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Anhand von Beispielen beschreibt Karl-Heinz Hochhaus Hilfssysteme auf kleinen Schiffen und die dazugehörenden Elemente. Im Fokus steht dabei insbesondere die Entwicklung von Kühlwassersystemen
1. Einführung

Die aktuellen Auftragslisten der deutschen Werften beinhalten vorwiegend Spezialschiffe, Yachten, Kreuzfahrt-, Marine- und Arbeitsschiffe. Unter Spezialschiffen[ds_preview] wird eine Vielzahl von Schiffstypen verstanden, die in der Regel für bestimmte Aufgaben eingesetzt werden. Bestellt werden sie von Behörden wie den Wasser- und Schifffahrtsämtern (WSA), Hafenverwaltungen, Forschungsinstituten, den Marinen und von diversen Reedereien. Große Spezialschiffe wie Rohrleger, Kranschiffe, Produktions- und Fabrikschiffe sind hier nicht gemeint. Im Vordergrund stehen Behördenschiffe, Schlepper, Küstenwachboote, Versorger, Bunker-, Feuerlösch-, Polizei- sowie Zollboote, Fischerei-, Arbeits- und Lotsenschiffe, die in Deutschland auf kleinen und mittleren Werften gebaut und repariert werden. Es sind zum Teil extrem anspruchsvolle Neubauten. Sie entstehen häufig als Vielzweckschiffe, die für mehrere Aufgaben einsetzbar sind.

Ein gutes, in der Größe extremes Beispiel ist die von der Volkswerft Stralsund gebaute »Neuwerk« (Abb. 1), ein vom Wasser- und Schifffahrtsamt Cuxhaven betriebenes und auf Helgoland stationiertes Mehrzweckschiff des Bundes [N. N.: SUBS »Neuwerk«, in der technischen Ausführung einmaliges Mehrzweckschiff, in: Schiff & Hafen 12/1998]. Als das größte der WSA-Mehrzweckschiffe ist die »Neuwerk« als Eisbrecher, Notschlepper, Tonnenleger sowie als Schadstoffunfallschiff einsetzbar und kann außerdem Aufgaben der Schifffahrtspolizei wahrnehmen.

Ein Beispiel für kleine Schiffe sind die seit Anfang 2014 von der Weißen Flotte Stralsund in Berlin eingesetzten Solarkatamarane (Abb. 2), die als umweltfreundliche Personenfähren für die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) fahren. Diese von der Stralsunder Firma Formstaal gebauten Katamarane mit Solarzellen auf dem Dach bestehen aus Aluminium und werden von zwei Elektromotoren angetrieben. Sie sind mit leistungsfähigen Akkus ausgestattet, die, wenn der von den Solarzellen tagsüber erzeugte Strom nicht ausreicht, nachts mit Landstrom aufgeladen werden.

Alle diese Schiffe und Boote benötigen für ihre Aufgaben Antriebs- und Hilfssysteme, um für die vorgegebenen Einsatzzeiten sicher und unabhängig arbeiten zu können.

2. Schiffshilfssysteme

Die Schiffshilfssysteme werden unterschieden in:

– Hilfssysteme für den Antrieb (Brennstoff-, Schmieröl-, Kühlwasser- und Luftsysteme)

– Hilfssysteme für die Besatzung und Passagiere (Trinkwasser-, Abwassersystem, Systeme für die Klimatisierung und Beleuchtung)

– Hilfssysteme für die Ladung (Laderaumlüftung, Ladekühlsysteme, Stromversorgung und Überwachungssystem für die Kühlcontainer sowie Hydraulikanlagen für die Umschlagssysteme wie Ladebäume, Krane, Lukendeckel, Heck- bzw. Seitenrampen)

– Hilfssysteme für den Schiffsbetrieb (Kommunikationssystem, Navigationssystem, Ruderanlage, Ballast- und Lenzsystem, Antiheelingsystem, Anker- und Verholwinden)

– Hilfssysteme für die Sicherheit (Typhon, Brandmelde- und Feuerlöschsystem, Notbeleuchtung, Rettungsboote und Rettungsinseln).

