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Die HANSA wirft einen Blick auf entstehende und bereits umgesetzte Wertschöpfungs-ketten für LNG als globaler maritimer Kraftstoff. Eine Bestandsaufnahme neuester

Entwicklungen verbunden mit einem Ausblick.
Flüssiggas (Liquified Natural Gas, kurz LNG) findet in der maritimen Branche wachsende Verbreitung. Manche Häfen gehen voran und halten bereits[ds_preview] Kraftstoff in modernen Anlagen vor, andere befinden sich noch in der Phase grundlegender stra­tegischer Ausrichtung. Seit dem 1. Juli dürfen Binnenschiffe in Rotterdam offiziell Flüssiggas tanken, eine Änderung der Hafenverwaltungsordnung macht es möglich. Der Schritt erhebt den Hafen zum ersten Europas, in dem Flüssigerdgas in Einklang mit den Vorschriften gebunkert werden kann. Auch Antwerpen, Amsterdam und Göteborg bereiten sich auf den sauberen Schiffskraftstoff vor. Das Fahrwasser für europäischen und internationalen Betrieb weitet sich. Das ist ganz im Sinn der Europäischen Kommission. Sie fordert, Tankanlagen für Flüssiggas (LNG) in allen großen Häfen der EU einzurichten. Der Vorstoß ist Teil eines ausführlichen Plans zur Verteilung von Tankstationen für alternative Kraftstoffe in Europa. Das Papier sieht vor, Bunkerstationen für LNG in 139 Häfen eines Kernnetzes wichtiger trans­europäischer Achsen (Trans European Core Network) zu verwirklichen. Die für das Projekt gesetzte Frist läuft im Jahr 2020 für Seehäfen und 2025 für inländische Häfen ab, Grund genug, einen Blick auf Vorhersagen zum weiteren Wachstum und jüngst Erreichtes zu werfen.

Eine Bedarfsprognose der Klassifizierungsgesellschaft Det Norske Veritas DNV für die bis 2020 weltweit benötigten LNG-Kapazitäten zeigt eine stark steigende Kurve: Der Bedarf bewegt sich dann in einer Größenordnung von 4 bis 7 Mio. t. Europa einschließlich der Ostsee stellt dabei mit 1,4 bis 2,2 Mio. t Bunkerkapazität den perspektivisch größten Wachstumsmarkt dar, gefolgt von Nordamerika mit 0,9 bis 1,4 Mio. t. Im Mittleren Osten mit Indien (0,3 bis 0,7), China (0,3 bis 0,8) und Japan mit Korea (0,3 bis 0,5) sind untereinander vergleichbare Zuwächse zu erwarten. Südostasiens Bunkerbedarf für LNG rangiert zwischen 0,4 und 0,7 Mio. t. In Australien mit Neuseeland werden demnach 0,1 bis 0,2 und in Südamerika 0,3 bis 0,4 Mio. t nachgefragt. Zum Vergleich: Den Bunkerbedarf für die Europa-Ostsee-Region bezifferte DNV für 2012 mit 0,07 bis 0,09 Mio. t.

Spitzenreiter Europa

Anders gestaltet sich die vorherge­-sagte Verteilung der für 2020 anvisierten 1.000 Schiffe mit LNG-Betrieb auf die geographischen Regionen: Hier steht China mit unter 100 Einheiten an vorletzter Stelle hinter Australien mit Neuseeland. Europa wird indes als Spitzenreiter mit annähernd 400 flüssiggasbetriebenen Einheiten prognostiziert. Offshore-Fahrzeuge, Tanker aber auch Passagierschiffe stellen dabei in drei ähnlich großen Gruppen das Gros der Schiffe. Für die USA mit insgesamt etwas über 200 LNG-Schiffen wird der Offshore-Markt 2020 demnach eine anteilig noch größere Rolle in der Verbreitung dieser Antriebsart spielen als in Europa. In Japan, Korea, Indien und dem Mittleren Osten sieht DNV indes 2020 Tanker in Sachen LNG-Betrieb vorn. Die Infrastruktur wird sich dem Wachstum anpassen, ebenso der rechtliche Rahmen.

