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Interview mit Hauke Schlegel, Geschäftsführer des VDMA und zuständig für Schiffbau und Offshore

Herr Schlegel, der VDMA nahm bereits zweimal mit einer Delegation an Fachmessen der Offshore-Branche in Brasilien teil. Mit[ds_preview] welchen Erfahrungen und Ergebnissen kehrten Sie von diesen Veranstaltungen heim?

Hauke Schlegel: Zur ersten Delegationsreise des VDMA von 2009 hatten wir vor allem Newcomer eingeladen, also mittelständische deutsche Firmen mit wenig Erfahrung im Südamerika-Geschäft, die den dortigen Markt aus erster Hand kennen lernen wollten. Diese Delegation besuchte Werften in Rio und seiner Nachbarstadt Niteroi sowie die Fachmesse »Brasil Offshore« im Ölhafen Macaé. Obwohl wir damals feststellen mussten, dass sich viele Projekte des wieder-entstehenden brasilianischen Schiffbaus noch in der Ankündigungs- und Entwicklungsphase befanden, kam es schon 2009 zur Auftragsvergabe durch die Reederei Transpetro und einheimische Werften.

Bildeten sich auch Partnerschaften zwischen deutschen und brasilianischen Unternehmen?

H. Schlegel: Ja, wenn auch noch nicht zur Gründung echter Joint-ventures mit deutscher Kapitalbeteiligung. Dafür war es auf brasilianischer Seite entwicklungsmäßig noch zu früh, und das konnte man von einem Erstbesuch unserer Zulieferer eigentlich auch gar nicht erwarten. Immerhin taten sich damals schon mehrere Newcomer mit anderen deutschen Firmen zusammen, die bereits mit eigenen Produktionsstandorten in Brasilien präsent waren, wie zum Beispiel die Voith-Gruppe in Sao Paulo, die ihren Bereich »Maritime Antriebstechniken« derzeit kräftig ausbaut.

Was hat sich zwischen der ersten und zweiten Reise des VDMA aus Ihrer Sicht in Brasilien verändert?

H. Schlegel: Während der Reise von 2010 besuchten wir die Fachmesse »Rio Oil & Gas« sowie eine Reihe der gleichen Werftbetriebe wie im Jahr zuvor. Dadurch war ein konkreter Vergleich des Entwicklungsstandes möglich, und wir beobachteten, dass in nur 12 Monaten zahlreiche Bau- und Ausrüstungsprojekte vom Papier gekommen waren. Wo es 2009 nur Pläne gab, sahen wir 2010 tatsächlich Plattformen, Versorgungsschiffe und Öltanker im Bau. Allerdings liegen die brasilianischen Werften in der Produktivität noch weit hinter Wettbewerbern aus Asien zurück, sodass ihre Ver­kaufschancen vorerst nur im geschützten Heimatmarkt liegen.

Gab es dieses Jahr auch neue Partnerschaften?

H. Schlegel: Während 2009 noch kein Matchmaking zwischen deutschen Interessenten und potenziellen brasilianischen Partnern stattfand, organisierte die Außenhandelskammer in Rio diesmal offiziell eine Kooperationsbörse. Obwohl dem Verband die Einzelergebnisse der dabei stattfindenden Gespräche nicht direkt bekannt werden, zeigen Anfragen brasilianischer Firmen und Organisationen bei uns, die auf der Suche nach deutschen Technologiepartnern sind, dass ein großes Potenzial für Vertriebs- und Fertigungskooperationen zwischen den Unternehmen beider Länder besteht.

Auf welche technischen Spezialitäten konzentrieren sich die deutschen Anbieter in Brasilien heute?

H. Schlegel: Brasilien ist mit einem Export­anteil von 2–3 % für die Zulieferer des deutschen Schiffbaus im Vergleich zu Asien, wohin bis zu 70 % seiner Ausfuhren gehen, vorerst noch ein kleiner Markt, der dafür aber überproportional rasch wächst und auch im kommenden Jahrzehnt noch kräftig an Bedeutung für uns zulegen wird. In der Offshore-Branche wiederum spielt Brasilien bereits heute eine große Rolle, vor allem wegen der technischen Herausforderungen bei der Tiefseeförderung von Erdöl. In beiden Bereichen bestehen für unsere Mitglieder besondere Chancen bei Systemen zur Optimierung des Energieverbrauchs in Schiffen und auf Plattformen, bei Umweltschutzanlagen und Sicherheitsausrüstungen – alles Sparten, in denen die deutsche Industrie mit ihren Technologien weltweit führend ist.

Dr. Lorenz Winter