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Im Interview mit der HANSA spricht , Karl Morgen Geschäftsführer

von WTM Engineers, über die Tätigkeitsfelder und Projekte seines Unternehmens und allgemeine Trends im Bauingenieurwesen
Herr Morgen, auf welche Projekte bewirbt sich WTM Engineers?

Karl Morgen: Einer unserer Schwerpunkte liegt im konstruktiven Wasserbau[ds_preview]. Bei den Aufträgen der öffentlichen Hand, dazu zählen Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen und Hafenverwaltungen, erfolgt die Vergabe in sogenannten VOF-Verfahren (Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen). Ab einem Auftragswert von rund 200.000€ muss jeder Planungsauftrag europaweit ausgeschrieben werden. Bei kleineren Aufträgen lohnt sich der Aufwand sowohl für Auftraggeber wie Auftragnehmer nicht. Ausnahmen sind Noteinsätze. Wenn z. B. ein Schiff einen Schaden an einem Bauwerk verursacht hat und Gefahr im Verzug ist, muss dieser natürlich sofort repariert werden.

Weiterhin gibt es natürlich auch private Auftraggeber. Am Oberrhein haben wir ein Terminal für kombinierten Verkehr für DP World, einen privaten Auftraggeber aus Dubai, geplant. Auf Empfehlung von DP World haben wir vom Logistikunternehmen Frankenbach den Auftrag erhalten, in Mainz ein komplett neues Terminal zu planen, mit Kranen, Kaimauern und Flächenbefestigungen. Private Auftraggeber können frei beauftragen. Dafür bedarf es keines förmlichen Verfahrens.

An welchen Projekten im Bereich Wasserbau wirken Sie aktuell mit?

Morgen: Auf nationaler Ebene sind wir zurzeit an über zehn Schleusen in Deutschland entweder als Planer oder als Prüfingenieure aktiv. In unserem Land hat es sich bewährt, dass Berechnungen, die von einem Planungsbüro erstellt werden, von zugelassenen Prüfingenieuren unabhängig kontrolliert werden. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil des Sicherheitskonzeptes. Es wird auf Wirtschaftlichkeit, Machbarkeit und Richtigkeit geprüft. Unser Unternehmen ist für solche Aufgaben zugelassen. Bei den Schleusen sind Sanierungen, Ersatzbauwerke oder Verlängerungen der bestehenden Bauwerke erforderlich.

Ein großes Projekt, welches wir derzeit bearbeiten, ist der Marinehafen in Wilhelmshaven. Da die Kaimauern infolge mikrobieller Korrosion durchgerostet sind, werden dort neue Uferwände errichtet. Weiterhin planen wir eine Uferwand auf Helgoland. Ferner hat uns die Hamburg Port Authority (HPA) mit mehreren Projekten beauftragt, darunter die Westerweiterung von Eurogate. Zudem sind wir in den Küstenschutz eingebunden und haben u. a. an der Ostsee den naturnahen Küstenschutz in Scharbeutz entworfen. Dieser beinhaltet die Planung und den Bau einer Spundwand mit einer Betonwand, die mit Strandhafer begrünt wird. Des Weiteren steht bei uns das Thema Offshore im Fokus. Diesbezüglich arbeiten wir als Planer, Zertifizierer sowie als Bauüberwacher auf See.

International sind wir in das Projekt Fehmarnbelt-Querung involviert. Dort soll ein rund 18km langer Unterwassertunnel errichtet werden. In New York beschäftigen wir uns gerade mit dem Flutschutz für den Neubau des Whitney Museum of American Art. Und in Israel prüfen wir aktuell drei neue Containerhäfen in Haifa, Ashdod und Eilat.

Was sind die heutigen Herausforderungen im Wasserbau und wie wird die zukünftige Entwicklung in diesem Bereich aussehen?

Morgen: Die Herausforderungen in der Vergangenheit waren primär technischer Natur, also wie sich etwas planen, berechnen und bauen ließ. Mittlerweile hat sich die Technik so weit entwickelt, dass diese Fragen nicht mehr im Vordergrund stehen.

Bei den heutigen Planungsaufgaben stehen vor allem ökologische Fragen wie Umweltschutz, Lärmschutz, Flora-Fauna-Habitat-Richtlinien sowie »Green Ports« im Mittelpunkt des Interesses. Die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit werden uns in Zukunft mehr beschäftigen. Das reicht bis zu bestimmten Baumaterialien, die nicht mehr verwendet werden dürfen.

Die Genehmigungsverfahren müssen wir ebenfalls intensiver begleiten. Es geht primär um die Frage: Wie bekomme ich Projekte genehmigt und wie gelingt es, auch bei der Bevölkerung für Akzeptanz und Notwendigkeit dieser Projekte zu werben? Ich glaube, beim Thema Informationspolitik müssen wir alle noch dazulernen.

Wie sollte eine verbesserte Informationspolitik aussehen?

