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Seit April ist Herbert Aly Vorsitzender der Geschäftsführung von Nordic Yards. Die Werftengruppe hat sich Aufträge für vier Konverterplattformen zur Netzanbindung von Windparks in der deutschen Nordsee gesichert. Die HANSA sprach mit ihm über Schwierigkeiten, Aussichten und Pläne
Welche Bedeutung hat der Bereich Offshore-Wind für die Werftengruppe?

Herbert Aly: Nordic Yards besteht nun seit fast[ds_preview] sechs Jahre und hat sich in dieser Zeit extrem schnell in diesem Bereich entwickelt. Ich kenne keine andere Werft in der Welt, die eisbrechende Schiffe und Plattformen baut. Allein die Betrachtung des Umsatzes zeigt die Bedeutung von Offshore für Nordic, über die Hälfte kam in diesem Zeitraum aus dem Plattformbereich. Aber nicht nur das: Wir konnten vor allem eine einzigartige Marktposition erreichen, notwendige Qualifikationen und Offshore-Zertifikate erarbeiten, Erfahrungen sammeln. Das ist ein ordentliches Pfund, nicht nur bei Ausschreibungen für Offshore-Windprojekte, sondern auch in der Öl- und Gas-Industrie.

Sie haben Ihren Job angetreten, wenige Monate nachdem die Bundesregierung die langfristigen Offshore-Ausbauziele deutlich zurückgestutzt und außerdem einen Systemwechsel bei der Einspeisevergütung verkündet hat. Kein leichtes Umfeld für die Offshore-Branche – mit welchen Zielen treten Sie vor diesem Hintergrund an?

Aly: Die realistisch erreichbaren Ausbauziele waren der Branche ja schon lange bewusst und finden sich in der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wieder. Somit gab es keine Überraschung für uns, sondern das war lediglich die Bestätigung unserer Strategie. Für die erfolgreiche Fortsetzung unseres Geschäftsbereiches Offshore will ich mich gern einbringen.

Teil der Unternehmensstrategie ist es, sich zu einem Ingenieurs- und Projektdienstleister zu entwickeln. Wo sehen Sie die Vorteile und was bedeutet das konkret für die Offshore-Wind-Sparte?

Aly: Der Vorteil ist ganz klar: Auftraggeber wollen möglichst wenig Schnittstellen, also einen Verantwortlichen für das komplette Projekt, von der Konstruktion über die Fertigung bis zur Installation. Das macht auch Sinn, das verhindert Reibungsverluste und Kostenexplosionen, begünstigt dafür eine effektive Kommunikation und ein ganzheitliches Denken im Projekt. Vieles von dem, was ein EPCI-Contractor (Engineering, Procurement, Construction and Installation) können muss, kannten wir und konnten wir schon – riesige, auf Wasser fahrende Städte, sprich hochkomplexe Schiffe, haben wir zu Tausenden gebaut. Aber dennoch haben wir umfangreiche Investitionen getätigt, unter anderem in Personal, da zum Beispiel die Installation kein typisches Werftthema war. Bislang war der Job für uns ab Kaikante erledigt, bei unserer vierten Konverterplattform »DolWin gamma« beispielsweise bringen wir unser Produkt nun aufs Wasser und managen den Installationsprozess – das wird der Ritterschlag für uns.

Wie ist der Stand bei »DolWin gamma«?

Aly: Die Installation findet 2017 statt, wir liegen im Plan. Die großen Stahlarbeiten sind zügig vorangeschritten: Wenn Sie unser Dock passieren, können Sie die Dimensionen bereits erahnen. Mitte Juli wurde der Transformator eingesetzt.

Die Konverterplattformen »HelWin alpha«, »BorWin beta« und »SylWin alpha« sind mittlerweile in der Nordsee installiert, hingen aber deutlich hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück. Welche Erfahrungen nehmen Sie aus diesen Projekten mit?

Aly: Welcher Zeitplan? Hier wird immer sehr typisch deutsch gedacht. Natürlich gab es einen Zeitplan, einen ambitionierten, wie sich herausstellte. Aber auf welcher Basis wurde dieser erstellt? Es gab keine Basis, da die Plattformen für alle neu waren. Vielleicht ist es auch mal an der Zeit festzustellen, dass hier von allen Beteiligten eine echte Pionierleistung erbracht wurde. Manche Innovationen mussten vom Reißbrett sehr, sehr schnell in der Realwirtschaft umgesetzt werden, dann angepasst, korrigiert, ja einzelne Lösungen teilweise erst im Projektverlauf, quasi just in time, erfunden werden. Pionierleistungen werden immer teuer mit Investitionen der Beteiligten bezahlt. Auf der anderen Seite gibt es aber exklusive Erfahrungen, die einen interessant für den Markt und Auftraggeber machen. Mit denen werden wir unsere Erfahrungen besprechen und zur besseren Kosten- und Zeiteffizienz der Projekte beitragen.

Ihr Vertriebsleiter Andreas Amelang hat voriges Jahr gesagt, dass es Ziel der Werftengruppe sei, jedes Jahr eine Umspannplattform und alle zwei Jahre eine Konverterplattform zu bauen (HANSA 9/2014). Aufträge für Umspannplattformen sind bislang ausgeblieben, der letzte Auftrag für eine Konverterplattform stammt von Anfang 2013. Wie sehen Ihre Pläne aus, um wieder neue Aufträge zu generieren?

