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Dass es den Containerschiffsreedern zu Jahresanfang nicht gleich gelänge, das Ruder am Chartermarkt herumzureißen, war klar. Die Hoffnung richtet sich auf die Zeit nach dem chinesischen Neujahr.

Im Reich der Mitte feiern die Menschen Ende Januar den Beginn des Jahres des Wasserdrachen. Wenn der Volksglaube ­Recht behält[ds_preview], dann wird das neue Jahr viel Gutes bereit halten. Denn der Drache gilt in Asien als Glücksbringer, und gerade bei Trampreedern und Schiffsinves­toren ­herrscht nach dem trostlosen Jahres­ausklang am Chartermarkt zweifelsohne ein immenses Glücksbedürfnis.

Wie sich durch die nachträgliche Meldung und Bestätigung zahlreicher Abschlüsse herausgestellt hat, sackte das Ratenniveau am Chartermarkt von Mitte Dezember bis Mitte Januar (Stand: 12. Januar) noch etwas tiefer. Laut ConTex belief sich das Minus in diesem Zeitraum auf gut 3 %. Den Markt trennt nicht mehr viel von seinem Tiefstand Ende 2009. Damals konnten Befrachter Trampschiffe fast jeder Größenklasse zu rund 5.000 US$ pro Tag unter Vertrag nehmen – heute erzielen die größeren Einheiten noch 7.000 bis 7.500 US$, in Einzelfällen auch ein paar Tausend Dollar mehr. Da die Befrachtungsaktivität zwischen Weihnachten und dem chinesischen Neujahr für gewöhnlich eher flau ist, dürfte der Abwärtsdruck noch bis Anfang Februar anhalten. »Es wird zwar Geschäft getätigt, aber es passiert nichts Weltbewegendes. Die Raten sind weiterhin niedrig und die Perioden kurz«, fasste ein britischer Makler die Situation Mitte Januar für seine Prinzipale zusammen.

Die deutlich längeren Abschlusslisten, die Mitte Januar unter Maklern kursierten, seien nicht Zeugnis einer entsprechend erhöhten Aktivität. Sie seien lediglich dem Umstand geschuldet, dass viele Charterabschlüsse, die während der Weihnachtszeit oder zwischen den Jahren getätigt wurden, erst mit Verzögerung reportiert worden seien, hieß es. Einen gewissen Anstieg der Aktivität verzeichneten Makler im Mittelmeer und im Atlantik, doch die wichtigsten Bereiche in Fernost hingen weiterhin durch.

Feeder und mittlere Größen dominieren

In den oberen Größenklassen wurden der Relet eines Superpostpanamaxschiffs an Hamburg Süd, zwei Prolongierungen von 4.900-TEU-Schiffen zu der für heutige Verhältnisse ungewöhnlich langen Periode von 24 Monaten bei Mitsui OSK sowie zwei Kurzzeiteinsätze für 3.500- und 4.000-

TEU-Tonnage bei Maersk gemeldet. Die meisten Abschlüsse fanden in den Größenklassen um 1.600/1.700 TEU sowie zwischen 2.500 und 2.800 TEU zu Tagessätzen zwischen 6.500 und 7.500 US$ statt.

In fast allen Regionen herrsche ein Überangebot an beschäftigungssuchenden Schiffen, das für scharfe Konkurrenz unter den Reedern sorgt, hieß es. Anfang Januar war die kurzfristige Verfügbarkeit von Charterschiffen zunächst angeschwollen. Die Marktforscher von Alphaliner zählten Anfang Januar 160 Tramp-Containerschiffe, die entweder in Warteposition lagen oder aufgelegt waren. Hamburger Makler berichteten jedoch schon zur Monatsmitte von einem leichten Rückgang des Spot-Angebots an Containerschiffen.

Als Hoffnungszeichen werteten Makler, dass seit Jahresanfang seitens der Carrier mehr und mehr Anfragen nach Panamax-Schiffen eintrudelten. Meistens drehe es sich um Anliefertermine im Frühjahr, so dass sich die Charterer noch Zeit lassen könnten mit konkreten Abschlüssen. Vergleichsweise eng scheint das Angebot an Schiffen mit einer Behälterkapazität von 4.250 TEU zu sein. In dieser Klasse wurde bei Redaktionsschluss der Hansa mit zwei Dutzend verfügbaren Trampschiffen in der Zeit bis Mitte April gerechnet. Bei einem saisonal üblichen Anstieg der Befrachtungsaktivität nach dem chinesischen Neujahr könnte das Angebot im Panamax-Bereich schnell zusammenschrumpfen und die Raten auf Kletterpartie schicken.

Allerdings herrscht große Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Verkehrsnachfrage. So schlugen die Staatsschuldenkrisen und Konjunkturabkühlung in der Euro-Zone bereits im vierten Quartal 2011 deutlich auf den Containerverkehr durch. Laut dem Datendienstleister Container Trades Statistics sank die Zahl der in Europa einkommenden Boxen aus Asien im November um 5.3 % gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat. Auch die Einkaufsmanagerindizes und weitere Indikatoren für die Euro-Staaten nähren Zweifel, ob die Containerimporte kurzfristig auf den Wachstumskurs zurückfinden werden.

Gerade der westgehende Asien-Europa-Verkehr ist aufgrund der hohen Volumina und langen Transportstrecken aber entscheidend für die Auslas­tung der Weltcontainerschiffsflotte – speziell der Großcontainerschiffe über 10.000 TEU, die dieses Jahr verstärkt abgeliefert werden.

Analysten uneins

Die Spanne der Markterwartungen war selten so breit wie heute. Kurzfristig rechneten die von der Danske Bank befragten Seefrachtspediteure Anfang des Jahres mit einer schwachen Buchungsnachfrage. So zeigt der European Freight Forwarding Index der Bank für Januar und Februar Erwartungswerte von 48 und 40 Indexpunkten, die damit unterhalb der Wachstums-

schwelle liegen.

Die Research-Abteilung der britischen Großbank HSBC malt in ihrem Marktausblick »Global Airfreight & Logistics« ein noch düsteres Szenario und prophezeit für 2012 einen Rückgang der Transportnachfrage im Containerbereich von 4 %. »Die Intra-Asien-, Nord-Süd- und Süd-Süd-Verkehre werden weiter zulegen, aber die Nachfrage auf den wichtigen Asien-Europa- und Transpazifik-Routen dürfte abnehmen«, schreiben die Analysten Robin Byde und Joe Thomas. Neben der zyklischen Schwäche kämpfe die Containerschifffahrt zunehmend mit strukturellen Problemen auf der Nachfrageseite. Das Potenzial für die weitere Containerisierung von Frachtgut sei abgegrast, die globale Vernetzung der Unternehmen mit Lieferanten über weite Distanzen habe ebenso ihren Sättigungspunkt überschritten, heißt es.

Dagegen vertritt der Chef der führenden Seefrachtspedition Kühne + Nagel, Karl Gernandt, die Auffassung, dass die Carrier auch 2012 mit gesunden Wachstumsraten rechnen können. Die Nachfrage seitens der verladenden Wirtschaft nach Stellplätzen könne um 10 % oder mehr zulegen, der weltweite Handel sei trotz Finanzmarktkrise »intakt«, erklärte Gernandt auf einem Forum der Wirtschaftsprüfungsfirma PKF Fasselt in Hamburg.
Michael Hollmann