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Entwicklungen im Schiffbau und der Schifffahrt haben wechselseitige Wirkungen. Auf dem STG-Reedereisprechtag tauschen sich Experten darüber aus. Aktuell im Fokus: Antriebe und der Schiffsbetrieb.
In Harburg fand kürzlich der vom Fachausschuss Schiffsmaschinen der Schiffbautechnischen Gesellschaft (STG) organisierte Reedereisprechtag statt, zu dem der Vorsitzende Fred[ds_preview] Deichmann rund 100 Gäste begrüßte.

René Sejer Laursen von MAN Diesel & Turbo informierte dabei über zukünftig mögliche schwefelfreie Kraftstoffe. Das Unternehmen hat etwa für den »Außenseiter« Methanol neun Motoren vom Typ S/G50ME-LGI im Auftragsbuch. Laursen ging auch auf weitere Kraftstoffe für die Wechselmotoren von Typ ME-GI (Gas-Injektion) und ME-LGI (Flüssiggas-Injektion) ein. Ein wichtiger Aspekt waren alternative Brennstoffe wie Flüssigerdgas (LNG), Füssigpetrolgas (besser bekannt als Autogas LPG), Dimethylether (DME) und Ethan. Vorgestellt wurden Systeme zur Kraftstoffaufbereitung und Einspritzorgane der LGI-Motoren, die bei Hyundai Heavy Industries (HHI) und Mitsui auf dem Prüfstand untersucht werden.

Auch im Bereich der Zylinderöle wirken sich die aktuellen Entwicklungen in der Schifffahrt aus. Jens Möller von Shell Marine Products erläuterte die gestiegenen Anforderungen. Ursache hier ist zum einen das permanente Fahren moderner 2-Takt-Kreuzkopfmotoren mit extrem niedriger Leistung, das sogenannte »Slow Steaming«. Darüber hinaus spielt die Begrenzung des Schwefelgehaltes in Emissionskontrollgebieten (ECA) auf 0,1 % ab 2015 eine große Rolle. Möller informierte über die physikalischen Größen, die den für den Motor schädlichen Säuretaupunkt beeinflussen. Auch veranschaulichte er den Verlauf des Säuretaupunktes über dem Druck, abhängig von der Temperatur, dem Schwefelgehalt und dem Zylinderdruck. Sowohl die gestiegenen Zylinderdrücke und noch mehr der dauernde Teillastbetrieb haben die Kaltkorrosion verstärkt. Shell hat dafür mit optimierten Eigenschaften ausgestattete neue Zylinderöle entwickelt, die in aufwendigen Versuchen im Labor getestet wurden.

Weil neue Technologien auch immer Anpassungen im Schiffsbetrieb bedeuten, wirken sich Innovationen zudem auf die Ausbildung von Seeleuten aus. Frank Bernhardt von der Hochschule Wismar ging auf das Ziel ein, junge Studenten zu Generalisten auszubilden, die in der Lage sind, das komplexe System »Schiff« sicher, wirtschaftlich und umweltgerecht zu betreiben. Entsprechend ändern sich auch einige Bezeichnungen für Befähigungszeugnisse, die er in seinem Vortrag »Ausbildungsanforderungen und Randbedingungen für zukünftige Besatzungen unter Berücksichtigung neuer Technologien am Beispiel von LNG als Brennstoff und Abgasnachbehandlungsanlagen/Scrubber« darstellte.

Das aktuelle STCW-Übereinkommen berücksichtigt technische Weiterentwicklungen und entspricht den aktuellen Erfordernissen zum Meeresumweltschutz, der Gefahrenabwehr auf Schiffen sowie den weiteren Anpassungen an die technischen Entwicklungen. An der Hochschule gibt es laut Bernhardt im »täglichen Lehrskript« allerdings (noch) keine speziellen Vorlesungen zum LNG- und Gasmotorenbetrieb, zur Abgasnachbehandlung und zu Scrubbern.

Angesichts großer Sparzwänge wird für Reedereien neben Antriebsinnovationen auch das Monitoring im Schiffsbetrieb immer wichtiger. Dort gibt es aber noch Schwierigkeiten. Am Beispiel einer studentischen Abschlussarbeit ging Michael vom Baur (Hoppe Marine) auf umfangreiche Messdaten ein, die auf einem Containerschiff gewonnen wurden. Er zeigte, dass viele der Messreihen nur bedingt nutzbar sind. Hintergrund sind die vielen Einflüsse aus dem Betrieb und der Umwelt, die auch aufgrund der vielen unterschiedlichen Zeitkonstanten zur Begrenzung der Genauigkeit führten. Der Einfluss des dynamischen Trimms wurde zum Beispiel durch die Geschwindigkeitserhöhung (Geschwindigkeit über Grund) von 13 kn auf 15 kn deutlich. Derzeit wird am Entwurf einer ISO-Norm 19030 »Hull and Propeller Performance« gearbeitet. Damit sollen die Einflüsse von überlagerten, nichtlinearen Wirkmechanismen auf Messwerte durch systematische Bewertungshilfen erkannt und eliminiert werden.

Die Auswirkung »eines veränderten Nachstromfeldes auf die Antriebsanlage am Beispiel einer Nachrüstung mit Becker-Twisted-Fins« war auch Thema der Veranstaltung. Die ehemalige Studentin und heutige Schiffsingenieurin Imke Kappelhoff hatte sich bei Columbus Shipmanagement mit der Nachrüstung von als Becker-Twisted-Fins bezeichneten ummantelten Flossen am Hinterschiff beschäftigt. Das integrierte Flossensystem wird vor dem Propeller angebaut und versetzt dem Wasser einen Vordrall. Dadurch strömt es hinter dem Propeller fast drallfrei aus. Die so verursachte Verbesserung des Nachstromfeldes erhöht die Vortriebsleistung und den Gesamtwirkungsgrad der Antriebsanlage. Als Ergebnis der Nachrüstung lief der Antriebsmotor mit einer um 3,1 % verringerten Drehzahl und verbrauchte bei gleicher Geschwindigkeit 3,5 % weniger Brennstoff. Im Rahmen ihrer Arbeit sollte sie anhand der Messergebnisse untersuchen, ob der Motor im vom Hersteller erlaubten Bereich arbeitet und die Anbringung der Flossen wirtschaftlich ist. Beide Fragen konnte sie mit einem klaren »Ja« beantworten.


Karl-Heinz Hochhaus