auch wird es nicht mehr so viele private Investoren geben. Die Zeiten der persönlichen und familiären Schifffahrt in dem heutigen Ausmaß dürften vorbei sein.

Wie sollte die Schifffahrt mit den Herausforderungen umgehen?

Svensen: Ich glaube an die Kraft von Innovationen und daran, dass sich diejenigen durchsetzen, die technologisch oder operationell vorangehen. Auch wenn es leicht zu sagen ist: Man muss längerfristiger denken und handeln. Die Schifffahrt war nie nachfragegetrieben, sondern stets von einem Überangebot geprägt. Ich bezweifle, dass künftig das nötige Kapital noch so gut verfügbar ist wie es zuletzt war.

Weil die Akteure dazugelernt haben?

Svensen: Ich denke, dass diese Krise in der Erinnerung haften bleibt. Banken und Investoren werden nicht mehr so bereitwillig Geld zur Verfügung stellen. Ich hoffe, sie werden vorsichtiger. Denn das ist nötig.

Wagen Sie für uns einen Ausblick auf den Klassifikationsmarkt der Zukunft.

Svensen: Ich denke, um langfristig effizient zu sein und weltweite Dienstleistungen anbieten zu können – denn das ist notwendig – ist eine gewisse Größe unabdingbar. Es ist für mich schwer vorstellbar, dass in Zukunft noch all die Gesellschaften auf dem Markt sein werden, die wir heute sehen. Man kann sich auch fragen, ob zwölf mehr oder wenige große Akteure überhaupt nötig sind. Ich wäre außerdem überrascht, wenn es in zehn Jahren noch Gesellschaften gibt, die mehr oder minder staatliche Behörden sind. Die Regierungen werden sich zurückziehen.

Zum Abschluss eine Frage zu Ihrer persönlichen Zukunft: Wie wird Ihr Leben in den nächsten Jahren aussehen?

Svensen: Ich habe meiner Familie versprochen, dass ich nicht mehr 100% arbeiten werde. Das war eine Voraussetzung für den Wechsel nach Glasgow. Zu einem Drittel meiner Zeit werde ich an der Universität arbeiten. Ein weiteres Drittel werde ich mit der Arbeit in Aufsichtsräten verbringen. Interview: Michael Meyer


Michael Meyer