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Marine mineralische Rohstoffe könnten zur Versorgungssicherheit bei Metallen beitragen. Das Interesse am Tiefseebergbau ist da – mit einem kommerziellen Abbau ist allerdings nicht kurzfristig zu rechnen
Ob in der Elektroindustrie oder der Stahlveredlung, beim Bau von Windkraftanlagen oder Computerchips: Als Industrie- und Technologiestandort wäre Deutschland ohne[ds_preview] den Import von Metallrohstoffen wie Kupfer, Nickel, Kobalt und Mangan nicht denkbar. Bei der langfristigen Sicherung eines Zugangs zu den Metallen könnte bisher nicht erschlossenen marinen mineralischen Rohstoffen in Zukunft eine nicht unwesentliche Bedeutung zukommen. Während die weltweite Nachfrage steigt, wird die Erschließung neuer Lagerstätten an Land immer schwieriger – und so wird auch das Interesse am Tiefseebergbau nach ersten Versuchen in den 1970er- und 1980er-Jahren derzeit wieder größer.

Drei Rohstofftypen aus der Tiefsee kommen als mögliche Lieferanten für viele verschiedene Metalle infrage: lose auf dem Meeresboden aufliegende polymetallische Knollen – wegen ihres hohen Mangangehalts besser bekannt als Manganknollen, fest mit dem Gesteinsuntergrund verwachsene Mangankrusten sowie an vulkanische Strukturen gebundene Massivsulfide. Um die Vorkommen erforschen und später abbauen zu können, werden innovative Technologien und Spezialschiffe benötigt.

Deutsche Lizenzen

Marine mineralische Rohstoffe treten häufig außerhalb der nationalen Hoheitsgebiete auf. Zuständig für die Verwaltung der Bodenschätze und die Vergabe von Lizenzen ist dann die Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) mit Sitz in Jamaika. Aktuell hat die IMB mit staatlichen und privaten Lizenznehmern zwölf Verträge zur Exploration von Manganknollen abgeschlossen, vier für Massivsulfide und zwei für Mangankrusten. Insgesamt acht weitere Lizenzen sind praktisch schon vergeben, müssen aber noch offiziell unterzeichnet werden – darunter auch die deutsche Explorationslizenz für Massivsulfide im Indischen Ozean südöstlich von Madagaskar, die im Sommer 2014 bewilligt wurde.

Bereits seit 2006 verfügt Deutschland über eine Lizenz zur Erschließung von Manganknollen im Nordpazifik. Sie umfasst zwei Gebiete im so genannten Manganknollengürtel zwischen Hawaii und Mexiko mit einer Fläche von insgesamt 75.000km². Die Explorationslizenzen sind jeweils 15 Jahre gültig und können anschließend in Abbaulizenzen münden oder um fünf Jahre verlängert werden. Da die IMB derzeit noch kein Regelwerk zum Abbau der Rohstoffe erlassen hat und dies voraussichtlich auch nicht vor 2016 tun wird, ist davon auszugehen, dass die ersten Lizenzen aus dem Jahr 2001 (unter anderem Frankreich, Russland, Südkorea, China und Japan) jetzt zunächst verlängert werden.

Dennoch ist aktuell international wie auch national Bewegung in der Sache. Denn vor einem möglichen Abbau sind von den Lizenznehmern erhebliche Anstrengungen erforderlich, für die bereits entsprechende Geräte und Technologien benötigt werden: So müssen sie umfangreiche Untersuchungen zum Schutz und Erhalt der marinen Umwelt vornehmen und das konkrete wirtschaftliche Potenzial der Lizenzgebiete erforschen. Nicht zuletzt ist ein Nachweis über ein funktionierendes Fördersystem anhand eines »Pilot Mining Tests« notwendig.

»Das Ganze nimmt jetzt gerade richtig an Fahrt auf«, sagt Michael Jarowinsky, mit seinem Unternehmen MC Marketing Consulting für die Koordinierung des Nationalen Masterplans Maritime Technologien (NMMT) zuständig und zugleich Leiter der Fachgruppe marine mineralische Rohstoffe bei der Gesellschaft für Maritime Technik (GMT) sowie Geschäftsführer der kürzlich gegründeten DeepSea Mining Alliance (DSMA). Der 2011 vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) herausgegebene NMMT habe dem Thema Tiefseebergbau wieder neuen Auftrieb gegeben, meint der Fachmann. Verschiedene Tagungen und Workshops hätten interessierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammengebracht, die nun gemeinsam an Lösungen arbeiteten.

