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In der Entscheidung vom 02.02.2010 musste sich das Finanzgericht Hamburg (Aktenzeichen: 2 K 147/08) mit diversen, für die Praxis bedeutsamen Fragen beschäftigen:

1. Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei verspätetem Antrag auf Tonnagegewinnermittlung?

2. Welches ist das Erstjahr nach § 5a EStG a.F[ds_preview]?

3. Reicht eine Hilfstätigkeit für die Inanspruchnahme der Tonnagegewinnermitt­lung aus?

4. Werftprovision als Minderung der Anschaffungskosten eines erworbenen Seehandelsschiffs?

5. Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn nicht nur der Betrieb eines Seehandelsschiffs Gegenstand des Unternehmens war, sondern auch der Handel hiermit einkalkuliert wurde?

Die gesellschaftsrechtliche Grundstruktur betraf einen dreigliedrigen Unternehmensaufbau. An der Spitze stand eine A-KG, deren alleinige Kommanditistin seit dem 09.06.2000 die B-KG war, woran sich dann wiederum als alleinige Kommanditistin eine C-Holding KG anschloss. Unternehmensgegenstand der A-KG war u. a. das Betreiben eines Seehandelsschiffs. Jedoch war aufgrund des gerichtlich festgestellten Sachverhalts neben diesem Betrieb auch der Verkauf von Anfang an eine Option. Jede dieser Kommanditgesellschaften stand eine am Vermögen der Kommanditgesellschaften nicht beteiligte GmbH als Komplementärin zur Seite. Alleinige Kommanditistin der A-KG war seit dem 09.06.2000 die B-KG, welche ca. einen Monat vorher, im Mai 2010, als vorbereitender Bereederer mit der Bestellung eines Schiffs durch die A-KG beauftragt wurde. Es sei vereinbart worden, dass die B-KG alles, was sie im Rahmen ihrer Tätigkeit für die A-KG erhalte, an diese herauszugeben habe. Ebenfalls am 09.06.2000 bestellte die A-KG bei der H-Werft in Korea ein Containerschiff. Als Ablieferungstermin für das Schiff war vertraglich der 28.06.2002 oder früher vorgesehen. In 2006 ist das Vermögen der A-KG durch Anwachsung auf die einzige Kommanditistin, die B-KG (die Klägerin in der finanzgerichtlichen Auseinandersetzung) übergegangen. Ebenfalls am 09.06.2000 kam es zu einer Vereinbarung (»Commission Agreement«) zwischen der Werft und der B-KG, wonach die B-KG für ihre Bemühungen im Zusammenhang mit dem Abschluss des Schiffbauvertrags Provision in Höhe von 1.635.000 US$ erhalten sollte. Am 12.07.2000 trat die B-KG ihre Rechte aus dem sog. Commission Agreement an die A-KG ab, da man der Ansicht war, dass die Vermittlungsprovision in Höhe von 1.635.000 US$ wirtschaftlich eine Rückvergütung auf den Kaufpreis des von der A-KG erworbenen Schiffs darstelle.

Am 25.01.2001 schloss die A-KG mit der I Co. Ltd. einen Chartervertrag über eine Laufzeit von zwölf Jahren. In einem Addendum vom 13.06.2002 stimmte der Charterer einer Fortführung des Chartervertrags mit dem Erwerber des Schiffs zu. Mit Vertrag vom 17.04.2001 verkaufte die A-KG das bestellte Schiff zu einem Preis von 61.000.295 US$ an die J-GmbH & Co. KG. Als Übergabetermin wurde der 28.06.2002 vereinbart, also der Ablieferungstermin werftseitig.

Mit Schreiben vom 14.06.2001, also knapp zwei Monate nach Verkauf des bei der koreanischen Werft bestellten Schiffs, beantragte die A-KG, beginnend mit dem Wirtschaftsjahr 2000, die Tonnagegewinnermittlung. Für das Jahr 2000 beantragte sie die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Man ging also selbst davon aus, dass der Antrag für das Jahr 2000 hätte noch in diesem Jahr gestellt werden müssen.

