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Die neue »Sonne« gilt als eines der weltweit modernsten Forschungsschiffe seiner Art. Für die deutsche Politik stellt sie einen Meilenstein zur Festigung in der globalen maritimen Wissenschaftsspitze dar. Entsprechend prominent war sie bei der Taufe auf der Neptun Werft vertreten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ es sich nicht nehmen, dem Neubau persönlich als Patin seinen Namen zu geben. Vor rund 300[ds_preview] Gästen ließ sie am Bug Champagner zerschellen, dessen Flaschenhals traditionell auf dem Schiff aufbewahrt wird. Ein »Wunderwerk« und »Meisterwerk deutscher Schiffbau- und Ingenieurskunst« nannte die Regierungschefin, deren Wahlkreis Vorpommern-Rügen/Vorpommern-Greifswald I nicht weit entfernt ist, das 124,4Mio. € teure Schiff. Die »Sonne« sei der neue »Stern am Himmel der Forschungsschifffahrt« und dem Gemeinwohl gewidmet. Das Schiff soll dazu beitragen, wissenschaftlich und gesellschaftlich besonders relevante Forschungsfragen zu beantworten, vor allem hinsichtlich des Klimawandels, der Versorgung mit marinen Rohstoffen und der Folgen des Eingreifens in die Ökosysteme.

2008 hatten die Vorbereitungen in der Ministerialbürokratie begonnen. Drei Jahre später bekam Neptun nach einer europa­weiten Ausschreibung den Zuschlag. Weil das Schwesterunternehmen Meyer Werft seinerzeit nicht voll ausgelastet war, entschied man sich schließlich, die »Sonne« in Papenburg zu fertigen.

Für die Schiffbauer war das anspruchsvolle Projekt eine große Herausforderung, wie Werftchef Bernard Meyer bei der Taufe betonte: »Nicht nur der Schiffstyp, sondern auch die Berücksichtigung aller technologischen Anforderungen war eine besondere Aufgabe.« Den Beteiligten war die Zufriedenheit anzumerken, dass letztlich alles geklappt hat.

Die Praxistauglichkeit der Spezialausstattung muss zum Teil noch unter Beweis gestellt werden. Neben einigen Endausrüstungsarbeiten, unter anderem in Warnemünde, Emden und Wilhelmshaven, stehen weitere wissenschaftliche Erprobungsfahrten an, bevor die »Sonne« in Dienst gestellt werden kann. Unter Beobachtung steht etwa die Hubkompensation, die mit einer Kombination aus Elektronik und Mechanik das wissenschaftliche Arbeiten auch bei Seegang ermöglichen soll, indem verhindert wird, dass sich Schiffbewegungen auf die sensiblen Instrumente unter Wasser übertragen. In dieser Art ist das ein neues Arbeitsfeld für die eigentlich auf Kreuzfahrtschiffe spezialisierte Meyer Werft – die kürzlich einen neuen Auftrag von Norwegian Cruise Line für zwei Neubauten bekommen hat – und ihr vor allem auf Flusskreuzer fokussiertes Schwesterunternehmen. »Wir sind sicher, dass alles gut laufen wird«, sagt einer der beteiligten Schiffbauer. Vollständige Sicherheit gebe es bei derartigen Projekten aber nicht. Man werde abwarten müssen, wie einwandfrei die Technik läuft.

Die »Sonne« ist laut der Meyer Werft mit einer Vielzahl an Innovationen und Prototypen im wissenschaftlichen und schiffbaulichen Bereich ausgestattet. 116m lang, 20,6m breit und 6,6m tiefgehend, hat sie eine hohe Energieeffizienz – unter anderem durch die Rumpfform und die vielen technischen Einrichtungen wie dem von Imtech Marine entwickelten System für Heating, Air Conditioning sowie Kalt- und Warmwasserbereitstelltung. Das Schiff wurde nach den neuesten Umweltstandards konstruiert. Auch ein Betrieb in Emissionskontrollgebieten ist nach Angaben der Werft problemlos möglich. Für das Design wurde der Neubau mit dem Umweltzeichen »Blauer Engel« ausgezeichnet.

Neben Bundeskanzlerin Merkel waren auch der Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns, Erwin Sellering, die niedersächsische Wissenschaftsministerin, Gabriele Heinen-Kljaji , sowie der parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), Thomas Rachel, vertreten. Als Vertreterin des Konsortiums Deutsche Meeresforschung sprach Professorin Karin Lochte (Alfred-Wegener Institut, Bremerhaven) ein kurzes Grußwort. Die »Sonne« ist ein Gemeinschaftsprojekt von Bund und deutschen Küstenländern. Letztere beteiligen sich mit zusammen 10% am Baupreis. Mit Wilhelmshaven hat erstmals ein Forschungsschiff seine Heimat in Niedersachsen.

Das umfangreiche Modernisierungsprogramm für die deutsche Forschungsflotte geht weiter voran. Neben der »Sonne« stehen in den kommenden Jahren auch Nachfolger für die »Poseidon«, »Polarstern« und die »Meteor« an. Mit der »Sonne« wurde nun ein wichtiger Schritt gemacht, wie Lochte betonte. Man sei auf einem guten Weg. Nur Japan und die USA hätten eine vergleichbar gute Infrastruktur für die Forschungsschifffahrt. Merkel dankte den Werften, dass sie die Chance im Spezialschiffbau genutzt hätten, da dieser ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sei.


Michael Meyer