Morgen: Bei diesem Thema sind alle gefordert. Das reicht von den Politikern über die Ingenieure bis hin zu den Journalisten. Es wird häufig nur über die negativen Dinge berichtet. Dass es genügend positive Projekte gibt, die in der vorgegebenen Zeit und im Kostenrahmen fertiggestellt werden, kommt fast gar nicht zur Sprache. Auch wir Ingenieure müssen lernen, Projekte darzustellen und sie gegenüber einer kritischen Öffentlichkeit zu vertreten und zu positionieren.

Zudem sollte ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden. Andere Länder haben für Projekte, die für die Wirtschaft von großer Bedeutung sind, eine deutlich positivere Mentalität entwickelt. Die Menschen dort sehen und verstehen, dass davon gewissermaßen ihre Zukunft abhängt. Wenn hierzulande der Staat eine Entscheidung z. B. für den Bau einer Autobahn fällt, sind häufig erst einmal alle dagegen. Dass ein sinnvoller Nutzen dahinter steht, wird im ersten Ansturm der Entrüstung ignoriert. Darüber hinaus dürfen die Verwaltungsverfahren nicht so lange dauern.

Viele Branchen haben Probleme, Nachwuchskräfte zu bekommen. Ist das bei den Bauingenieuren auch so?

Morgen: Auch wir haben Nachwuchsprobleme, denn es mangelt vor allem an Bauingenieuren. Von der Bauindustrie gibt es Zahlen, die besagen, dass bis zu 5.000 Ingenieure jährlich fehlen. Es ist gegenwärtig nicht abzusehen, wann Besserung eintritt, denn es studieren noch immer zu wenige Schulabgänger Bauingenieurwesen. Meiner Meinung nach spielen bei der Berufswahl mehrere Faktoren eine Rolle: Der Job muss attraktiv sein, das Studium sollte nicht zu schwierig sein, der Beruf muss ein gesellschaftliches Ansehen haben und man muss hinterher sein finanzielles Auskommen haben.

Dies alles trifft nicht unbedingt auf den Beruf des Bauingenieurs zu. Das Studium ist nicht einfach, und bezüglich der Bezahlung sind die Bauingenieure in der Ingenieurkette am unteren Ende angesiedelt. Zudem fehlt den Bauingenieuren die Anerkennung in Deutschland. Viele Bürger können sich unter dem Beruf nur wenig vorstellen. Dass wir sozusagen die gesamte Infrastruktur planen und am Leben erhalten, ist in der Gesellschaft nicht ausreichend bekannt und wird auch nicht entsprechend wertgeschätzt.

Darüber hinaus trägt der Ingenieur eine hohe ethische und fachliche Verantwortung. Wenn etwas schief geht, z. B. infolge einer falschen Berechnung, muss er dafür gerade stehen und sich notfalls vor Gericht verantworten. Kurzum: Junge Menschen finden andere Berufe attraktiver.

Dennoch haben wir meiner Meinung nach einen wunderschönen Beruf. Schließlich kann man die Projekte, an denen wir mitgearbeitet haben, sehen und zeigen. Sagen zu können, wir haben an einem für die deutsche Wirtschaft bedeutenden Bauwerk mitgewirkt, erfüllt einen durchaus mit Stolz.

Wie hat sich die Ausbildung zum Bauingenieur inhaltlich entwickelt?

Morgen: Aus meiner Sicht eher negativ. Ich bin kein Freund von Bachelor- und Masterstudiengängen. Früher war die Ausbildung so, dass in den ersten vier Semestern die theoretischen Fächer wie Mathematik, Physik oder Mechanik durchlaufen wurden. Dort wurde wesentliches Basiswissen vermittelt. Die Durchfallquote lag allerdings bei rund 60 bis 70%. Das hatte aber den Vorteil, dass die Ingenieure, die das Studium abgeschlossen haben, hochqualifiziert waren.

Im Hauptstudium kamen dann die Spezialfächer wie Baustatik, Verkehrswesen, konstruktiver Ingenieurbau, Geotechnik oder Wasserbau hinzu. Heutzutage müssen die Spezialfächer bereits für den Bachelor-Studenten in reduzierter Form angeboten werden, dafür gibt es dann für die Master-Studenten nochmals Grundlagenfächer, was sich meiner Ansicht nach negativ auf die Qualität der Ausbildung ausgewirkt hat.

Kommen wir abschließend noch einmal auf den Wasserbau zu sprechen. Welchen Bereichen des Wasserbaus räumen Sie in Zukunft die größten Perspektiven ein?

Morgen: Das Thema Bauen im Bestand und Ersatzneubau, also der Erhalt der In­frastruktur, wird ein wichtiger Faktor bleiben. Dazu zählen Sanierungen, Verstärkungen sowie Anpassungen an modernere Anforderungen. Der Neubau wird dagegen tendenziell zurückgehen, wobei wir um punktuelle Neubauten nicht herum kommen werden.

Interview: Thomas Wägener


Thomas Wägener