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Die Entwicklung vom ersten Ottomotor zu den Vorläufern des Diesel-motors zeichnet Hans-Jürgen Reuß nach
Die bahnbrechende Erfindung, die zur Motorisierung der Welt führte, war der 1876 in Köln von Nicolaus August Otto geschaffene Viertaktmotor[ds_preview] mit Fremdzün­dung – der Ottomotor. Am Anfang von Ottos Arbeiten an der Verbrennungskraftmaschine stand jedoch lediglich eine Patent­anmeldung für einen Spiritusvergaser, mit dem er den von Etienne Lenoir erfundenen Motor unabhängig vom Gasnetz in den Städten machen wollte. Seine Absicht war es, eine kleine Antriebs­maschine für Ge­werbebetriebe und für Straßenfahrzeuge zu schaffen. In dem Patentgesuch von 1861 heißt es im Zusammenhang mit dem leicht zu beschaffenden und mitzuführenden Kraftstoff: Ottos Gedanken waren, im Gegensatz zu Rudolf Diesel rund 30 Jahre später, nicht auf den Ersatz der Dampfmaschine fixiert. Bei ihm standen das Kleingewerbe und der Fahrzeugantrieb im Vordergrund. Doch selbst mit dem Otto­motor blieb es zunächst bei relativ teuren stationären Antrieben. Die Motoren der ersten Jahre waren zu groß und zu schwer. Darüber hinaus war die Anschaffung für kleine Gewerbebetriebe zu teuer. Vielfach lag die Investition für einen Motor in der Größenordnung der betrieblichen Gesamtinvestitionen.

Erst die Arbeiten von Carl Benz in Mannheim und von Gottlieb Daimler mit Wilhelm Maybach in Cannstatt führten über die von ihnen entwickelten schnelllaufenden Ottomotoren zum Fahrzeugantrieb, wie er heute allgemein bekannt ist. Beide Erfinder werden gemeinhin nur als die Väter des Automobils gesehen, bei Daimler denkt man vielleicht noch an das erste Motorrad.

Der Gedanke, mit beiden Schiffsantriebe zu verbinden, taucht wohl selten auf. Doch stehen beide nicht nur am Anfang des Automobils, sondern auch am Anfang der Motorschifffahrt. Belege hierfür sind außer den Patenten, die beiden 1886 erteilt wurden, und die einen unmittelbaren Bezug zum Schiffsantrieb haben, auch die von ihnen im selben bzw. im Folgejahr in Betrieb genommenen Motorboote.

Das Benz & Co. in Mannheim am 29. Januar 1886 vom kaiserlichen Patentamt erteilte DRP 37435 schützte Carl Benz und seinem Unternehmen ein Der Gasmotor war in diesem Fall ein Ottomotor, der im Viertaktverfahren arbeitete. Der in der Frühzeit der Verbrennungsmotoren vielfach benutzte Be­griff »Gasmotor« bezieht sich darauf, dass diese Motoren überwiegend als stationäre Antriebe im Einsatz waren und mit Stadtgas als Kraftstoff betrieben wurden. Sollten sie unabhängig von der Gasversorgung der Städte betrieben werden, benötigten sie einen »Vergaser«, um flüssige Kraftstoffe, wie man damals glaubte, zu vergasen, bevor sie im Motor verbrannt werden konnten.

»Fahrzeuge« waren für Benz nicht nur Fuhrwerke, sondern auch Schiffe. In der Einleitung zum Patent heißt es folglich auch:Völlig unabhängig von Benz erhielt Gottlieb Daimler am 9. Oktober 1886 das DRP 39367 erteilt, das schon ein spezifisches Patent für den Schiffsantrieb war. Es schützte ihm eine Schon im August jenes Jahres hatte Daimler mit Wilhelm Maybach die ersten Probefahrten mit einem Motorboot auf dem Neckar ausgeführt.