Übergeordnet ist neben dem Hydraulik- und Dampfsystem das Hilfssystem zur redundanten Stromerzeugung und -verteilung [Härer, H., Hochhaus, K.-H.: Methoden zur Energieeinsparung in Bordnetzen, in: Handbuch der Werften, Band 20, 1990, Schiffahrts-Verlag »Hansa«], das in fast allen Bereichen und Systemen der Schiffe benötigt wird. Aufgrund der hohen Priorität wird das Bordnetz mehrfach redundant ausgeführt und schaltet bei Überlastung unwichtige Verbraucher ab. Sollte das Bordnetz trotzdem ausfallen, startet der Notdiesel und speist die Notverbraucher. Beim Ausfall des Notstromdiesels treten Batterien in Aktion, sie dienen zur Notbeleuchtung, Versorgung der Positionslaternen und der Funkanlage.

In diesem Beitrag soll als wesentliches Element der integrierten Systemarchitektur von Schiffen die Entwicklung der Kühlwassersysteme mit Vertiefung auf kleine Schiffe betrachtet werden.

3. Kühlwassersystem

3.1 Seewasser und Frischkühlwasser

Etwa 20–30% der mit dem Brennstoff zugeführten Energie wird mit dem Kühlwasser an die Umgebung abgeführt (Abb. 3). Bei der ersten Generation der Motorschiffe wurden die Dieselmotoren mit Seewasser gekühlt. Die dazu notwendigen Pumpen wurden von den Hauptmotoren angetrieben und als »angehängte« Pumpen bezeichnet. Diese »direkte« Seewasserkühlung wurde aufgrund von Korrosionsproblemen bald von der »indirekten« Kühlung mit Frischwasser abgelöst [Hochhaus, K.-H., Mehrkens, J. D.: Wirtschaftliche Auslegung von Kühlsystemen, in: Schiff & Hafen 8/1987]. Dazu wird ein zusätzliches System mit Pumpen, Wärmetauschern, Rohrleitungen, Absperr- und Regelarmaturen installiert. Mit einem als Seewasserkühler bezeichneten Röhren- oder Plattenkühler wird die Motorabwärme vom Frischkühlwasser an das Seewasser übertragen und nach außenbords transportiert. Je nach Schiffstyp und Schiffsgröße werden auch andere Wärmequellen (Schmieröl, Ladeluft, Hilfsdiesel, Luftkompressor, Proviantkühlanlage, Ladekühlanlage) angeschlossen.

Mit dem Einsatz von Schweröl als Brennstoff auf großen Seeschiffen wurden zusätzliche Heizquellen benötigt, um das Schweröl zur Lagerung (Bunkertanks 30–40 °C), Reinigung (Setztanks 50–80°C und Separatoren 80–95 °C) und zur Einspritzung (Endvorwärmung 110–140 °C) vorzuwärmen [Breyer, H., Hochhaus, K.-H., Mehrkens, J. D., Meyer, J., Müller, W.: Brennstoffsysteme, in: Handbuch der Werften, Band 24, 1998, Schiffahrts-Verlag »Hansa«]. Dazu wurde viel Dampf benötigt, der kostenneutral mit der Verwendung von Abgaskesseln aus der Abgaswärme der Dieselmotoren erzeugt wird [Hochhaus, K.-H.: Abwärmenutzung auf Schiffen – aus Abgas wird Strom, in: HANSA 8/2012]. Die bisher mit diesem Dampf versorgten Wohnraumheizungen und Trinkwassererzeuger wurden umgestellt und mit Kühlwasser beheizt.