Am 27.02.2002 erfolgte die Kiellegung des Schiffs, welches nach Fertigstellung am 26.06.2002 von der koreanischen Werft an die A-KG übergeben wurde. Nach 2,41 Betriebstagen übergab die A-KG das Schiff am 28.06.2002 an die J-GmbH & Co. KG.

Die Veranlagungen der A-KG erfolgten zunächst antragsgemäß: Unterschiedsbetrag auf den 31.12.1999: 0 €, Tonnagegewinn in den Jahren 2000 und 2001 jeweils mit 0 € und 2002 mit 388,01 € (2,41 Betriebstage). Es kam, wie es kommen musste. Die Betriebsprüfung stand an. Die Tonnage­gewinnermittlung wurde versagt. Der 2000 und 2001 erforderliche Aufwand schlug sich im Verkaufspreis nieder und führte demzufolge im Jahr 2002 im Verhältnis zum ursprünglichen Werftpreis zu einem Gewinn. Die von der B-KG vereinnahmte Vermittlungsprovision wurde bei dieser Gesellschaft ohne Annahme von Sondervergütungen in voller Höhe erfasst. Hiergegen wehrte sich die B-KG als Rechtsnachfolgerin der A-KG vor dem Finanzgericht Hamburg, drang jedoch mit keinem ihrer Argumente durch.

Verspätete Antragstellung zur Tonnagegewinnermittlung für das Jahr 2000 am 14.06.2001

Nach Ansicht des Finanzgerichts hat die B-KG mit Schreiben vom 14.6.2001 ihren Antrag auf Tonnagegewinnermittlung für das Jahr 2000 zu spät gestellt. Nach der maßgebenden Bestimmung für die Tonnagegewinnermittlung a. F. konnte der Antrag auf Anwendung der Tonnagegewinnermittlung mit Wirkung ab dem jeweiligen Wirtschaftsjahr bis zum Ende des zweiten Wirtschaftsjahrs gestellt werden, dass auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem die A-KG durch den Gewerbebetrieb erstmals Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erzielt hat (Erstjahr). Die A-KG hätte also den Antrag noch im Jahr 2000 stellen müssen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand kam nicht in Betracht. Dieser kommt dann in Betracht, wenn jemand ohne Verschulden daran gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der A-KG war es nach Ansicht des Finanzgerichts zuzumuten, sich über den Lauf dieser Frist zumindest Klarheit zu verschaffen. Sie hat somit die Antragsfrist schuldhaft versäumt.

Keine Tonnagegewinnermittlung ab dem Wirtschaftsjahr 2001

Eine Tonnagegewinnermittlung ab dem Jahr 2001 kam nach Ansicht des Finanzgerichts ebenfalls nicht in Betracht, da im Zeitpunkt der Antragstellung am 14.06.2001 die weiteren Voraussetzungen für die Anwendung der Tonnagegewinnermittlung nicht vorlagen. Die A-KG hatte im Rahmen ihrer Ein-Schiffs-Gesellschaft keinen Gewinn erwirtschaftet, der auf den Betrieb von Handelschiffen im internationalen Verkehr entfällt. Nur insoweit komme diese Gewinnermittlungsart in Betracht.

Im Jahr 2001 war das Handelsschiff noch nicht fertig gestellt und konnte demzufolge nicht überwiegend zur Beförderung von Personen oder Gütern im internationalen Verkehr eingesetzt werden. Am 27.02.2002 erfolgte die Kiellegung des Schiffs, welches nach Fertigstellung am 26.06.2002 von der H-Werft an die A-KG übergeben wurde. Am 28.06.2002 übergab die A-KG das Schiff nach nur 2,41 Betriebstagen an den Erwerber.

Der Bauvertrag mit der koreanischen Werft vom 09.06.2000 stellte ein Hilfsgeschäft dar. Als die A-KG jedoch am 14.06.2001 die Tonnagegewinnermittlung beantragte, stand durch Abschluss des Kaufvertrags am 17.4.2001 mit dem Käufer fest, dass sie das Schiff mit einem Übergabetermin 28.06.2002 veräußert hatte und sie es nicht mehr als Handelsschiff im internationalen Verkehr würde einsetzen können.

