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Der Hamburger Hafen hat in der »Lütt Deern« seit Mitte Februar ein Festmacherboot der neuesten Generation. Das Fahrzeug wurde auf der Behrens Werft in Finkenwerder für die H.S.H. Schleppgesellschaft gebaut
Als Taufpatin des ersten Hamburger »Fastmoker-Neubaus« seit rund 30 Jahren fungierte Katrin di Racca, Geschäftsführerin der H.S.H. Festmachergesellschaft. Sie[ds_preview] war sichtlich erleichtert, als die Sektflasche im ersten Versuch vor rund 130 Gästen aus Wirtschaft und Politik am Rumpf des Neubaus zerschellte. Anschließend wurde das 9m lange und 3,90m breite Fahrzeug auf der Slip zu Wasser gelassen.

Für Benito di Racca, Geschäftsführer der H.S.H. Schleppgesellschaft und Ehemann der Namensgeberin, stand von vorn herein fest: »Wenn wir uns für einen Neubau entscheiden, dann soll er aus Hamburg kommen.« Im November vergangenen Jahres kam di Racca mit der Idee auf Behrens Schiffs- und Schweißtechnik – besser bekannt unter dem Namen Behrens Werft – zu. Deren Geschäftsführer Thees Behrens, der in vierter Generation an der Spitze des Familienunternehmens steht, wollte zunächst nicht so recht glauben, dass seine Werft einen Festmacherneubau konstruieren sollte. Schließlich ist in Hamburg seit rund 30 Jahren kein Neubau eines solchen Schiffstyps mehr vom Stapel gelaufen.

Doch di Racca meinte es ernst, als er mit einigen Zeichnungen im Büro von Behrens auftauchte. »Wir brauchen in Zukunft Boote, die aufgrund der höheren Fließgeschwindigkeit der Elbe und auch bei Sturm und Eisgang sicher zu manövrieren sind. Deshalb haben wir in modernste Technik investiert«, sagt di Racca, der auf dem Markt nach eigener Aussage nichts gefunden hatte, was seinen Ansprüchen genügte. Folglich entschied er sich, ein technisch neu konzipiertes Boot bauen zu lassen.

So entstand in nicht einmal zwölf Wochen ein Neubau, der im Hamburger Hafen neue Maßstäbe setzt, insbesondere was den Umweltschutzaspekt von Arbeitsbooten betrifft. Di Racca zeigte sich hoch zufrieden mit der Arbeit der Werft. Das gesamte Team habe einen »fulminanten« Job gemacht.

Die Inspirationen für das Design des von DNV GL klassifizierten Neubaus holte sich der Geschäftsführer der H.S.H. Schleppgesellschaft von der niederländischen Damen Werft. Dieses sei aber optimiert worden, betont er. Der Stahlrumpf wurde im Vergleich zu herkömmlichen Festmacherbooten verstärkt, das Gleiche gilt für die Propeller-, Ruder- und Wellenanlage. Laut dem Schiffseigener entwickelt der Propeller ein besonders starkes Drehmoment.

Beim Motor gibt es ebenfalls Optimierungen im Vergleich zum Damen-Design. Die 170 kW starke Maschine von Iveco ist mit einem Rußfilter ausgestattet und verfügt über ein geschlossenes Kühlwassersystem. Dadurch soll verhindert werden, dass Öl oder Verbrennungsrückstände ins Elbwasser gelangen. Umweltschutz ist für di Racca, dessen Firma Mitglied in der Umweltpartnerschaft Hamburg ist, ein wichtiges Thema.

Auch beim Anstrich geht er deshalb neue Wege. Er hat sich für ein Pilotprojekt entschieden, denn das Unterwasserschiff der »Lütt Deern« ist mit einer strapazierfähigen Anti-Fouling-Folie überzogen worden. Anders als herkömmliche Anstriche würden so keine Giftstoffe ausgeschwemmt, sagt di Racca. Diese aus Silikon bestehende Spezialfolie hat das auf Korrosionsschutz im Schiffbau spezialisierte Hamburger Unternehmen Orca Maritime zusammen mit der in Worms ansässigen Firma Renolit Contact Maritime entwickelt. An den Seiten des Schiffes wurde eine »geflockte« Folie angebracht, die ebenfalls von den beiden Partnern stammt.

In der Hamburger Schiffbau Versuchsanstalt (HSVA) seien 9% weniger Reibungswiderstände gemessen worden, sagt Manfred Haack, Geschäftsführer von Orca Maritime. Für ihn hat es einen trivialen Vorteil, die Neuentwicklungen gerade an einem verhältnismäßig kleinen Fahrzeug wie der »Lütt Deern« zu testen. »Das Schiff kann jederzeit aus dem Wasser geholt werden«, so Haack, der andeutete, in nächster Zeit die neu entwickelten Folien in weiteren Pilotprojekten, unter anderem in Singapur, ausprobieren zu wollen.

Benito di Racca ließ keinen Zweifel daran, dass Festmacherboote unersetzbar bleiben, denn die Nachfrage nach Einsätzen steige kontinuierlich. »Die Schiffe im Hamburger Hafen werden immer größer, die Liegeplätze sind dafür begrenzt«. Es werde daher immer häufiger vorkommen, dass große Containerschiffe oder Massengutfrachter an Warteplätze gingen, die nicht von Land erreichbar seien, sodass die Seeschiffe folglich mit Booten festgemacht werden müssten. Überdies ist die »Lütt Deern« auch für Einsätze an Wasserbaustellen angefragt und gebucht, heißt es.

Andreas Brummermann, stellvertretender Hafenkapitän und Nautischer Direktor Hamburgs, überreichte Benito di Racca und seiner Frau die obligatorische Admiralitätsplakette. »Die ›Lütt Deern‹ soll die Sicherheit in unserem Hafen erhöhen«, so Brummermann, der hofft, dass es in Zukunft mehrere solcher Fahrzeuge in Hamburg geben wird.

Dieses ließ der Chef der H.S.H. Schleppgesellschaft noch offen, meinte aber, dass das nicht ausgeschlossen sei. Eins steht für ihn jedoch fest: »Wenn wir uns für einen zusätzlichen Neubau entscheiden, lassen wir ihn wieder von der Behrens Werft bauen.«
Thomas Wägener