3.2 Zentrales Kühlwassersystem

Damit diese Aufgaben vom Frischkühlwasser übernommen werden konnten, wurde eine Aufteilung des Kühlwassersystems in zwei Kreisläufe [Hochhaus, K.-H.: Kühlwassersysteme auf Motorschiffen, in: Handbuch der Werften, Band 23, 1996, Schiffahrts-Verlag »Hansa«] durch­geführt, die als Hoch- (HT) und als Niedrigtemperatursystem (NT) bezeichnet werden (Abb. 4). Das HT-System dient zur Rückkühlung des Zylinderkühlwassers (70–90°C) und ist daher zur weiteren Nutzung gut geeignet. Das NT-System mit Temperaturen um 40 °C versorgt alle anderen Kühlstellen (Schmieröl, Ladeluft, Hilfsdiesel, Anlassluftverdichter, Klimaverdichter und Kondensatoren).

Mit dieser Struktur verfügt das HT-System über ein hohes Temperatur­niveau und versorgt die Wohnraumheizung und den Frischwassererzeuger (Abb. 5), in dem das Seewasser beim Unterdruck um 0,1 bar bei Temperaturen um 45 °C verdampft wird [Hochhaus, K.-H.: Trinkwassersysteme auf Schiffen, in: Handbuch Schiffsbetriebstechnik 2006, Seehafen Verlag]. Zukünftige Anwendungen sind Absorptionskälteanlagen mit dem Stoffpaar Lithiumbromid-Wasser, in denen mit der Wärme des Kühlwassers Kälte für die Klimaanlage erzeugt wird [Hochhaus, K.-H.: Umweltfreundliche Klimaanlagen auf Seeschiffen, in: HANSA 6/2012

Hochhaus, K.-H., Mehrkens, J. D.: Verfahren zur Kälteerzeugung durch Abwärmenutzung auf Seeschiffen, Patentanmeldung vom 22.8.2006 (DE102006039347A1)]. Erste Anlagen wurden auf den RWE-Errichterschiffen »Victoria Mathias« sowie »Friedrich Ernestine« und auf dem 2012 von der Meyer Werft abgelieferten Kreuzfahrtschiff »Aida Mar« (Abb. 6) für Aida Cruises eingesetzt.

3.3 Systeme ohne Kühlwasserpumpe

Auf Schiffen mit Dampfturbinenantrieb ist der spezifische Kühlwasserbedarf etwa doppelt so hoch wie auf einem Motorschiff, daher hatte man bei großen Dampfschiffen als »Scoopkühler« bezeichnete Röhrenkühler (Abb. 7) eingebaut, die im Seebetrieb ohne Kühlwasserpumpe betrieben wurden [Hochhaus, K.-H.: Kühlwassersysteme auf Motorschiffen, in: Handbuch der Werften, Band 23, 1996, Schiffahrts-Verlag »Hansa«]. Später wurde das Prinzip bei einigen Reedereien wie z. B. Hapag-Lloyd auch für Motorschiffe übernommen, um den Verbrauch der elektrischen Bordnetzleistung zu reduzieren.

Bei kleinen Schiffen und bei Binnenschiffen wird mit dem Seekastenkühler (Abb. 8) ein ähnliches Prinzip realisiert, das sich bewährt hat und vielfach eingesetzt wird. Andere Alternativen zur Einsparung der Seekühlwasserpumpe sind Außenrohrkühler, welche häufig auf Fischereischiffen Anwendung finden (Abb. 9).

Für Schiffe die häufig im Eis fahren, besteht die Gefahr der Verstopfung der Seekästen durch Eisgrus. Auf Eisbrechern dienen daher sogenannte »Außenhautkühler« zur Rückkühlung des Frischkühlwassers. Die kühlende Wand des Wärmetauschers wird dabei von der Außenhaut des Schiffes gebildet, die von Seewasser umströmt wird. Auf der inneren Seite der Außenhaut wird das Frischkühlwasser von der Frischkühlwasserpumpe mit geringem Widerstand durch mäanderförmig angeordnete Kühltaschen gefördert. Dieses Prinzip der Außenhautkühler wird in der beschriebenen Form bzw. in Kombination mit Ballasttanks vielfach von kleinen Schiffen angewendet, die häufig im flachen Wasser operieren. Damit werden Verschlammungen des Kühlwassersystems vermieden, die zur Verringerung der Wärmeabfuhr führen.

