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Die Reederei Cassen Eils hat Mitte Dezember 2015 die neue Helgolandfähre auf den Namen der Insel getauft. Das bei Fassmer gebaute Fahrzeug ist deutschlandweit der erste Schiffsneubau mit LNG-Antrieb
Als Taufpatin fungierte Christa Eils, ehemalige Geschäftsführerin und Witwe des Reedereigründers, die dem Schiff an der Alten Liebe in Cuxhaven[ds_preview] offiziell den Namen »Helgoland« gab. Damit folgt Cassen Eils einer alten Tradition, ihre Schiffe nach ihrem Reiseziel zu benennen, denn der Neubau wird künftig zwischen Cuxhaven und der Insel Helgoland verkehren.

Das für rund 31,5Mio. € auf der Fassmer-Werft in Berne an der Unterweser gebaute Seebäderschiff ist 83m lang, 12,60m breit und hat einen Tiefgang von 3,60m. Es ist der erste Neubau, der deutschlandweit mit einem LNG-Antrieb ausgestattet wurde. Dafür bekam die Reederei nach eigenen Angaben einen Zuschuss in Höhe von 4,175Mio. € von der Europäischen Union. Der Antrieb mit einer Leistung von insgesamt 5.000 kW bringt die »Helgoland« auf eine Höchstgeschwindigkeit von 20kn. Das von DNV GL als + 100 A5 E1 RSA (250) Passenger Ship EU + MC E AUT GF klassifizierte Schiff verfügt über 1.048 Sitzplätze, die sich auf acht Salonbereiche, ein Atrium mit gläsernem Fahrstuhl über drei Decks sowie drei Oberdecksbereiche verteilen.

Schiffsdesign angepasst

Nach der Auftragsvergabe erfolgte im April 2013 der Startschuss für den Neubau. Dabei galt es gleich zu Beginn einige Herausforderungen zu meistern, so Werft-Geschäftsführer Harald Fassmer. Vieles habe sich in den Tagen der ersten Pläne ergeben, denn die neue LNG-Technik, basierend auf -162 °C heruntergekühltem flüssigen Erdgas, habe manche erstmalige technische Lösung zur Folge gehabt. Gleich mehrere Protoypen sind Fassmer zufolge eingebaut worden. Das hat sich auch auf die Ausmaße des Neubaus ausgewirkt. »Gegenüber den ersten Plänen zur Beauftragung ist das Schiff um 4m länger geworden«, erklärt Fassmer. Ursprünglich sei ein 79m langes Fahrzeug geplant gewesen. Ferner habe sich die Breite auf den Spanten um 20cm auf nunmehr 12,60m erhöht und auch der Tiefgang habe auf 3,60m zugenommen.

Die Kiellegung des aus 20 großen Sektionen gefertigten Schiffes erfolgte schließlich am 16. Juli 2014 auf der Hullkon Werft in Stettin, Polen. Knapp ein halbes Jahr später wurde der Kasko nach Berne überführt. Der Rumpf und die Aufbauten des Schiffes sind aus Stahl konstruiert, während das Brückenhaus aus Aluminium gefertigt wurde.

Technische Ausstattung

Wärtsilä lieferte das komplette Dual-Fuel-Antriebssystem sowie das sogenannte LNGPac, ein Gasbunker- und Tanksystem inklusive der dazugehörigen Sicherungs- und Regelungsvorrichtungen. Als Hauptantrieb kommen zwei gut 10t schwere 9-Zylinder-Dual-Fuel-Motoren des Typs DF20 zum Einsatz. Gegenüber dem Vorgängermodell liefern sie 5% mehr Leistung bei einem um 7% geringeren Verbrauch. Sie leisten jeweils 1.665 kW. Die Zündug erfolgt durch Diesel-Hochdruckeinspritzung. Um sie in den Schiffskörper einzusetzen, sei an der Steuerbordseite des Rumpfes, in Höhe des Maschinenraums, ein passend großes Loch gebrannt worden. Der Einbau der beiden jeweils 6t wiegenden 700 kW Übersetzungsgetriebe mit Leistungsentnahme PTO (Power Take Off) und Leistungszuführung PTI (Power Take In) und der beiden von MAN Rollo gelieferten Generatoren sei auf dieselbe Weise erfolgt. Die Hauptmaschinen treiben zwei 2.600mm Wärtsilä Controlled Pitch Propeller an, für verbesserte Navigationseigenschaften sorgt eine Querstrahlanlage im Bug. Die drei jeweils gut 6t schweren 500-kW-Hilfsmotoren, an die jeweils ein Generator zur Stromproduktion angeschlossen ist, seien wiederum durch ein eigens ausgebranntes Montageloch an der Backbordseite an Bord gehievt worden.

