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SeaRec-Software für Planung und Ausschreibung von Containerverkehren lockt erste Großverlader an

Der Abschluss großer Seefrachtverträge ist für Kunden stets mit Unsicherheiten behaftet, gerade in turbulenten Zeiten wie diesen. Welche Carrier überleben[ds_preview] überhaupt langfristig? Werden die versprochenen Dienste tatsächlich aufrechterhalten? Wer bloß auf die niedrigste Rate schielt, sollte sich nicht wundern, wenn das Konzept am Ende gar nicht aufgeht. Mit SeaRec steht Verladern seit vergangenem Jahr ein weiteres Planungs- und Simulations-Tool zur Verfügung. Die ersten Erfahrungen stimmen die Initiatoren von der Unternehmensberating Tim Consult optimistisch.

Rund 300.000 teu werden nach Schätzung des Dienstleisters in den ersten zwölf Monaten (per Ende März) über die Plattform abgewickelt sein – ein durchaus respektables Volumen, wenn man sich bei Anbietern anderer Tender-Plattformen umhört. Der Großteil kommt den Angaben zufolge durch eine einzelne Großausschreibung zustande, die in den nächsten Wochen abgeschlossen werden soll. Über den Kunden wahrt Tim Consult Stillschweigen.

SeaRec ist speziell auf Ausschreibung und Allokation größerer globaler Kontrakte ausgerichtet, die von industriellen Verladern in der Regel einmal pro Jahr vorgenommen wird. Dazu werden die Angebote der Linienreeder zunächst in das System eingespeist und mit den Zielraten sowie den vorherigen Kontraktraten der Kunden abgeglichen. Bis zur Einführung elektronischer Beschaffungssysteme wurden die seitenlangen, in Hafenpaare gegliederten Raten-Listen manuell ausgewertet. Durch die elektronische Erfassung ist der Aufwand für die Kunden stark reduziert worden.

»Früher haben Sie zehn Wochen gebraucht, um zu rekonstruieren, was eigentlich geboten wurde. Das dauert heute nur noch zwei Tage«, erklärt Tim-Consult-Geschäftsführer Björn Klippel. Zudem sei SeaRec dienstleisterfreundlich in der Handhabung, weil es im Gegensatz zu einigen anderen Tenderplattformen konventionelle Excel-Listen verarbeitet und auf eigene Eingabemasken verzichtet. Somit entfielen zeitraubende Doppeleingaben für die Vertriebsleute bei Reedereien und Speditionen, die sich auf Excel eingeschossen haben.

Das »Schaufeln von Daten« sei jedoch nicht Hauptaufgabe des Systems, der Schwerpunkt liege auf Analyse und Bewertung der Volumenzuteilungen auf unterschiedliche Carrier, so Klippel. »Als strategischer Frachteneinkäufer nehmen Sie nicht immer die beste Rate, sondern Sie haben bestimmte Allokationswünsche. Hier setzen wir an«, sagt der Berater. Einerseits möchten die Kunden die Zahl der Carrier auf den jeweiligen Routen gering halten, um Schnittstellen abzubauen. Andererseits wünschen sie sich einen gesunden Wettbewerb. Vor allem aber haben sie bestimmte Erwartungen an den Kundenservice und Qualitätsstandards, die man nicht am nackten Kostenvoranschlag eines Carriers ablesen kann. Hier zählen Erfahrung und Marktkenntnis.

Kompliziert wird die Beschaffung dadurch, dass die einzelnen Divisionen eines Konzerns völlig unterschiedliche Anforderungen an Transitzeit und Volumenverfügbarkeit haben. So ist es ratsam, sich durch Simulation verschiedener Allokationsszenarien einen genauen Überblick über Kosten, Chancen und Risiken der Seefrachtstrategie zu verschaffen. Laut Klippel setzt SeaRec in punkto Variabilität und Skalierbarkeit neue Maßstäbe. Während die meisten Plattformen nur eine begrenzte Zahl unterschiedlicher Szenarien abbilden, könne das System mit Raten-, Service- und Portfolio-Restriktionen »beliebig spielen«. Dazu bietet Tim Consult umfassende Beratungsleistungen rund um Tendervorbereitung, Dienstleister-Evaluierung und Verhandlungen an. Durch das langjährige Benchmarking von Seefrachtverträgen großer Industrie- und Handelsunternehmen verfügt die Firma über Marktexpertise, die bei einigen Linienreeder Erstaunen, bei anderen Gruseln hervorrufen dürfte. Dazu gehören Berechnungsmodelle für Carrier-Slotkosten auf unterschiedlichen Routen und Hafenrotationen.

Der Markt für Seefracht-Ausschreibungssoftware war in den vergangenen Jahren stark in Bewegung. Einige namhafte Anbieter und Produkte wie die britische Mars-Tochtergesellschaft Freight Traders und das Tender-Tool des Reedereiportals Inttra verschwanden kürzlich mangels Nachfrage oder durch Firmenübernahmen vom Markt. Viele große Verlader haben zudem eigene Softwarelösungen eingeführt. Die Hamburger Firma Glomap, einer der Pioniere im Bereich Seefracht, wickelt Insidern zufolge inzwischen überwiegend Luft- und Landtransportausschreibungen ab.

Dennoch sieht Klippel in der Zukunft wieder steigenden Bedarf in der maritimen Logistik, weil die Verschiffungsmuster durch die Globalisierung immer komplizierter werden. Exporte und globale Werksverkehre verteilen sich auf immer mehr Routen. Ein Viertel bis ein Drittel der von europäischen Konzernen ausgeschriebenen Containertransporte bezögen sich auf Cross Trades, die Europa gar nicht mehr streifen. »Da sind Häfen in Asien dabei, die wir vor drei Jahren nicht einmal mit dem Finger auf der Karte gefunden hätten«, verdeutlicht Klippel. Gleichzeitig wird der Einkauf immer stärker in den Konzernzentralen in Europa oder Nordamerika zentralisiert und damit fernab der entsprechenden Fahrtgebiete. Dadurch lassen sich zwar Skaleneffekte im Einkauf realisieren, doch müssen zuvor erst mühsam die unterschiedlichen Servicespezifikationen mit den Regionen erörtert werden. »Bespielen der Innenwelt« nennt Klippel das und stellt fest: »Diese Trends entwickeln sich mehr und mehr Richtung Mittelstand.«