3.4 Elemente des Kühlwassersystems

Die Kühlwassersysteme bestehen aus den Pumpen, Wärmetauschern, Seekästen, Filtern, Rohrleitungen und den Armaturen (Ventile, Schieber, Klappen). Wichtig ist, dass die seewasserseitigen Leitungen, Pumpen und Wärmetauscher aus korrosionsbeständigem Material bestehen. Bei der Neuplanung und Konstruktion von Kühlwassersystemen, die je nach Schiffstyp pro Jahr 6.000–8.000 Stunden in Betrieb sind, lassen sich durch die Verkürzung der Rohrleitungen und besonders durch die Vergrößerung der Rohrdurchmessers deutliche Widerstandsreduzierungen erreichen. Durch den Einsatz von drehzahlverstellbaren Pumpen lässt sich die benötigte Pumpenantriebsleistung im Mittel um 40–60% reduzieren [Hochhaus, K.-H., Mehrkens, J. D.: Wirtschaftliche Auslegung von Kühlsystemen, in: Schiff & Hafen 8/1987].

Die Seewasserkühler, früher überwiegend Rohrbündelwärmetauscher, sind in den heutigen Zentralkühlsystemen Plattenkühler (Abb. 10), die kompakter sind und sich leicht reinigen lassen. Dagegen werden Scoopkühler und Seekastenkühler als Rohrbündelwärmetauscher ausgeführt (s. a. Abb. 7 und 8).

Die Temperaturregler steuern Dreiwegeventile an (s. a. Abb. 4), die den Volumenstrom des Frischkühlwassers beeinflussen, der durch den Seewasserkühler strömt. Als Pumpen werden in der Regel Kreiselpumpen in Halbaxialbauart eingesetzt, die bei kleinen Schiffen häufig angehängt sind und daher proportional zur Drehzahl der Antriebsmotoren laufen. Elektrisch angetriebene Kühlwasserpumpen sind mit Asynchronmotoren gekuppelt, die mit einer konstanten Drehzahl laufen und ständig den Nennvolumenstrom fördern. Dadurch wird in der überwiegenden Betriebszeit zu viel Wasser gepumpt, da der Nennvolumenstrom nur im Nennbetrieb (100 % Motorleistung und Auslegungstemperatur des Seewassers 32 bzw. 25 °C) benötigt wird. Die Kühlwassertemperatur wird mit der Bypassregelung eingestellt, dabei wird ein Teil des Kühlwassers mit dem Dreiwegeventil am Kühler vorbeigeleitet.

4. Zusammenfassung und Ausblick

Am Beispiel des Kühlwassersystems wird die Verknüpfung mit anderen Schiffshilfssystemen verdeutlicht. Bei der Anwendung von Zentralkühlsystemen steht mit dem HT-System ein hohes Energieniveau zur Verfügung, das auf Seeschiffen zur Trinkwassererzeugung sowie Wohnraum- und Schwerölheizung genutzt wird. Bei kleinen Schiffen wird bei der Anwendung eines Seekasten- bzw. Außenhautkühlers keine Seekühlwasserpumpe benötigt, wodurch Strom eingespart wird. Zwei Schüler zeigten auf der diesjährigen Bundesveranstaltung »Jugend forscht«, dass die geschickte Konstruktion eines Außenhautkühlers nicht nur Strom sparen, sondern sogar erzeugen kann. Dass sich die Kühlwasserwärme auch zur Kälteerzeugung nutzen lässt, bewiesen erste Anwendungen auf Errichter- und Kreuzfahrtschiffen. Dadurch kann die Kälteanlage für die Klimatisierung wegfallen oder deutlich verkleinert werden – mit dem Ergebnis reduzierter Betriebskosten.


Dr.-Ing. Karl-Heinz Hochhaus