Der 53-m3-LNG-Tank, das eigentliche Herzstück der »Helgoland«, wurde den Angaben zufolge bereits zu einer sehr frühen Bauphase eingesetzt. Im Schiffskörper ist er separiert, was das Risiko einer Gasexplosion deutlich vermindern soll. Zusätzlich lieferte Wärtsilä ein patentiertes Kälterückgewinnungssystem, das die latente Wärme von LNG für das Klimasystem des Schiffes nutzt und dabei die in den Kältekompressoren verbrauchte Strommenge reduziert. Dies führe zu markanten betrieblichen Einsparungen, so der finnische Hersteller. Wärtsilä hatte bereits die LNG-Technik für den Umbau der Borkumfähre »Ostfriesland« geliefert, die (s. HANSA 08/2015), die die AG Ems im Sommer 2015 wieder in Betrieb genommen hatte.

Die gesamte Elektrik und Elektronik stammt von Imtech Marine, während die Navigationstechnik von Furuno und Transas geliefert wurde. Um die Gefahr eines Brandes einzudämmen, kommt der Isolierung eine besondere Rolle zu. Deshalb sind die Wände und Decken im Schiff lückenlos mit angeschweißten Drahtstiften (Schweißpins)

versehen, die zum Fixieren der nicht brennbaren Wollmatten des Hamburger Herstellers Paroc als Wärme-, Schall- und Brandschutz dienen. Rockwool und Kae­fer lieferten ebenfalls Isoliermaterialien.

okus auf Umwelt

Eine herausragende Eigenschaft des mit 2.150 BRZ vermessenen Seebäderschiffs sei seine Umweltbilanz, heißt es. »Im Vergleich zu einem herkömmlichen Schiff sparen wir bis zu 1Mio. l Mineralöl im Jahr ein«, beschreibt Michael Baumfalk, Projektleiter der Reederei. Gleichzeitig habe dies positive Auswirkungen für die Umwelt, denn das bedeute rund 570 t weniger (-20%) CO2, ca. 15 t weniger SOx (-99%)

und 32 t (-80%) weniger NOx.

Darüber hinaus fällt

aufgrund des LNG-Antriebs kein

Feinstaub an. »Den blauen Engel haben wir als Prädikat auch bereits beantragt«, sagt Baumfalk. Die Betankung der »Helgoland« mit Flüssiggas erfolgt durch Bomin Linde per Tanklastwagen in Cuxhaven.

racht und Passagiere

Neben demAntrieb ist für die zur Ems-Gruppe gehörende Reederei Cassen Eils auch die Beförderung von Fracht und Passagieren auf einem Schiff ein Novum. Bisher seien lediglich kleinere Stückfrachten und Post transportiert worden. »Zukünftig haben wir nun die Möglichkeit, bis zu zehn Stück Zehn-Fuß-Container zu befördern, die mit dem eigenen Schiffskran bewegt werden«, sagt Peter Eesmann, Geschäftsführer der Reederei Cassen Eils. Alternativ können auch zwei 20-Fuß-Boxen mit dem für ein Gewicht von 10t ausgelegten bordeigenen Kran des Herstellers Heila Cranes an Deck genommen werden.

Um das Rollverhalten bei Seegang zu reduzieren, wurde der Rumpf mit dynamischen Stabilisatoren versehen. Den Angaben zufolge können diese die Rollbewegung des Schiffes um bis zu 90% verringern. Damit soll den Passagieren eine möglichst ruhige Überfahrt ermöglicht werden.

Die mit der IMO-Nummer 9714862 ausgestattete »Helgoland« ist für eine Nutzungsdauer von etwa 30 bis 40 Jahren konzipiert und fährt unter deutscher Flagge.

Ursprünglich war die Taufe des Schiffs für Juli 2015 geplant. Wegen der neuen Antriebstechnik waren jedoch immer wieder teils komplizierte Änderungen an Schiff und Regelungstechnik erforderlich, wodurch sich die Übergabe an die Reederei verzögerte.

Thomas Wägener