Auch wenn Benz mit seinem ersten Boot erst 1887 Probefahrten im Mannheimer Hafen machte, markieren dennoch die Patente und die ersten Boote beider Erfinder den Beginn der Motorisierung der Schifffahrt. Beide benutzten den einzigen entwicklungsfähigen Motor, den Ottomotor.

Die Anfänge im Spiegel der HANSA

1887, dem 24. Jahrgang der HANSA, die damals zweiwöchentlich und immer sonntags mit dem Untertitel »Zeitschrift für Seewesen« erschien, waren Verbrennungskraftmaschinen noch kein Thema. Die Dampfmaschine beherrschte voll das Interesse der Leser, und so kommentierte die Redaktion Zahlen des Statistischen Amtes in Berlin zu die zu dieser Zeit mit der von 1 Mrd. Menschen gleichzusetzen waren.

Die Bevölkerung der Erde wurde mit rund 1,5 Mrd. angesetzt, die der arbeitenden Menschen mit ca. 500 Mio. In Deutschland gab es 39.000 Dampfmaschinen, rund 10.000 Lokomotiven und ca. 1.700 Schiffs­kessel. In entsprachen alle Dampfmaschinen Deutschlands etwa 4,5 Mio. PS. Ausgehend von weltweit 46 Mio. installierten Dampf-PS heißt es 1887 in der HANSA:

Zur Eröffnung des Hamburger Freihafens am 15. Oktober 1888 kam nicht nur Kaiser Wilhelm II. nach Hamburg, sondern mit Gottlieb Daimler und seinem Sohn Adolf auch das erste Motorboot. Daimler war aus diesem Anlass in die Hansestadt gekommen, um sein Boot namens »Die sieben Schwaben« vorzuführen. Das 7 m lange Holzboot hatte als Antrieb einen Daimler-Motor mit einer Leistung von 2 PS. Als erstes Hamburger Unternehmen bestellte Canel & Sohn, damals Hersteller von Segeltuch und Tauwerk, ein ebenfalls mit einem 2-PS-Motor von Daimler ausgerüstetes Motorboot bei der Werft Ed. Höpner auf Steinwärder. Die Form dieses Bootes gilt als der Urtyp des Hamburger Hafenbootes, wie er viele Jahre mit unterschiedlicher Motorisierung gebaut wurde.

Schon 1889 hatte die HANSA einen kurzen Bericht über zwei »Benzinboote« gebracht, die auf der Bootswerft Rettig in Berlin gebaut worden waren und bei Fahrten auf der Oberspree erregten. Zum Antrieb heißt es: Und weiter:

Zu den gehörten unter anderem die von dem deutschen Ingenieur Emil Capitaine konstruierten Pe­troleummotoren, für die Anfang der 1890er-Jahre besonders das Hamburger Unterneh-

men Carl Meissner in der HANSA warb. Hersteller der Motoren war zunächst J. M. Grob & Co. in Leipzig, Meissner und lieferte darüber hinaus Umsteuereinrichtungen und alles andere Zubehör. Grob stellte mit großem Erfolg Capitaine-Motoren mit Leistungen bis zu 15 PS her.

Wie der HANSA zu entnehmen ist, war das Unternehmen bis 1892 Lizenznehmer von Capitaine. Ab 1893 produzierte Ph. Swiderski, ebenfalls in Leipzig, Capitaine-Motoren. Meissner blieb weiter deren Generalvertreter. Offenbar unabhängig von Capitaine baute Grob weiter Petroleummotoren und warb für sich als Vertreter von Grob wurde im Laufe des Jahres 1894 Jul. Kern jr. mit am Hamburger Rödingsmarkt.