Eine KG, deren Tätigkeit sich nur auf Hilfsgeschäfte zu einer angestrebten möglichen gewerblichen Tätigkeit erstreckt, kann nicht zur Tonnagegewinnermittlung optieren, wenn im Zeitpunkt der Antragstellung feststeht, dass sie das im Bau befindliche Handelsschiff nicht im internationalen Verkehr betreiben wird.

Werftprovisionen keine Minderung der Anschaffungskosten

Die an die B-KG gezahlte Werftprovision in Höhe von 1.635.000 € ist nicht als Minderung der Anschaffungskosten zu behandeln. Nach Ansicht des Finanzgerichts liegt eine Minderung der Anschaffungskosten durch einen Kaufpreisrückfluss dann nicht vor, wenn eine Geldleistung der Werft (»Commission Agreement«) auf Grund eines gesonderten Vertrags weder in der buchhalterischen Erfassung noch im sonstigen Geschäftsverhalten eindeutig als solche behandelt wird. Die Klägerin sei insoweit ihrer Darlegungslast für das Vorliegen einer Kaufpreisrückerstattung nicht in ausreichendem Umfang nachgekommen.

Werftprovisionen keine Sonderbetriebseinnahmen der B-KG

Die der B-KG gezahlte Werftprovision – Commission Agreement – ist nicht als Sonder­betriebseinnahme im Rahmen der Gewinn­feststellung der A-KG zu berücksichtigen.

Das Finanzgericht geht davon aus, dass der Geschäftsbesorgungsauftrag zwischen der A-KG und der B-KG aus Mai 2000 mit dem Zustandekommen des Schiffbauvertrags am 09.06.2000 seinen Abschluss gefunden hat. Die B-KG sei aber erst mit Gesellschafterbeschluss vom 09.06.2000 Kommanditistin der damals noch bestehenden A-KG geworden.

Soweit die von ihr erbrachte Leistung ggf. mit der Werftprovision (»Commission Agreement«) abgegolten werden sollte, sei die Leistung vor dem Eintritt in die A-KG erbracht worden und kann deshalb nicht ihre Veranlassung in dem Gesellschaftsverhältnis mit der A-KG haben. Es komme hierbei nicht darauf an, dass die Zahlungen erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sind.

Kein begünstigter Veräußerungsgewinn im Jahr 2002

Die Klägerin hat im Jahr 2002 keinen nach §§ 16, 34 EStG begünstigten Veräußerungsgewinn erzielt. Von einer Betriebsveräußerung kann nur dann ausgegangen werden, wenn das veräußerte Schiff nach dem Inhalt der gewerblichen Tätigkeit die wesentliche Betriebsgrundlage war und die werbende Tätigkeit eingestellt wird.

Ein Veräußerungsgewinn liegt nach Ansicht des Finanzgerichts bei einer sogenannten Ein-Schiffsgesellschaft dann nicht vor, wenn die Veräußerung des Schiffs noch vor Kiellegung nicht als die Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlage zu würdigen ist, weil neben dem Betrieb des Handelschiffes auch der Verkauf von Anfang an eine Option für das Unternehmen darstellte und die Geschäftstätigkeit nach dem Verkauf nicht eingestellt, sondern, wie vorstehend der Fall, durch die Übernahme der Baubetreuung fortgesetzt wird.

Die Auflösung der A-KG erfolgte erst 2006. Zwischen dem Verkauf des Schiffs am 17.04.2001 und der Auflösung der Gesellschaft durch Anwachsung 2006 lagen mehr als vier Jahre. Der Gewerbeertrag der Klägerin ist im Jahr 2002 nicht nach § 9 Nr. 3 GewStG um 80 % zu kürzen. Insofern kann auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden. Ergänzend hebt das Finanzgericht nochmals hervor, dass die Aktivitäten der A-KG entsprechend dem nun überwiegenden Geschäftszweck auf den Handel mit Seeschiffen ausgerichtet waren und nicht auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr.

Verfasser: Klaus Voß, Fachanwalt für

Steuerrecht; www.kanzlei-voss.de

Klaus Voß