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Neue Fundamenttypen und innovative Installationsverfahren: Die Offshore-Windbranche arbeitet an optimierten Lösungen, um Gründungs­strukturen günstiger und auch noch in größeren Wassertiefen einsetzbar zu machen.
Die Tragstrukturen sind nach den Turbinen der zweitteuerste Einzelposten beim Bau von Offshore-Windparks: Je nach Küstenentfernung und Bodenverhältnissen schlagen[ds_preview] sie mit 20 bis 30% der Gesamtinvestitionskosten zu Buche. Im Rahmen der Debatte um Kostensenkungspotenziale in der Offshore-Windenergie werden Fundamente daher regelmäßig als einer der Hauptansatzpunkte genannt – einer der Gründe dafür, dass vielerorts an einer Optimierung von Design und Fertigungsprozessen, der Entwicklung neuer Gründungstypen sowie an innovativen Installationsverfahren gearbeitet wird. Zu den Katalysatoren zählt auch die Tatsache dass der europaweite Ausbau künftig immer weiter entfernt von den Küsten und damit in größeren Wassertiefen erfolgen wird und dass in Deutschland bei der Installation bestimmte Schallwerte zum Schutz der marinen Umwelt nicht überschritten werden dürfen.

Von den bislang in deutschen Gewässern errichteten vier Hauptfundamenttypen konnten sich zwei offensichtlich nicht langfristig durchsetzen. Das von der Bard-Gruppe entwickelte Tripile, drei in den Boden gerammte Pfähle, die oberhalb der Wasseroberfläche durch ein Stützkreuz miteinander verbunden sind, hat nach der Insolvenz des Unternehmens keine neuen Abnehmer gefunden. Auch der ebenfalls dreibeinige Tripod ist derzeit nicht mehr gefragt, wie die Insolvenzen der beiden Produzenten Weserwind und Nordseewerke zeigen.

Etabliert hat sich dagegen das Monopile-Fundament (ein einzelner Pfahl), das den größten Marktanteil besitzt und für moderate Wassertiefen die Standardlösung darstellt. Als XXL-Variante soll es künftig auch in Wassertiefen von bis zu 40m einsetzbar sein. In Ergänzung dazu gibt es aufgelöste Gründungsstrukturen, deren Aufbau und Form vielfältig sein kann, wobei die Variante als Jacket (Gitterkonstruktion) am häufigsten zum Einsatz kommt.

»Ich gehe davon aus, dass Monopiles und bei größeren Wassertiefen auch Jackets den deutschen Markt auch in Zukunft maßgeblich bedienen werden«, sagt Christian Keindorf, Professor für Offshore-Anlagentechnik am Institut für Schiffbau und Maritime Technik an der Fachhochschule Kiel. Es sei allerdings wichtig, dass die Entwicklung insbesondere in den Bereichen Schallschutz, Korrosionsschutz, Automatisierung der Fertigungsprozesse, Optimierung der Installationsmethoden und Standardisierung der Bemessungsvorschriften weitergehe. Aufgrund der hohen dynamischen Belastungen über die Betriebsdauer betrachtet müsse auch die Ermüdungsfestigkeit und damit verbunden die Lebensdauer einzelner Bauteile weiter erhöht werden, um Gewichtseinsparungen realisieren zu können. Bis zur Marktreife einer innovativen Gründungsvariante seien zunächst viel Zeit und Investitionen erforderlich: »Ob sich eine Innovation im Markt etablieren wird, hängt maßgeblich vom Interesse der Großen in der Branche ab, weil dafür zunächst Risikoaufschläge berücksichtigt werden müssen, solange technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit nicht bewiesen wurden«, erläutert Keindorf.

Gerüttelt, nicht gehämmert

Der mit europaweit mehr als 3.000 MW installierter Leistung größte Betreiber von Meereswindparks, Dong Energy, testet derzeit im Baufeld von »Borkum Riffgrund 1« ein sogenanntes Suction Bucket Jacket, das den Windparkbau nach Unternehmensangaben leiser, schneller und günstiger machen soll. Der aus der Öl- und Gasindustrie bereits bekannte Gründungstyp wurde im August 2014 erstmals in der Offshore-Windenergie installiert: Er besteht aus einer dreibeinigen Jacket-Struktur mit drei Becherfundamenten, die durch Ansaugen beziehungsweise in den Bechern erzeugten Unterdruck im Boden verankert werden. Da das bei anderen Fundamenten erforderliche Rammen entfällt, ist die Installation geräuschärmer und unkomplizierter. Auf Schallschutzmaßnahmen kann hier verzichtet werden. Der Prototyp ist 57m hoch, wiegt 850t und trägt eine 3,6 MW-Turbine von Siemens. Grundsätzlich kann das Suction Bucket Jacket in Wassertiefen von 30 bis 60m zum Einsatz kommen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe war die Evaluation noch nicht abgeschlossen. Sofern sie die von Dong Energy erwarteten Ergebnisse liefert, soll das neuartige Fundament bei künftigen Projekten der Dänen neben dem Monopile als zusätzliche Option zur Verfügung stehen.