Vermutlich hatte es anfangs einige Unfälle auf Booten gegeben, die mit Ottomotoren und Benzin betrieben wurden. In der Werbung für die Petroleummotoren von Capitaine hieß es zum Beispiel und . Darüber hinaus wurde ausdrücklich darauf hingewiesen: . Doch es gab auch Unterschiede zwischen den Petroleummotoren, die zunächst noch keine Glühkopfmotoren waren. Und so lieferten sich Grob und Daimler Anfang der 1890er-Jahre eine harte Konkurrenz, die sich besonders im Winter, bei Dauerfrost und starkem Eisgang auf der Elbe, auswirkte. So ist in der HANSA über zu lesen, wobei es vordergründig darum ging, welches in der Lage war, bei den gegebenen Einsatzbedingungen überhaupt noch eine Barkasse bewegen zu können.

Im Winter 1892/93 mussten die meisten Motorbarkassen ihren Dienst einstellen, man setzte wieder Dampfbarkassen ein. Die einzige Motorbarkasse, die auch die Dampfbarkassen übertraf, war eine von Meissner 1891 gelieferte Barkasse namens »John Riecken«, die auf der Werft von F. Lemm in Boitzenburg gebaut und mit einem Capitaine-Motor ausgerüstet worden war. Bei diesem Motor konnte, wie es an anderer Stelle heißt, die Lötlampe sogar längere Zeit abgeschaltet bleiben. Abgesehen vom Verhalten im Eis sah das Ergebnis des Wettkampfes in Zahlen ausgedrückt so aus:

Die technischen Unterschiede lagen vor allem bei einer zuverlässigen Zündung der Motoren. Dazu musste während des Motorbetriebs ein mit einer Lötlampe in Rotglut gehaltener Verdampfer nicht nur das im Vergleich zu Benzin schwer flüchtige Petroleum verdampfen, sondern auch das verdichtete Kraftstoff-Luft-Gemisch entzünden. Im Gegensatz zu den Glühkopfmotoren war es je nach Kon­struktion nicht oder nur für begrenzte Zeit möglich, auf die Lötlampe während des Motorlaufs zu verzichten. Der Verdampfer dieser Petroleummotoren konnte zunächst nicht über den Verbrennungsprozess im Motor auf Temperatur gehalten werden.

1893 berichtete die HANSA über einen neuen Motor von Capitaine, gebaut bei Swiderski, bei dem es sich um gehandelt haben soll, der wohl auch eine Regeleinrichtung für die Zündung erhielt. Weiter heißt es dort:

Die Einführung der Verbrennungsmotoren muss so erfolgreich und trotz aller Warnungen bezüglich der Gefahren im Umgang mit den Kraftstoffen so überzeugend gewesen sein, dass außer Motorbarkassen und -kähnen für den Hafenbetrieb auch erste größere Schiffe damit ausgerüstet wurden. So entstand in Wewelsfleth ein Ewer mit einem 10-PS-Motor von Grob, der für Fahrten zwischen Hamburg und Föhr eingesetzt wurde. Auch die Bedenken, dass das zur Kühlung benutzte Seewasser die Motoren unbrauchbar mache, konnten zurückgewiesen werden, da und der im Kühler entstehende Schlamm leicht abgelassen werden könne.

Ein Verbrennungsmotor allein führt aber noch nicht zu einem brauchbaren Schiffsantrieb. Auf jeden Fall wird eine Vorrichtung benötigt, um die Fahrtrichtung umkehren zu können. Das zeigten schon die ersten Patente von Gottlieb Daimler und Carl Benz hierzu. Bei Daimler war es, wie oben erläutert, das DRP 39367 von 1886 und bei Benz das DRP 46612 vom 9. August 1888 über eine Wie beschrieben, warb Carl Meissner in der HANSA regelmäßig für seine Umsteuervorrichtungen, die, von dem Maschinenbauer Heinrich Plate verbessert, sehr erfolgreich verkauft wurden.

