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Die auf der auf der Nationalen Maritimen Konferenz angekündigte

Anpassung der Schiffsbesetzungsverordnung könnte – entgegen der Intention – einen Verlust des maritimen Know-how in Deutschland bedeuten. Der Schiffsmechaniker als Ausbildungsberuf ist in Gefahr
Ob die beschlossene Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts in der Seeschiff­fahrt auf 100% auch dann noch ein geeignetes Mittel für die[ds_preview] Sicherung einer Beschäftigung auf Schiffen unter deutscher Flagge ist, ist zweifelhaft, sollte – wie vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) auf der Nationalen Maritimen Konferenz im Oktober 2015 angekündigt – die Schiffsbesetzungsverordnung »zeitgemäß angepasst« werden. Die vom Verband Deutscher Reeder (VDR) vorgeschlagene Änderung hat das Ziel, die vorgeschriebene Anzahl deutscher oder europäischer Seeleute auf Schiffen unter deutscher Flagge zu reduzieren. Das würde unter anderem bedeuten, dass der auf größeren Schiffen nötige Schiffsmechaniker künftig nicht mehr vorgeschrieben wäre. Es bedarf keiner prophetischen Gabe, um vorauszusehen, dass nicht vorgeschriebene Schiffsmechaniker wohl auch nicht mehr beschäftigt werden.

Die Grundlagen für das maritime Know-how können allein mit einer Beschäftigung auf Seeschiffen nicht geschaffen werden – es sei denn, man würde das Ableisten von Seefahrtzeiten – zum Beispiel als Wachoffizier – unzulässigerweise mit einer beruflichen Ausbildung gleichsetzen. Grundlegende Voraussetzung für den Erhalt und die Sicherung der maritimen Expertise ist zunächst und vor allem der Erwerb der erforderlichen beruflichen Qualifikationen im Rahmen eines geordneten Ausbildungsgangs, und zwar für einen Beruf mit hinreichenden Beschäftigungsmöglichkeiten. Da die Begründung des Gesetzentwurfs zur Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts keine näheren Angaben zur Art des maritimen Know-how enthält, beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen auf den Schiffsmechaniker sowie den nautischen und technischen Schiffsoffizier.

Know-how des Schiffsmechanikers

Der Schiffsmechaniker ist der einzige staatlich anerkannte Ausbildungsberuf in der deutschen Seeschifffahrt. Die duale Berufsausbildung, neu geregelt durch die See-Berufsausbildungsverordnung von 2013, wird von den ausbildenden Reedereien im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses durchgeführt. Sie dauert drei Jahre und vermittelt alle Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten für eine qualifizierte Berufstätigkeit als Facharbeiter im Decks- und Maschinenbetrieb eines Seeschiffes.

Allgemein gilt die duale Berufsausbildung als Garant der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Deutschlands. Das duale System der Berufsausbildung, eine Kombination von theoretischem Berufsschulunterricht und praktischer Ausbildung im Betrieb, ist seit geraumer Zeit weltweit anerkannt und hat sich laut Bundesregierung zu einem »Exportschlager« entwickelt. Dass Deutschland mit rund 7% eine deutlich geringere Jugendarbeitslosigkeit aufweist als zum Beispiel Griechenland, Frankreich oder Großbritannien mit rund 50, 25 bzw. 15%, ist zum erheblichen Teil dem dualen Berufsausbildungssystem zuzuschreiben.

Schiffsmechaniker scheinen jedoch nach Auffassung des VDR für die Besetzung von Seeschiffen bzw. für einen sicheren und reibungslosen Schiffsbetrieb nicht erforderlich zu sein. Mit der Streichung in der Schiffsbesetzungsverordnung würden die Beschäftigungsmöglichkeiten im erlernten Beruf entfallen und damit die wichtigste Voraussetzung für die staatliche Anerkennung als Ausbildungsberuf. Der Schiffsmechaniker müsste als anerkannter Ausbildungsberuf aufgehoben werden. Grundsätzlich müsste der Ausbildungsberuf Schiffsmechaniker auch dann aufgehoben werden, wenn der alleinige Zweck der Berufsausbildung eine Weiterbildung zum Schiffsoffizier wäre.