Aly: Dazu gibt es zwei Ansätze. Zum einen müssen wir allen Entscheidern in Deutschland klar machen, dass Wertschöpfung aus der deutschen Energiewende ein idealer Motor für gut bezahlte Industriearbeitsplätze in Deutschland ist. Die Rahmenbedingungen für die Finanzierung solcher Großprojekte müssen wettbewerbsfähig sein, sonst verlieren wir weiterhin Aufträge für Plattformen – und das direkt vor unserer Haustür und obwohl wir, und mit wir meine ich auch alle Zulieferer, technisch, technologisch, qualitativ, fristgemäß und sogar preislich dem internationalen Wettbewerb Paroli bieten. Auf der anderen Seite werden wir unser Know-how dort anbieten, wo die Märkte sind. Unser Vertrieb ist unter anderem sehr aktiv in Großbritannien unterwegs, bei Kunden, auf Messen, in Konferenzen, damit wir unsere Ziele erreichen.

Mit dem Zukauf des Standorts Stralsund wollte Nordic Yards die Flexibilität beim Plattformbau erhöhen und mehr Platz für diesen Zweig schaffen. Halten Sie die Erweiterung mit dem heutigen Wissen noch immer für richtig?

Aly: Diese Erweiterung hat sich für die Fertigung von »DolWin gamma« bereits erstmalig bewährt. Ein Teil des Split-Jackets wird in Stralsund gefertigt. Darüber hinaus haben wir dazu parallel in der Halle umfangreiche Reparaturaufträge. Es ist kein Geheimnis, dass wir den Standort für die »Serienfertigung« von Umspannplattformen ertüchtigen wollten und wollen.

Die Konkurrenz auf dem Plattform-Markt steigt – so ist zuletzt zweimal Drydocks World in Dubai für Konverterplattformen zum Zug gekommen, beim Bau von Umspannplattformen für den deutschen Markt haben bisher andere und zum Teil auch neue europäische Player das Rennen gemacht. Was setzen Sie dem entgegen?

Aly: Wir wissen um die Herausforderungen solch hochkomplexer Aufträge. Daher schauen wir gespannt auf die Projektverläufe und werden unser Angebot, auch für Teilprojekte, gern abgeben, so unsere Unterstützung gebraucht wird. Somit können wir vielleicht wenigstens einen Teil der Wertschöpfung aus der Energiewende wieder ins Land holen. Ansonsten machen wir ganz normalen Vertrieb und beteiligen uns an den Ausschreibungen. Parallel arbeiten wir am Bewusstsein bei der Politik, dass Großprojekte dieser Art keine Wertschöpfung für das Land bringen werden, wenn sie weiterhin auf den schmalen Schultern des Mittelstandes umgesetzt werden sollen. Entscheidungskriterien für die Vergabe der Plattformen sind eben nicht nur technisches Know-how und der Preis, sondern die Absicherung der finanziellen Risiken über die gesamte Projektdauer. Gegen den Wettbewerbsvorteil von Werften zum Beispiel in Frankreich und Spanien, die dank Staatsbeteiligung die Absicherung von Haftungsrisiken darstellen können, haben wir aber keine Chance. Das muss allen klar sein.

Derzeit zeichnen sich neue technologische Lösungen wie das Offshore-Transformatormodul von Siemens oder die Einführung von Mittelspannungsgleichstrom-Anschlüssen ab, die den Bau von Umspannplattformen künftig überflüssig machen könnten. Macht Ihnen das Sorgen?

Aly: Es ist doch logisch, dass es solche Entwicklungen und Innovationen gibt, zum Glück müssen wir ja auch nicht mehr mit dem Pferd zur Arbeit. Wir beobachten alle Entwicklungen sehr genau und werden unsere Strategie und unser Portfolio danach ausrichten, selbst Teillösungen entwickeln und anbieten. Mit den Branchenerfahrungen der vergangenen beiden – extremen – Jahrzehnte werden wir die strategisch richtigen Entscheidungen rechtzeitig treffen.

Neben Plattformen kann für Werften auch der Bau von Offshore-Spezialschiffen und von Fundamenten interessant sein. Planen Sie eine Ausweitung der Tätigkeiten in diesen beiden Feldern?

Aly: Auf jeden Fall. Neben den Referenzen von Maersk-Schiffen in Stralsund haben wir vor einem halben Jahr ein Windturbinen-Serviceschiff an einen dänischen Betreiber übergeben, der es unter anderem an die Siemens AG für die Wartung von Windturbinen verchartern wird. Mit Fundamenten beschäftigen wir uns schon seit über zehn Jahren, ebenso mit den unterschiedlichen, ja man möchte fast sagen, Fundament-Philosophien. Wir können Stahlbau, haben die benötigten Qualifikationen und Flächen, stehen bereit, so sich die ambivalente Preisentwicklung wieder in Richtung »kommerziell interessant« bewegt.

Wo sehen Sie die Offshore-Windsparte von Nordic Yards in fünf Jahren?

Aly: In unseren Konzepten ist die Offshore-Windsparte ein erfolgreicher Geschäftszweig, das sagt doch alles.

Interview: Anne-Katrin Wehrmann


Anne-Katrin Wehrmann