Selbst die Kaiserliche Werftverwaltung in Kiel und die Königliche Strombau-Verwaltung bestellten Meissners Umsteuerungsanlagen unter anderem für Inspektionsbarkassen. So konnte die HANSA berichten: Neben Meissner trat Kapitän Max Weihe mit einer Erfindung an die Öffentlichkeit, über die 1893 berichtet wurde. Er hatte mit seiner Patent-Drehflügelschraube, wie der Verstellpropeller damals genannt wurde, den Verstellmechanismus vereinfacht und ihn voll in die Propellernabe verlegt. Nach seinem Patent erfolgte die Verdrehung der Flügel mithilfe einer in der hohlen Propellerwelle liegenden Zahnstange und verzahnten Flügelenden. Da die Propeller­welle die Nabe nicht in deren voller Länge durchdrang, war in der Nabe genügend Raum für die weit hineingeführten Flügelenden mit Stirnzahnrädern am Ende. Die HANSA schrieb: Weihe warb ab 1894 in der HANSA für Motorboote und natürlich für seine Patent-Schiffsschraube (gemäß DRP 65064 vom 19. Dezember 1891.

Die HANSA-Jahrgänge 1894 und 1895 spiegeln mit intensiver Werbung die Veränderungen am Markt der Petroleummotoren und entsprechender Boote und Barkassen. So finden sich zahlreiche Anzeigen von Grob, Jastram, Meissner und Weihe. Interessant sind dabei einzelne Hinweise in den Anzeigentexten. Meissner bietet zum Beispiel die Motoren von Swiderski an. Darüber hinaus wirbt er für und gibt als Referenz unter anderem die Biologische Station Helgoland an. Grob kann jetzt Motoren bis 30 PS liefern und stellt besonders heraus, dass es sich nicht um Schnellläufer handele. Ein 10-PS-Motor von Grob lief damals gerade mal mit einer Drehzahl von

280 min-1 und hatte dabei eine Kolbengeschwindigkeit von 2,15 m/s.

Unter der schlichten Überschrift brachte die HANSA 1897 einen ersten Übersichtsbeitrag zur Einführung der Motorboote im Hamburger Hafen, der hier im vollen Unfang nachgedruckt wird, da er über manche Details Aufschluss gibt:

»Motorbarkassen

In Deutschland galt die unter Bismarck nach der Reichsgründung 1871 eingeführte einheitliche Goldwährung und damit als Rechnungseinheit die Goldmark mit einer Unterteilung in 100 Pfennig. Abgesehen von den kleinen Münzen aus Nickel und Kupfer gab es Silbermünzen zwischen 20 Pfennig und 5 Mark sowie Goldmünzen mit dem Wert von 10 und 20 Mark, die Krone und die Doppelkrone. Das im Umlauf befindliche Geld bestand damals überwiegend aus Münzen. Papiergeld gewann erst im Laufe der Zeit an Bedeutung. Bei einem Kaufkraftvergleich zwischen der Goldmark und dem Euro ergibt sich für die Jahre 1900 bis 1912 ein Wert von etwa 10 € für 1 Mark. Damit hatten die hochmotorisierten Barkassen in heutiger Währung einen Wert von rund 120.000 €.

Aus der Motorisierung der Barkassen im Hamburger Hafen entwickelte sich auch der Export von Barkassen und anderen Motorbooten, wobei in den verschiedenen Berichten von 1897 wiederum Daimler-Boote und von Meissner mit Swiderski-Motoren ausgerüstete Boote im Vordergrund standen. Carl Meissner muss hervorragende Beziehungen nach Russland gehabt haben, denn er lieferte zahlreiche Motorboote unter anderem auf Bestellung der russischen Regierung von Hamburg über St. Petersburg nach Russland, nachdem sie von einem Inspektor des Bureau Veritas abgenommen worden waren. Darüber hinaus gingen seine Boote nach Borneo und Monrovia. Die Oberfischmeisterei von Stralsund erhielt als Inspek­tionskutter ein Schwesterschiff der Biologischen Station Helgoland.