Sollte die Berufsausbildung zum Schiffsmechaniker trotz nicht vorhandener Beschäftigungsmöglichkeiten dennoch weiterhin durchgeführt werden, wäre er – ähnlich wie der Matrose bis Mitte der 1980er-Jahre – endgültig ein sogenannter Durchgangsberuf auf dem Wege zum Schiffsoffizier.

Laut einer Erhebung der Berufsbildungs­stelle Seeschifffahrt planten in den Jahren von 2009 bis 2014 rund 85% der erfolgreichen Absolventen der Schiffsmechanikerprüfung eine Weiterbildung zum Schiffsoffizier, 6% eine Berufstätigkeit als Schiffsmechaniker und 9% einen Berufswechsel. Offensichtlich werden die Berufsaussichten eines Schiffsoffiziers, dessen Ausbildung auf einer Berufsausbildung zum Schiffsmechaniker aufbaut, von den betroffenen Seeleuten als besonders aussichtsreich beurteilt. Auch die ausbildenden Reedereien hatten und haben ein Interesse daran, dass sich ihre Schiffsoffiziere auch als Schiffsmechaniker qualifiziert haben. Diese Einschätzungen zeigen, dass die Berufsqualifikation des Schiffsmechanikers im Schiffsbetrieb grundsätzlich für erforderlich gehalten wird – allerdings nicht in der Person des Mechanikers, sondern als Zusatzqualifikation des Offiziers.

Die Berufsausbildung zum Schiffsmechaniker wurde zuletzt durch die See-Berufsausbildungsverordnung von 2013 grundlegend überarbeitet. Anlass hierzu waren die Ausbildungsanforderungen an die Vollmatrosen Deck und Vollmatrosen Maschine nach dem STCW-Übereinkommen in der Fassung von 2010, die vollständig in das Ausbildungsberufsbild des Schiffsmechanikers und in den daraus abgeleiteten Ausbildungsrahmenplan eingearbeitet wurden.

Ferner wurde der länderübergreifende Rahmenlehrplan für den Berufsschulunterricht nicht nur auf den betrieblichen Teil der Berufsausbildung abgestimmt, sondern auch auf die STCW-Anforderungen. Von noch größerer Bedeutung war, dass die Berufsausbildung der Seeleute mit dem Seearbeitsgesetz im Jahr 2013 erstmals eine gesetzliche Grundlage erhielt. Entsprechende Bemühungen in den 50 Jahren zuvor waren bis dahin ohne Erfolg geblieben.

Ebenso überraschend wie erstaunlich ist, dass bereits zwei bis drei Jahre nach einer derart umfassenden und grundlegenden Änderung des Berufsbildungsrechts in Erwägung gezogen wird, den Schiffsmechaniker in der Schiffsbesetzungsverordnung zu streichen.

Know-how des Schiffsoffiziers

Sollten Ausbildung und Beschäftigung im Ausbildungsberuf Schiffsmechaniker künftig entfallen, würde sich die praktische Ausbildung an Bord von Seeschiffen letztlich im Wesentlichen beschränken auf eine zwölf- bzw. 18-monatige Ausbildung und Seefahrtzeit als Offiziersassistent oder als Praktikant, also auf die berufspraktischen Voraussetzungen für eine Ausbildung zum Schiffsoffizier an einer Fach- oder Fachhochschule. Eine solche Entwicklung würde sich mehr oder weniger nachteilig auf die Ausbildung auswirken.