»Eines der Ziele für Deutschland ist es sicherlich, möglichst umweltfreundliche Technologien herzustellen – das können wir besser als die meisten anderen«, ist Jarowinsky überzeugt. Allerdings scheuten die Unternehmen verständlicherweise davor zurück, ohne konkreten Auftrag beziehungsweise ohne konkrete Abbaupläne die zur Entwicklung benötigten Millionenbeträge in die Hand zu nehmen. »Ein kommerzieller Markt existiert noch nicht, darum ist das eine Wette für die Zukunft.« Wichtige Vorarbeiten seien gemacht, verschiedene Komponenten gebe es bereits: Was jetzt noch fehle, seien eine wirkliche Roadmap für notwendige Technologieentwicklungen und vor allem auch der von der IMB verlangte Pilot Mining Test, mit dem der wirtschaftliche, technologische und ökologische Nachweis eines möglichen kommerziellen Tiefseebergbaus erbracht werden solle. Jarowinsky geht davon aus, dass es bis zu Letzterem noch vier bis fünf Jahre dauert und der kommerzielle Abbau in sieben bis zehn Jahren starten könnte.

DeepSea Mining Alliance

Das grundsätzliche Interesse der Industrie am Tiefseebergbau ist jedenfalls da. Unter anderem wird das daran deutlich, dass der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) Ende 2013 einen Arbeitskreis Meeresbergbau (inzwischen AK Tiefseebergbau) gegründet hat, der Unternehmen aus den Bereichen Bergbaumaschinen sowie Schiffbau und Offshore zusammenbringt. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat im Mai 2014 ein Positionspapier zum Thema veröffentlicht, das Chancen und Herausforderungen benennt und unter anderem ein klares politisches Bekenntnis der Bundesregierung fordert. Und nicht zuletzt bietet die im April 2014 gegründete und durch den NMMT angestoßene DeepSea Mining Alliance Interessierten aus allen Bereichen der Wertschöpfungskette eine gemeinsame Plattform für eine abgestimmte Interessenvertretung. Unter den aktuell gut 20 Mitgliedern sind Unternehmen wie MHWirth, Bauer Maschinen, RWE Dea, Siem Offshore Contractors und die Reederei Harren & Partner, Meerestechnik-Spezialisten wie EvoLogics, MBT (Meerestechnisches Büro Turla) und Hydromod Service, Forschungseinrichtungen sowie die Klassifizierer DNV GL und Lloyd’s Register.

Erklärtes Ziel der DSMA ist es, kommerzielle, technologische und Forschungsprojekte anzubahnen und zu einer besseren Koordinierung aller nationalen und internationalen Aktivitäten im Tiefseebergbau beizutragen. »Unser Vorteil ist, dass wir nicht auf deutsche Firmen beschränkt sind«, betont DSMA-Vorstandsvorsitzender Leonhard Weixler, der zugleich Leiter des Geschäftsbereichs Maritime Technologien bei Bauer Maschinen ist. »Es zeigt sich schon jetzt, dass Unternehmen aus anderen Ländern an unserem Verein interessiert sind – und ohne internationale Zusammenarbeit wird ein kommerzieller Abbau auch kaum möglich sein.« Als erste wichtige Projektanbahnung hat sich die DSMA bei der EU um Fördergelder für das Forschungsprogramm »Blue Atlantis« beworben, in dessen Rahmen unter deutscher Führung mit 46 Partnern eine Testanlage für einen Pilot Mining Test entstehen soll. Für die maritime Wirtschaft, konkret auch für die Schiffbauindustrie, sieht Weixler »sehr gute Chancen« in diesem Bereich. »Für den kommerziellen Abbau werden auf jeden Fall Spezialschiffe benötigt: als Plattform zur Steuerung der Maschinen, zur Gewährleistung der Energieversorgung, zum Zwischenlagern der geförderten Rohstoffe und so weiter. Da ist schon eine Menge Logistik notwendig.«