Ein Blick auf die in Deutschland angekündigten Projekte zeigt Aufholbedarf. In Rostock und Wilhelmshaven wurden vor einiger Zeit Voruntersuchungen zur Errichtung großer LNG-Lagerkapazitäten durchgeführt – 2016 könnte LNG hier tankbar sein. In Hamburg verkündeten mehrere Akteure Interesse an der Errichtung von LNG-Bunkerkapazitäten. Hamburg Port Authority unterstützt die Initiativen. In Brunsbüttel investiert Gasnor in ein entsprechendes Genehmigungsverfahren. In Lübeck haben die Stadtwerke und die Lübeck Port Authority einen Auftrag des Stadtparlaments erhalten, einen Plan zur Einführung von LNG zu entwerfen. Erste Studien sind hier unter Aufsicht der Stadtwerke und Hafenbehörde ausgeführt worden. In Rostock sind konkrete Maßnahmen bisher ausgeblieben, auch wenn eine Studie des Landes Mecklenburg-Vorpommern sich für eine entsprechende Einrichtung ausspricht. Möglichkeiten, hier einen LNG-Importhafen Gestalt annehmen zu lassen, wurden 2007 untersucht. Untersuchungen laufen auch in Bremerhaven, hier durch BominLinde, wie Bremerports bestätigte.

Skandinavien ist in Sachen mariner LNG-Nutzung weiter: Stockholm bietet Bunker­infrastruktur an, das neue Bunkerfahrzeug »Seagas« der nordeuropäischen Gasgesellschaft AGA AB macht es möglich. Es versorgt von Loudden aus mit dem bereits in Betrieb gegangenen LNG-Terminal in Nynäshamn die Viking Line und deren Kreuzfahrtschiff »Viking Grace«. Die Muttergesellschaft der AGA, die norwegische Linde Group, plant ein weiteres LNG-Import-Terminal an der schwedischen Westküste. Der Betrieb soll dort im Frühjahr 2014 starten. In Norwegen kündigte die niederländische DeMaCo den Bau von Transferanlagen für ein LNG Bunkersystem im Hafen Risavika an. DeMaCo sagte den Bau vakuum­isolierter Leitungen zu, was die benötigte Energie zur Gasverflüssigung verringern wird. Die Einrichtung wird den Fährverkehr zwischen Dänemark und Norwegen versorgen. Ende 2013 sollen demnach drei Viertel der einen Kilometer langen Versorgungsleitungen fertig sein. Das Projekt befindet sich allerdings noch in einem vergleichsweise frühen Stadium.

In den Niederlanden führt Rotterdam die marine Umsetzung von LNG an: Gasunie und Vopak entwickeln ein Verteilerter­minal nahe Gate Terminal, das wiederum Ladezungen für kleine seetüchtige LNG-Tanker zwecks Umschlag zur weiteren Verteilung liefert. Die anfängliche Kapazität beläuft sich auf 12 Mrd. m3 im Jahr. Deen Shipping will 2015 zudem zwei neue Bunkerschiffe für Seeschiffe und Vertrieb zum Terminal im Hinterland vorstellen. Bei beiden Anlagen geht es bereits um Machbarkeit und das konkrete Design.

EU fördert Frankreich

In Frankreich ist Dünkirchen Ziel einer angekündigten EU-Förderung von 1,1 Mill. € zum Bau einer Bunkerstation. Die Anlage wird in der Lage sein, Kraftstoff von einem angrenzenden und bereits im Bau befindlichen LNG-Import-Terminal aufzunehmen. Die Bauten stehen in direktem Zusammenhang zum Trans-European Transport Network (TEN-T) der EU. Fertigstellungstermin ist Ende 2014. In Fos befindet sich ein LNG Terminal einschließlich Bunker noch in den Anfängen. Was hier als traditionelles Konzept für ein Importterminal begann, wird für LNG überarbeitet. Entwickler Fos Faster setzt dabei auf die Ausweitung von LNG in den Mittelmeerraum. Das Projekt gehört zu 90 % Vopak, der Rest Royal Dutch Shell. Die Anlage ist für 8 Mrd. m3 Kapazität im Jahr und auf Zuwachs ausgelegt.