Auch Daimler-Boote gingen nach Übersee, zum Beispiel eingerichtet für Personen- und für Schleppfahrt. Das dänische Konsulat in Alicante bestellte ein mit einem 1-PS-Motor für den Hafendienst. Bei Höpner auf Steinwärder waren zu dieser Zeit gleich mehrere Boote für den Hafendienst in Hamburg im Bau. Die Werft G. C. Jensen, ebenfalls auf Steinwärder, baute für die »Internationale Tractat-Gesellschaft« ein Missionsboot für den Hamburger Hafen mit Daimler-Motor. Wie die Ankündigungen verschiedener Boote mit Motoren von Daimler zeigen, blieb der Ottomotor mit Benzinbetrieb auch gegen Ende der 1890er-Jahre unverändert eine starke Konkurrenz zu den Petroleummotoren verschiedener Bauart.

Der Hamburger Vertreter der Daimler-Motoren-Gesellschaft bevorzugte noch im Jahr 1906 Ottomotoren als Antrieb der von ihm zu liefernden Boote und pries deren Vorteile gegenüber Petroleummotoren, vor allem der aus Dänemark stammenden Motoren, die nach seiner Aussage nur mit einer bestimmten amerikanischen Qualität von Petroleum betrieben werden konnten, die nicht überall zu bunkern war.

Jedenfalls ist seine Statistik über die Verkäufe zwischen 1899 und 1906 beeindruckend: insgesamt 329 Daimler-Boote, davon rund 100 Behördenschiffe, fast 150 für Gewerbetreibende und Privatleute, 24 Fähren und fast 60 Boote für verschiedene Gesellschaften und Genossenschaften. Dies waren Passagier-, Schlepp-, Sport-, Luxus- und Behördenfahrzeuge bis zu 30 m Länge, angetrieben von Motoren.

Interessant ist der Hinweis des Daimler-Vertreters: , auch nicht, wenn man diese Motoren mit der besten Umsteuerung verwendet. Weiter war er ausdrücklich um die Sicherheit und Seetüchtigkeit der Boote bemüht und unterschied deutlich zwischen Motoren für Sportboote mit hohen Drehzahlen und Berufsfahrzeugen für den Transport von Fracht oder Personen, die.

Ausgehend von der Entwicklung und den Erfolgen im Automobilbau, sah die HANSA um 1906 keine Probleme für den , die sich inzwischen zu einem »entwickelt hatten. Für die von Siemens gebauten Motorboote mit elektrischem Antrieb sah die Redaktion sogar eine vielversprechende Zukunft.

Siemens hatte schon früh mit der Einführung der Elektrotechnik in den Schiffbau begonnen. Nach der Entdeckung des elek­trodynamischen Prinzips suchte das Unternehmen nach immer neuen Anwendungen für den Elektromotor, darunter auch für den Schiffsantrieb. Werner von Siemens bestellte bereits 1886 bei der Werft von R. Holz in Harburg an der Elbe, damals noch kein Stadtteil von Hamburg, ein 11,25 m langes und 2,00 m breites Boot, das 30 Personen befördern konnte. Als Antrieb erhielt es eine mit einer Leistung von etwa 4,5 kW, die aus Akkumulatoren gespeist wurde. Das Boot bekam den Namen »Elektra« und konnte mit seiner Höchstgeschwindigkeit von 12 km/h drei Stunden fahren.

Eine Meldung in der HANSA von 1907 zu Elektrobooten hatte einen besonderen Hintergrund: Siemens lieferte in dem Jahr die elektrischen Antriebe für 110 Lastkähne zum Transport von Ziegeln auf der Havel. Insgesamt hat Siemens in einem Zeitraum von rund 50 Jahren über 200 elektrische Propellerantriebe für Schiffe unterschiedlicher Größe geliefert.