Rentabler und nachhaltiger Abbau

Zuständig für die Exploration der deutschen Lizenzgebiete ist die zum Geschäftsbereich des BMWi gehörende Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Seit 2006 haben die Wissenschaftler sechs Fahrten in den Manganknollengürtel unternommen und das Lizenzgebiet kartiert, die Entwicklung eines Abbaukonzepts in Auftrag gegeben (s. unten), Vorrats- und Wirtschaftlichkeitsberechnungen angestellt und Umweltauswirkungen eines künftigen Tiefseebergbaus untersucht. Das vorläufige Ergebnis: Für einen wirtschaftlich rentablen Abbau müssten über einen Zeitraum von 20 Jahren mindestens 2Mio.t Knollen pro Jahr gefördert werden. »Wir wissen jetzt, dass etwa 15% der 75.000km² ein besonders großes Knollenvorkommen haben und der Meeresboden da auch relativ flach und damit gut abzuernten ist«, berichtet Carsten Rühlemann, bei der jüngsten Expedition vor einigen Monaten Fahrtleiter des BGR-Teams. Zuletzt seien zwei Gebiete mit insgesamt rund 5% der Gesamtfläche genauer untersucht worden: »Und allein die haben ein Vorkommen von 60Mio.t Knollen und reichen damit aus, um 20 bis 30 Jahre Tiefseebergbau zu betreiben. Wir haben also ein ertragreiches Lizenzgebiet, das tatsächlich einen Beitrag zur Versorgungssicherheit bei Metallrohstoffen leisten kann.«

Aktuelle Daten von sechs Strömungsmessern, die ein Jahr lang in 4.100m Tiefe verankert worden waren, deuten laut Rühlemann darauf hin, dass sich mögliche durch Kollektoren verursachte Suspensionswolken voraussichtlich größtenteils relativ schnell und in einem Radius von wenigen Kilometern wieder absetzen werden. Eine Ummantelung des Kollektors könne außerdem dafür sorgen, die Wolke von Anfang an klein zu halten. Darüber hinaus ließen sich die Auswirkungen auf die Meeresumwelt minimieren, indem man ausreichend große Flächen zwischen den vergleichsweise kleinen Abbaugebieten unberührt lasse und bei der Konstruktion der Kollektoren darauf achte, den Druck auf den Meeresboden und die dort lebenden Organismen möglichst gering zu halten.

In diesem Jahr brechen die Wissenschaftler der BGR für weitere Untersuchungen erneut in den Manganknollengürtel auf – mit dem neuen Forschungsschiff »Sonne«. Da das Forschungsministerium seine Schiffe ausschließlich zur Grundlagenforschung bereitstellt, muss die BGR für die meisten ihrer Explorationsfahrten ausländische Schiffe chartern. »Es wäre schon gut, wenn wir für die Erkundungsarbeiten im Auftrag der Bundesregierung auch deutsche Schiffe zur Verfügung hätten«, meint Rühlemann. Aus seiner Sicht sollte ein Pilot Mining Test spätestens 2019 durchgeführt werden, damit anschließend bis zum Auslaufen der deutschen Lizenz noch genügend Zeit bleibe, die Umweltauswirkungen zu erforschen. Das BMWi teilt dazu auf Nachfrage mit, dass eine Entscheidung, »ob, wann und wenn ja, wie« der Test durchgeführt wird, noch nicht erfolgt sei. Es werde daher derzeit auch keine Ausschreibung vorbereitet.

Anforderungen an Technologie

Bei Wassertiefen von 1.500 bis 3.000m (Massivsulfide) beziehungsweise sogar 4.000 bis 6.000m (Manganknollen) sind die Anforderungen an die eingesetzte Technologie hoch: Sie muss in salzhaltiger Umgebung bei einem Druck von mehreren hundert Bar und Temperaturen nur knapp über dem Gefrierpunkt unbemannt extrem zuverlässig arbeiten und eine stabile Übertragung von Energie und Daten über mehrere Kilometer gewährleisten. Ob das Ganze in der Praxis funktionieren kann, wird die interessierte Öffentlichkeit wohl demnächst beim kanadischen Unternehmen Nautilus Minerals beobachten können, das nach mehrfachen Verschiebungen des Zeitplans nun voraussichtlich ab 2017 im Hoheitsgebiet von Papua Neuguinea zum ersten Mal kommerziell Massivsulfide aus der Tiefsee fördern will.

