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Der Untergang der »Titanic« vor 100 Jahren führte zur Neuregelung des Funkverkehrs. Inzwischen wurde der Funkoffizier wieder abgeschafft und ein Piraten-Notruf eingerichtet. Über diese Entwicklungen und die Eroberung der Schifffahrt durch das Internet berichtet Dr. Karl-Heinz Hochhaus

1. Beginn der Kommunikation in der Seeschifffahrt

Mit der allgemein üblichen Abkürzung ITK ist die Informations- und Telekommunikationstechnik[ds_preview] gemeint, die in der Schifffahrt seit der Erfindung der Funktechnologie eine wachsende Rolle spielt.

1.1 Nobelpreise für Marconi und Braun

In »Anerkennung ihrer Verdienste um die Entwicklung der drahtlosen Telegrafie« erhielten Guglielmo Marconi und Ferdinand Braun 1909 den Nobelpreis für Physik. Sie hatten die vor rund 150 Jahren von dem Schotten John C. Maxwell entdeckten Radiowellen praktisch genutzt.

Die Radiowellen wurden von Heinrich Hertz (Abb. 1) bewiesen, der 1888 im Labor­experiment die Übertragung von elektromagnetischen Wellen von einem Sender zu einem Empfänger ermöglichte. Damit waren die Grundlagen zur Entwicklung der drahtlosen Funkübertragung geschaffen. Der Italiener Marconi, der Deutsche Braun und der Russe Alexander Stepanowitsch Popow hatten 1895/96 die Labor­experimente in die Praxis umgesetzt. Sie schufen die ersten praxistauglichen Sender und Empfänger und überbrückten immer größere Entfernungen über Land und auch übers Meer. 1901 wurden erste trans­atlantische Übertragungen möglich – und Marconis drahtlose Funktelegrafie wurde in der Seefahrt fast ein Weltmonopol.

Auf Wunsch von Kaiser Wilhelm II gründeten die deutschen Firmen Siemens & Halske (Ferdinand Braun), die AEG (Adolf Slaby) und Telefunken 1911 mit der belgischen Marconi-Gesellschaft die Deutsche Betriebsgesellschaft für drahtlose Telegraphie (DEBEG), die für den Seefunkverkehr weltweit die Funkstationen der vier beteiligten Unternehmen nutzen konnte [1, 2]. Die älteste Anwendung dieser kabellosen Kommunikation ist der Seefunk, er wurde früh international geregelt und galt als riesiger Fortschritt für die Schifffahrt. Damit konnten die Schiffe per Funk mit anderen Schiffen und Landstationen in Verbindung treten. Diese Kommunikations­technologie wurde in der Schifffahrt nach dem »Titanic«-Unglück vorgeschrieben.

1.2 Folgen des »Titanic«-Untergangs

Am 14. April 1912 gegen 23.40 Uhr kollidierte die »Titanic« im Nordatlantik auf ihrer Jungfernfahrt mit einem Eisberg und sank zwei Stunden und 40 Minuten nach der Kollision. Der Zusammenstoß erfolgte etwa 300 sm südöstlich von Neufundland bei ruhiger See. Die Funkstation bestand aus einem Löschfunkensender mit einer Reichweite von 350 sm von Mar­co­ni’s Wireless Telegraph Company. Sie war mit zwei Funkern besetzt. Es gab kein einheitliches Notrufsignal, es fehlte sowohl eine Standard-Notruffrequenz als auch eine Vorschrift für das regelmäßige Abhören dieser Frequenz. Das war der Grund dafür, dass in der Nähe fahrende Schiffe den

Notruf der »Titanic« nicht oder erst spät hörten und die Hilfe für 1.500 Passagiere zu spät kam.

Als Notrufsignal wurde zu dieser Zeit neben den Buchstaben CQD auch SOS verwendet. Erst nach dieser Katastrophe und noch im Jahr 1912 wurde die Vorschrift erlassen, die Notruffrequenzen immer zur halben Stunde abzuhören (Abb. 2).

2. Heutige Bedeutung der ITK für die Schifffahrt

Der Spezialist des Seefunkdienstes auf Schiffen war lange Zeit der Funkoffizier, der seine Kabine neben dem Funkraum (Abb. 3) hatte. Nach der 1999 endgültig erfolgten Einführung des weltweiten Seenot- und Sicherheitsfunksystems GMDSS (Global Maritime Distress and Safety System) wurde seine Tätigkeit nicht mehr benötigt. Sie wurde aufgrund technischer Verbesserungen und vereinfachter Bedienungen der heutigen Anlagen auf die nautischen Schiffsoffiziere mit entsprechender Zusatzqualifikation verlagert. Diese verfügen neben dem nautischen Befähigungszeugnis über ein Allgemeines Sprechfunkzeugnis für den Seefunkdienst.

Zusätzlich zur ständigen Abhörwache von UKW-­Kanal 16 wird die Brückenwache durch den »Digitalen Selektivruf« (DSC) mit einem akustischen und optischen Signal auf eingehende Anrufe, meist Notrufe, hingewiesen. Die übertragenen Daten erscheinen in Klarschrift auf dem DSC-Controller, werden in einem Speicher des DSC-Controllers abgelegt und können dort nach Bedarf abgerufen werden. Der Kommunikationsbereich ist heute direkt auf der Brücke angeordnet (Abb. 4).