Von Anfang an spielten Verbrennungsmotoren neben dem Antrieb kleiner Wasserfahrzeuge für den Hafendienst und die Binnenschifffahrt im weitesten Sinne eine große Rolle als Hilfsantrieb für Segelschiffe aller Art, denen die Dampfschiffe große Konkurrenz bereiteten. Dampfmaschinen waren als Hilfsantrieb, besonders wenn es sich um kleine Fischereifahrzeuge handelte, keine Lösung; Verbrennungsmotoren waren jedoch neben anderen Vorzügen gegenüber der Dampfmaschine vor allem klein genug, um in vorhandene bzw. konstruktiv vorgegebene Räume eingebaut zu werden. Einziges Problem blieb die Umsteuerung. Aber das war mit den Konstruktionen von Meiss­ner und Weihe frühzeitig gelöst worden.

Grundsätzlich spielte die Frage, ob Otto- oder Petroleummotor, keine entscheidende Rolle für den Hilfsantrieb eines Segelschiffes. Doch überwogen, wie die HANSA berichtete, die Petroleummotoren, da bei den Schiffen mit hölzernem Rumpf die Ver­sicherungsgesellschaften höhere Prämien beim Einsatz von Ottomotoren mit Benzinbetrieb verlangten.

So ließ der Deutsche Seefischerei-Verein 1903 in Dänemark auf seine Kosten drei Finkenwerder Fischkutter mit Verbrennungsmotoren ausrüsten. Diese Schiffe soll­-

ten in einem einjährigen Versuchsbetrieb den Nachweis erbringen, ob mit Motoren ausgerüstete Fischereifahrzeuge unter Berücksichtigung der erhöhten Betriebskosten ihre Wirtschaftlichkeit ausreichend steigern können. Ausgewählt hatte man einen großen (H.F. 12) und einen kleinen Kutter (H.F. 164) sowie einen Ewer (H.F. 211). Als Motorleistungen waren noch bescheidene 16, 12 bzw. 8 PS vorgesehen.

Das Motiv für diesen Versuch lag darin, Für die Schollenfischerei sah man dann noch den Vorteil, dass der Fang schneller eingebracht und damit mehr Fangreisen möglich wären. Da die Motorleistungen sehr gering waren, sah man bei schwerem Wetter keinen Nutzen im Motor. Dazu heißt es wörtlich:

Die Betrachtungsweise der Fischer stimmt auch mit der von Eignern großer Segelschiffe überein. Die Dampfmaschine mit ihrer Kesselanlage kam für diese Schiffe, von Ausnahmen abgesehen, nicht in Frage. Doch

die Verbrennungsmotoren mussten erst ein Leistungsvermögen erreichen, das deutlich über die Leistungen hinausging, welche für Hafenfahrzeuge angeboten wurden. In diesem Zusammenhang hatte die HANSA bereits 1892 berichtet: Wie die HANSA im Jahr 1905 berichtete, hatten sich Hilfsantriebe von Segelschiffen mit Petroleummotoren seit ihrer Einführung um 1890 so gut bewährt, dass allein mit der Segelschraube von Meissner bis dahin mehr als 100 Hochsee- und Fischereifahrzeuge mit Hilfsmotoren ausgerüstet wurden. Die Leistungen der Motoren reichten dabei schon bis zu 150 PS, selbst wenn für Dreimastschoner und andere ähnlich große Segelschiffe nur Leistungen zwischen 60 und 80 PS gefordert wurden. Um ein Segelschiff in engem Fahrwasser und im Hafen sicher manövrieren zu können, galt eine Motorisierung mit 1 bis 1,5 PS pro BRT für ausreichend. Das entsprach in etwa einem Drittel der Antriebsleistung von Dampffrachtschiffen.

Obwohl der weiteren Entwicklung der Petroleummotoren noch größere Leistungen zugetraut wurden, fragte man sich, ob Leistungen über 100 PS hinaus nicht besser mit Diesel- oder Gas-Ottomotoren zu erbringen seien. Was zu dieser Zeit fehlte, war die allgemein anerkannte Betriebssicherheit der »neuen und starken« Motoren. In der fehlenden Umsteuerbarkeit der Motoren wurde kein Hindernis gesehen, weil die Fachwelt davon ausging, dass die Schrauben von Meissner und Weihe auch große Leistungen übertragen können und Umsteuern somit kein zusätzliches Problem bot.