Im Baltikum plant Gazprom laut Geschäftsführer Aleksey Miller ein »grundlegend neues« LNG-Projekt. Das könnte in Ostsee oder Barentsee entstehen, jedenfalls sah Gazprom schon 2004 eine auf 7 Mio. t ausgelegte LNG-Anlage vor, bisher ohne Fortschritt. Gazprom fasst einen Bedarf von 8 bis 10 Mrd. m3 LNG pro Jahr für den Ostseeraum ins Auge. Auch in Tallinn steht die Entwicklung eines Bunkerprojekts am Anfang. Der Hafen gab eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, die EU stellte hierfür Geld aus dem Programm TEN-T bereit. Die finnische Gasnetzfirma Gasum kündigte im November an, drei LNG-Bunkeranlagen für Schiffe im Ostseeverkehr zu errichten.

Außerhalb Europas hat Korea Gas Corporation (KOGAS) den Schritt zur Versorgung mit LNG für Asiens erstes LNG-Passagierschiff »Econuri« in Incheon in der dortigen neuen Anlage erfolgreich getestet. Die Häfen Busan und Pyeongtaek prüft KOGAS auf Tauglichkeit als marine LNG-Standorte. In Singapur fällt der Startschuss für die entsprechende Schiffsversorgung 2015. Mitte dieses Jahres sollen notwendige Lizenzen für Bunkerbetreiber abgeschlossen sein. Am chinesischen Fluss Jangste soll noch Mitte dieses Jahres eine Bunkerstation mit 2.000 m3 Kapazität anfangen, bis zu 20 Schiffe am Tag zu beliefern. In den verkehrsreichen Großen Seen der USA hat Shell sich nach eigenen Angaben Exklusivrechte bei der Interlake Steamship Company gesichert. Interlake will hier 2015 ein erstes Schiff auf LNG umrüsten, das Shell mit einer Kleinanlage in Sarnia, Ontario über eine jährliche Kapazität von 250.000 t versorgen wird. In Geismar, Louisiana, will Shell eine ähnliche Anlage errichten. In Indien könnte eine Pilotanlage im Staat Kerala als Nebenprodukt einer LNG-Importanlage in Puthuvype nahe Kochi entstehen. Petronet LNG Ltd. plant hier ein Terminal für 5 Mio. t im Jahr, doch die Auftragsvergabe verzögert sich noch. Mit Blick auf seegängige Schiffe herrscht somit international noch Raum für die Entwicklung von Bunkerkonzepten.

LNG bietet auch Chancen

Die sich daraus ergebenden vielfältigen Herausforderungen an die Eigner erstrecken sich laut DNV von betriebswirtschaftlichen Kriterien wie Investitionen für langfristige Anlagegüter CAPEX (Capital Expenditure) und Betriebskosten OPEX (Operational Expenditure) sowie kurzfristige Finanzinteressen und Marktmechanismen über Fragen wachsender Regulierung und Versorgungssicherheit bis hin zum Zugang zu Kapital, dem logistischen Anschluss an Straßenverbindungen (Sea-to-road) und zur Frage eines Unfalls mit LNG. Solchen Herausforderungen stehen neue Möglichkeiten, neue Nischen gegenüber. So eröffnen sich Geschäftsmodelle und neue Allianzen. Die Möglichkeit einer Ersterschließung (1st mover advantage) bietet manche Vorteile. Zudem können positive Auswirkungen auf die Betriebskosten kalkuliert werden. Letztlich beeinflusst die Nutzung umweltfreundlicher Technologie auch den Ruf des jeweiligen Unternehmens.


Sverre Gutschmidt