Zu einer weiteren alternativen Installationsmethode könnte sich das Vibrationsrammen entwickeln. Die Projektpartner RWE Innogy, Bilfinger Offshore, Dong Energy, EnBW, Eon und Vattenfall präsentierten Ende November Ergebnisse ihres »Vibro-Projekts«, in dessen Rahmen sie voriges Jahr das Einvibrieren von Monopiles im Vergleich zum bisher gängigen Schlagrammen getestet hatten. An einem Onshore-Standort in der Nähe von Cuxhaven wurden damals jeweils drei Pfähle in den Untergrund gerüttelt beziehungsweise gehämmert. Laut Projektleiter RWE Innogy hat die Auswertung gezeigt, dass das Vibrationsverfahren bis zu zehnmal schneller war und dabei unter Berücksichtigung bestimmter Installationsaspekte eine vergleichbare Belastbarkeit erreicht wurde. Darüber hinaus sei eine geringere maximale Schallbelastung erzeugt worden. Die möglichen Auswirkungen der vorhandenen Dauerschallbelastung müssten allerdings projektspezifisch untersucht werden. Nach Aussage von RWE-Projektleiter Ben Matlock sollen die gesammelten Daten jetzt dabei helfen, die neue Methode für den Einsatz unter Realbedingungen auf See weiterzuentwickeln.

Alternative »bohren«

Eine weitere alternative Gründungsmethode hat bereits vor einigen Jahren das auf Tunnelbau spezialisierte Maschinenbauunternehmen Herrenknecht entwickelt: das Offshore Foundation Drilling (OFD). Die Technik basiert auf den an Land vielfach erprobten Schachtabsenkmaschinen, die beim Bohren von Schächten zum Einsatz kommen. Beim Bau von Offshore-Windparks soll die OFD-Maschine durch das hohle Rohr des Monopiles nach unten zum Meeresgrund gelassen werden, wo ihr Fräskopf sich Meter für Meter tiefer in den Boden bohrt. Das Fundament gleitet dank seines Eigengewichts hinterher. Laut einer Simulation soll der so erzeugte Schallpegel sehr deutlich unterhalb des erlaubten Grenzwertes liegen, weswegen auch hier auf Schallschutzmaßnahmen verzichtet werden kann. Ein weiterer Vorteil ist nach Aussage der Entwickler, dass auch in solchen Regionen, in denen die Bodenbeschaffenheit beim Rammen Probleme bereiten würde, eine OFD-Installation möglich ist. Einen ersten Kunden für die neue Technologie konnte Herrenknecht bislang nicht präsentieren. Marc Peters, Leiter des Geschäftsfelds Energie, zeigt sich jedoch optimistisch, dass sich das Verfahren in absehbarer Zeit in der Praxis bewähren wird: »In Zusammenarbeit mit den ausführenden Offshore-Unternehmen und Energieversorgern sehen wir großes Potenzial bei verschiedenen Projekten in Europa.«

Sofern der europa- und weltweite Ausbau der Offshore-Windenergie auch nur annähernd so weitergeht, wie von den einzelnen Staaten geplant, werden Windparks in Zukunft in größeren Küstenentfernungen gebaut werden müssen als heute. Das wird allerdings nur dann möglich sein, wenn es weiterentwickelte beziehungsweise neue Gründungstypen gibt, die sich in den dortigen Wassertiefen auch dauerhaft sicher verankern lassen. Als vielversprechende Lösung gelten schwimmende Fundamente, die laut einer aktuellen Studie des britischen Beratungsunternehmens Carbon Trust bei angemessener Unterstützung durch die Regierungen im Verlauf der 2020er-Jahre wettbewerbsfähig werden könnten. Noch gibt es allerdings nur einige wenige Pilotprojekte, so zum Beispiel die 2009 in Norwegen installierte »Hywind«-Anlage und den seit 2011 vor der portugiesischen Küste schwimmenden »Windfloat«-Prototyp. In Deutschland arbeitet derzeit die Gicon-Gruppe an einem Schwimmenden Offshore-Fundament (SOF), das voraussichtlich nächstes Jahr im Frühjahr in der Nähe des Meereswindparks »EnBW Baltic 1« in der Ostsee installiert werden soll.

Schwimmfundament als Lösung?

Die zur Gicon-Firmengruppe gehörende ESG Edelstahl und Umwelttechnik Stralsund baut seit Juli 2014 auf dem Gelände der ehemaligen Volkswerft Stralsund ein erstes Funktionsmuster. Es soll an seinem späteren Einsatzort mit Seilen verspannt werden, die mit im Meeresboden verankerten Gründungselementen verankert werden. Auftriebskörper sorgen dafür, dass der Auftrieb der Plattform größer ist als deren Gewicht, wodurch eine konstante Seilvorspannung und damit Stabilität gewährleistet sein soll. Laut Gicon ist das SOF in Wassertiefen von 18 bis 500m einsetzbar und kann inklusive Turbine in den Windpark geschleppt werden, wodurch sich zusätzliche Errichterschiffe einsparen ließen. Ursprünglich hatte der Prototyp schon Ende vorigen Jahres fertig sein sollen (HANSA 4/2014), doch nach Unternehmensangaben verzögerte unter anderem die Fertigung des Schwergewichtsankers den Zeitplan. Mittlerweile seien die Großsektionen weitestgehend fertiggestellt oder in der Produktion, und auch die Bau- und Betriebsgenehmigung liege seit einigen Monaten vor.

Professor Keindorf sieht für die kommenden Jahre die Haupteinsatzgebiete für schwimmende Lösungen zwar nicht in Deutschland, jedoch schätzt er die Lage in Ländern mit steil abfallenden Küstenstreifen und Wassertiefen von mehr als 50m wie Schottland, Frankreich, Portugal, USA oder Japan als vielversprechend ein. »Entscheidend ist aber erst einmal, dass man die technische Machbarkeit auch in der Praxis aufzeigt«, betont der Experte. »Es wird sicher einige Jahre dauern, bis die Pilotprojekte den Beweis erbracht haben, dass sie auch extremen Wind- und Wellenlasten standhalten können.« Erst danach könne man beginnen, das Design der einzelnen Varianten zu optimieren und so letztlich zu einer wirtschaftlichen Gesamtlösung für ein schwimmendes Fundament gelangen.
Anne-Katrin Wehrmann