Hinzu kommt, dass die deutsche Schiffsoffizier-Ausbildung durch die Umsetzung der Ausbildungsanforderungen des STCW-Übereinkommens Abstriche in der Qualität hinnehmen musste. Deutlich wird dies unter anderem durch die im STCW-Code geforderte, sogenannte »Mindest-Befähigungsnorm« (minimum standard of competence) für nautische und technische Wach­offiziere, die mit Hilfe vorgegebener Verfahren und vor allem durch die Beurteilung von einzelnen, genau beschriebenen Mindestbefähigungen oder Ausbildungsmodulen nachzuweisen ist. Es ist inzwischen gesicherte Erkenntnis, dass sich die Einführung international festgelegter, standardisierter Ausbildungsmodule durch die damit verbundene Nivellierung negativ auf die Qualität der Hochschulausbildung in den betreffenden Ländern ausgewirkt hat.

Ein Beleg für eine Minderung der Ausbildungsqualität ist die Tatsache, dass die Ausbildung für den Erwerb der nautischen und technischen Befähigungszeugnisse sowohl an Fachschulen als auch an Fachhochschulen stattfinden kann.

Der Beitrag der Reedereien

Mit einer Aufhebung der dreijährigen Berufsausbildung zum Schiffsmechaniker könnte der von den Reedereien zu erbringende Aufwand für den Erhalt des maritimen Know-how drastisch gesenkt werden. Besonders deutlich wird dies mit Blick auf die im Berufsausbildungsvertrag aufgeführten Aufgaben und Pflichten der ausbildenden Reedereien, die künftig nicht mehr wahrgenommen werden müssten. Hierbei handelt es sich insbesondere um:

die Planung der Ausbildung unter Zugrundelegung des Ausbildungsrahmenplans

die Ausbildung auf der Grundlage eines betrieblichen Ausbildungsplans auf einem als Ausbildungsstätte anerkannten Schiff

die Bestellung eines persönlich sowie fachlich geeigneten Ausbilders

die Übertragung ausschließlich ausbildungsbezogener Arbeiten

die Überwachung der ordnungsgemäßen Führung der Ausbildungsnachweise

die Anmeldung und Freistellung der Auszubildenden für den Berufsschulbesuch, die überbetriebliche Ausbildung und die Abschlussprüfungen sowie Übernahme der hierfür entstehenden Kosten

Ohne die Berufsausbildung zum Schiffsmechaniker beschränken sich die Beiträge der Reedereien zum Erhalt des maritimen Know-how auf die zwölf- bzw. 18-monatige Ausbildung und Seefahrtzeit als nautischer oder technischer Offiziersassistent. Die Ausbildung gilt als ordnungsgemäß abgeschlossen, wenn der Offiziersassistent Folgendes nachweist:

die vorgeschriebene Seefahrtzeit,

eine Sicherheitsgrundausbildung,

eine Grundausbildung in der Metallbearbeitung (nur für technische Offiziersassistenten) und

die ordnungsgemäße Führung des Berichtshefts und des Training Record Book.

Seit Mitte der 1990er-Jahre kann die Offiziersassistenten-Ausbildung auch in Form von Praxissemestern durchgeführt werden. Die Einführung eines Fachhochschulpraktikums wurde seitens der nautischen Fachhochschulen unter anderem damit begründet, dass die lange Ausbildungsdauer und die hohen Anforderungen der Berufsausbildung zum Schiffsmechaniker mögliche Bewerber für ein Studium abschrecken würden. Darüber hinaus wurde auch und vor allem darauf hingewiesen, dass die von den Reedern zu tragenden hohen Ausbildungskosten durch Praxissemester deutlich gesenkt werden könnten.

Die vom Bund angekündigte und vom VDR vorgeschlagene zeitgemäße Anpassung der Schiffsbesetzungsverordnung würde die Streichung des Schiffsmechanikers in der Schiffsbesetzungsverordnung zur Folge haben und damit letztlich zur Aufhebung des einzigen staatlich anerkannten Ausbildungsberufs in der Seeschifffahrt führen. Der von den Reedereien zu leistende Beitrag für der Erhalt des maritimen Know-how würde sich somit sehr deutlich auf eine Ausbildung und Seefahrtzeit als Offiziersassistent oder Praktikant für angehende Schiffsoffiziere verringern.
Hans Wilhelm Hoffmann