In Deutschland arbeiten derzeit vor allem Forschungseinrichtungen mit erprobten Erkundungstechnologien beziehungsweise entwickeln diese sowie weitere gegebenenfalls auch beim Tiefseeberbgau einsetzbare Geräte – neben der BGR unter anderem das Marum (marine Umweltwissenschaften), Geomar (Ozeanforschung), das Alfred-Wegener-Institut (Polar- und Meeresforschung), das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (s. HANSA 9/2014), verschiedene Fraunhofer-Institute, die RWTH Aachen und die TU Clausthal. Im kommerziellen Bereich hat das Bremer Unternehmen Atlas Elektronik, unbemannte Unterwasserfahrzeuge entwickelt, die beim Monitoring in der Tiefsee zum Einsatz kommen könnten. Man beobachte den entstehenden Tiefseebergbau mit wachsendem Interesse, sagt Tommy Kaltofen aus der Abteilung »Unmanned Naval Vehicles«. Spezialisierte Produkte oder strategische Planungen könne man hier allerdings derzeit nicht vorweisen.

Ähnlich sieht es in anderen Bereichen aus: So gibt es beispielsweise Lösungen für Bohr-, Förder- und Unterwassertechnik sowie Technologien, die aus der Offshore-Öl- und Gasindustrie adaptiert werden können. Noch fehlt allerdings die Zusammenführung der vorhandenen Teillösungen in ein funktionierendes Gesamtsystem. Benötigt wird außerdem ein Konzept zur metallurgischen Aufbereitung der gewonnenen Rohstoffe, die nach Berechnungen von Experten zwischen 50 und 80% der Investitions- und Betriebskosten ausmachen wird. Ein effektives Aufbereitungsverfahren wird daher aus ökonomischer Sicht von entscheidender Bedeutung sein.

Förderkonzept für Manganknollen

Was es hingegen schon gibt, ist ein Konzept zur Förderung von Manganknollen – 2011 im Auftrag der BGR entwickelt vom auf Bohrtechniken spezialisierten Unternehmen MHWirth (damals Aker Wirth). Es beinhaltet den Einsatz von zwei Kollektoren zum Aufnehmen der Knollen vom Meeresboden, eine vertikale Lufthebe-Fördereinrichtung sowie ein angepasstes Förderschiff als Arbeitsplattform. Der Förderstrang wird aktuell im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts »Blue Mining« weiterentwickelt. Auch MHWirth hofft auf eine baldige Durchführung des Pilot Mining Tests, damit das Konzept eine Chance auf Umsetzung in die Praxis bekommt. »Aufgrund des hohen Investitionsvolumens kann das nur mit europäischen oder internationalen Kooperationspartnern erfolgen«, ist Steffen Knodt, Vice President Technology & Innovation, überzeugt. Da es in Asien mehrere große Forschungsprogramme in diesem Bereich gebe, sei der Wettbewerb groß: »Darum müssen wir in Europa dringend ebenfalls mit der Erprobung der Technologien in einem größeren Maßstab beginnen, um unsere Marktposition nicht zu verlieren.« In Deutschland mangele es bisher noch an einem größeren, finanzstarken Systemführer für den Tiefseebergbau. Die DeepSea Mining Alliance solle diese Lücke nun so weit wie möglich schließen.

Bei den Massivsulfiden wird aus deutscher Sicht zunächst die Exploration des neuen Lizenzgebiets im Indischen Ozean durch die BGR im Mittelpunkt stehen. Bauer Maschinen hätte hierfür schon jetzt ein passendes Gerät anzubieten: das zusammen mit dem Marum zunächst zu Forschungszwecken entwickelte Meeresboden-Bohrgerät »MeBo 200«, das in Wassertiefen von bis zu 4.000m eingesetzt werden und 200m lange Bohrkerne gewinnen kann. »Zur Erkundung der Mächtigkeit von Sulfidvorkommen und zur Bestimmung des Gehalts der verwertbaren Erze sind viele Bohrkerne erforderlich«, erläutert Geschäftsbereichsleiter Leonhard Weixler, »da könnte das MeBo 1:1 zum Einsatz kommen.« Für den späteren Abbau müssten dann neue Lösungen entwickelt werden – auch hier sei Bauer aber interessiert und habe mit der Schlitzwandfräse bereits eine Technik zum Lösen von Gestein im Programm, die auch im Tiefseebergbau angewandt werden könne

 


Anne-Katrin Wehrmann