Erstaunlich spät ist es zur Herausgabe von Vorschriften für den Bau von Motorbooten gekommen. Obwohl das Bureau Veritas schon regelmäßig die von Carl Meiss­ner nach Russland zu liefernden Boote abgenommen hatte, gab es keine allgemein gültigen Vorschriften. So hieß es in der HANSA vom 2. März 1897: Die Frage, ob als Hilfsmaschine von Großseglern einer Dampfmaschinenanlage oder einer Dieselmotorenanlage der Vorzug zu geben wäre, warf Professor Walter Laas, dessen Lehrfach an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg Schiffselemente, Werfteinrichtung und Werftbetrieb umfasste, erstmals in einem ausführlichen Beitrag mit Vergleichsrechnungen in der HANSA vom 9. November 1907 auf. Er knüpfte damit an eine Veröffentlichung der Deutschen Seewarte über die ersten Reisen der Fünfmastbark »R. C. Rickmers« an, welche eine Dampfmaschinenanlage mit einer Dreifachexpansionsmaschine von 1.160 indizierten PS, netto also knapp 930 PS, hatte. Aufgrund einer Vergleichsrechnung mit einem reinen Segelschiff gleicher Größe ergab sich für die Seewarte eine Verkürzung der Reisen um 25 %, was ihr zu gering erschien. Laas war bei Vergleichsrechnungen dieser Art sogar nur von Verkürzungen der Reisen um 20 % ausgegangen. Nun machte er eine in gewisser Weise provozierende

Vergleichsrechnung unter der Überschrift auf und setzte der Dampfmaschinenanlage der »R. C. Rickmers« eine Motorenanlage mit zwei Dieselmotoren entgegen, von denen jeder eine Wellenleistung von 450 PS haben sollte, das Vergleichsschiff also in der Summe etwa eine Leistung hatte, die der Dampfmaschine entsprach.

Wie aus heutiger Sicht nicht anders zu erwarten, fiel der Vergleich in nüchternen Zahlen ausgedrückt voll zugunsten der Dieselmotorenanlage aus. Laas schloss dann seinen Beitrag wie folgt: Und weiter: Dieser Beitrag von Laas hat zu einer fast unendlichen Geschichte geführt, indem bis weit in das Jahr 1908 hinein Darstellungen und Gegenhaltungen sich in den HANSA-Ausgaben abwechselten. Da die Zeit der Segelschiffe auch mit Hilfsmotoren nicht zu verlängern war, müssen die Einzelheiten hier nicht vertieft werden. Festzuhalten bleibt, dass auch die Motorisierung großer Segelschiffe ihren Anteil an der Geschichte der Motorisierung der Schifffahrt hatte. Doch der Dieselmotor war 1907 als Schiffsantrieb noch weitgehend unbekannt und konstruktiv noch nicht auf die Einsatz­bedingungen der Schifffahrt ausgebildet.

Darüber täuschen auch die Ansätze zur Motorisierung von Schiffen in der Schweiz, in den Niederlanden und in Russland nicht hinweg. Außerdem waren bis zu diesem Zeitpunkt alle Unternehmen, die Diesel­motoren herstellen wollten, von Diesels Hauptpatent abhängig. Erst nach dessen Ablauf entfaltete sich rasch bei vielen Maschinenfabriken eine unabhängige Entwicklung des Motors, da keine Lizenzgebühren mehr zu zahlen waren. Die Gas-Ottomotoren hatten nach der Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg nur eine geringe Bedeutung als Schiffsantrieb und wurden schließlich vom Dieselmotor technisch überholt.

Autor: Hans-Jürgen Reuß

Fachjournalist, Hamburg

mail@pr-reuss.de


Hans-Jürgen Reuß