3. Andere Kommunikationsmittel

Die nachfolgend aufgeführten Systeme und Einrichtungen unterstützen die Schiffsbesatzung bei der internen und externen Kommunikation. Sie wurden außerdem für Schiffe, die nach dem 1. Juli 2004 gebaut worden sind, durch Anti-Piraterie-Systeme (Videoüberwachung; SSAS / Ship Security Alert System) ergänzt. Damit soll den Schiffsbesatzungen unter anderem ein verdecktes Alarm­signal (stummer Alarm) ermöglicht werden. Das Signal beinhaltet, dass die Sicherheit des Schiffes bedroht ist, und wird an die Kontaktstelle (PoC / Point of Contact) des Flaggenstaates gesendet. Für die Bundesrepublik Deutschland ist diese Kontaktstelle in Cuxhaven eingerichtet worden.

3.1 Interne Kommunikation

Die Schiffsbesatzung und Passagiere werden von diversen internen Einrichtungen zur Kommunikation unterstützt, die von der automatischen Telefonanlage, Wechselsprechanlage, Durchsageanlage, dem Hospitalruf, der Gemeinschaftsantennenanlage, Satelliten-TV-

Anlage, Unterhaltungsanlage (Radio und TV), dem Personenruf bis hin zu der Typhon­anlage (Abb. 5) reichen. Für Notfälle sind außerdem das batterielose Telefon, der Einschlussalarm des Kühlraums, Alarmanlagen, Feuermeldeanlagen und der Generalalarm vorgesehen.

3.2 Externe Kommunikation

Eine Vielzahl von in [3] beschriebenen Systemen und Einrichtungen unterstützen die nautischen Schiffsoffiziere bei der externen Kommunika­tion. Die rasanten Kostensenkungen der Datenübertragung, die weltweite Abdeckung der Satellitenkommunikation (Abb. 6) und die zunehmende Verbreitung des Internets sind starke Triebkräfte für den schnell wachsenden Einsatz auf Schiffen. Auf Passagierschiffen sorgen der Wettbewerb und die Suche nach neuen Kundensegmenten für die schnelle Durchsetzung. Hier herrschen bezüglich der externen Kommunikation und besonders der Internetanbindung heute vergleichbare Bedingungen wie an Land.

Auch auf einigen Handelsschiffen wurden bereits Zu­gänge über WLAN eingerichtet, um der Besatzung die private Internetnutzung über eigene Laptops zu ermög-

lichen. Die schnelle Verbreitung und erstaunliche Dynamik der Internetdienste, umgangssprachlich oft als das »Netz« bezeichnet, führten dazu, dass auch weitere Mediendienste wie Fernsehen, Radio und Telefon über das Internet erreichbar sind. Diese und andere Neuheiten werden regelmäßig auf der Cebit in Hannover präsentiert (Abb. 7). Die speziell die Schifffahrt betreffenden Innovationen werden auch auf der Fachmesse SMM ausgestellt.

4. Fachausschuss Maritime Kommunikation und IT

Die Schiffbautechnische Gesellschaft (STG) hat 2008 den Fachausschuss Maritime Kommunikation und IT (FA IT) gegründet [4]. Dieser Fachausschuss hat zum Ziel, die schifffahrtsbezogenen Kommunikationsverfahren und Technologien sowie die schiffsgebundenen Informationstechnologien zu fördern, weiterzuentwickeln sowie ein themengebundenes Industrienetzwerk zu schaffen. Die rund 20 Mitglieder und Gäste treffen sich mindestens zweimal jährlich und berichten über die aktuellen Projekte, den Stand der Technik und deren Entwicklungspotenziale.

Schwerpunkte und spezielle Fachthemen werden in ausgewählten Arbeitsgruppen bearbeitet. Der Fachausschuss tritt mit Vortragsveranstaltungen, die entweder auf der jährlichen Hauptversammlung der STG oder als Sprechtag durchgeführt werden, an die Öffentlichkeit. Darüber wird im jährlich erscheinenden STG-Jahrbuch berichtet. Dieser FA IT wird derzeit von Dipl.-Ing. Holger Mahnke geleitet.

5. Zusammenfassung

Hertz hat 1888 den experimentellen Nachweis elektromagnetischer Wellen ­geführt und Marconi, Braun sowie Popow schufen die ersten für die Schifffahrt einsetzbaren Sender und Empfänger zur Überbrückung großer Entfernungen. Die drahtlose Funktelegrafie von Marconi und der DEBEG waren der Beginn der Kommunikation auf dem Meer. So wurde der Beruf des Schiffsfunkers geschaffen, der 1999 mit der Einführung des neuen weltweiten Seenot- und Sicherheitsfunksystems GMDSS wegrationalisiert wurde. Seine Arbeit wird heute von nautischen Schiffsoffizieren erledigt, die dabei von »Automaten und Computern« unterstützt werden. Weitere Fortschritte der internen und externen Infor­-

mation und Kommunikation haben dem Personal auf Schiffen viele Erleichterungen gebracht. Auch die Reederei hat schnellen Zugriff auf technische und wirtschaftliche Informationen der Schiffe. Einen großen Nutzen aus diesen Technologien ziehen besonders die Forschungs- und Kreuzfahrtschiffe, und moderne Passagierschiffe bieten heute in dieser Beziehung den gleichen Standard wie an Land.


Karl-Heinz Hochhaus