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»EnBW Baltic 2« ist seit einem halben Jahr am Netz, der Startschuss

für »Wikinger« ist gefallen. In der Ostsee geht es voran beim Ausbau der Offshore-Windenergie. Für die Zukunft lassen die derzeitigen gesetzlichen Regelungen allerdings nichts Gutes erahnen.
Ein gutes Jahr war 2015 für die heimische Offshore-Windbranche: Insgesamt haben 546 Offshore-Windkraftanlagen mit einer Leistung von 2.282,4[ds_preview] MW zum ersten Mal Strom produziert. Nach Angaben der Deutschen WindGuard waren damit zum Jahreswechsel 792 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 3.294,9 MW am Netz – ein rasanter Zuwachs innerhalb von nur zwölf Monaten also, der im Wesentlichen auf Nachholeffekte bei der Netzanbindung zurückzuführen ist. Die meisten Offshore-Windparks entstehen nach wie vor in der Nordsee, doch auch in der Ostsee ging es zuletzt voran. Nachdem seit der Einweihung des ersten größeren Ostsee-Projekts »EnBW Baltic 1« im Mai 2011 gut vier Jahre vergangen waren, nahm Energiekonzern EnBW vorigen September mit »EnBW Baltic 2« seinen zweiten Meereswindpark offiziell in Betrieb.

Alles in allem sind damit in der Ostsee nun 102 Anlagen mit einer Leistung von 338,8 MW ans Netz angebunden, was etwa 10% der aktuellen deutschen Offshore-Kapazität entspricht. Den Anfang machte vor zehn Jahren eine einzelne 2,5-MW-Nearshore-Anlage des Herstellers Nordex, die seit Februar 2006 nur wenige hundert Meter vom Rostocker Seehafen entfernt Strom erzeugt. Fünf Jahre später drückte Bundeskanzlerin Angela Merkel dann den Startknopf für den ersten Windpark in der Ostsee und machte durch ihre Anwesenheit deutlich, wie wichtig die Offshore-Windenergie insbesondere auch für den Standort Mecklenburg-Vorpommern ist. »EnBW Baltic 1« (48,3 MW) wurde rund 16km nördlich vom Darß innerhalb der 12-sm-Zone errichtet und besteht aus 21 2,3-MW-Anlagen von Siemens. Die Anlagen, die auf Monopile-Fundamenten in Wassertiefen zwischen 16 und 19m installiert sind, erzielen nach Angaben von EnBW einen jährlichen Stromertrag von 185 GWh und können so den Bedarf von rund 50.000 Haushalten decken.

Startschuss für dritten Windpark

Mit »EnBW Baltic 2« (288 MW) entfernte sich das Unternehmen weiter von der Küste und stellte mehr und leistungsstärkere Turbinen in größeren Wassertiefen auf, wodurch auch die logistischen Herausforderungen im Vergleich zum Premieren-Projekt noch einmal anwuchsen. Deutlich wurde das unter anderem daran, dass unterschiedliche Konzepte zur Installation der Fundamente entwickelt werden mussten, denn EnBW entschied sich für eine Kombination aus zwei Gründungstypen: In dem rund 32km nördlich von Rügen in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) errichteten Windpark kamen in Wassertiefen bis zu 35m insgesamt 39 Monopiles zum Einsatz, ab 35m wurden 41 Jackets installiert. Die 80 3,6-MW-Turbinen von Siemens werden von Service-Technikern gewartet, die jeweils zwei Wochen am Stück auf dem im vorigen Jahr getauften Service Operation Vessel »Esvagt Froude« (s. HANSA 8/2015) direkt im Windpark untergebracht sind.

Für das dritte Offshore-Projekt in der deutschen Ostsee ist gerade der Startschuss gefallen. Mitte März hat der spanische Energiekonzern Iberdrola in der AWZ rund 35km nordöstlich von Rügen mit dem Bau von »Wikinger« (350 MW) begonnen. In Wassertiefen zwischen 37m und 43m sollen dort bis Ende 2017 70 5-MW-Anlagen des Bremerhavener Turbinenproduzenten Adwen auf Jackets installiert und ans Netz angeschlossen werden. Wie EnBW hat sich auch Iberdrola für den Fährhafen Sassnitz als Basishafen entschieden. Anfang des Jahres haben die beiden Unternehmen mit einem neuen Beispiel für eine Kooperation in der Offshore-Branche auf sich aufmerksam gemacht: Per Vertrag sicherten sich die Spanier für die Zeit der Bauphase Dienstleistungen der Baden-Württemberger für die Bereiche Schiffsverkehrskoordination, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit sowie Umweltschutz im Baufeld.

Eine weitere Genehmigung in der AWZ liegt derzeit für »Arkona Becken Südost« vor, das erste Ostsee-Projekt des Energiekonzerns Eon. Auch Eon hat den Fährhafen Sassnitz als Logistikschwerpunkt gewählt, über eine Netznutzungskapazität von 385 MW verfügt das Unternehmen bereits. Eine finale Investitionsentscheidung gibt es allerdings noch nicht: Die bereite man derzeit vor, heißt es aus der Konzernzentrale, in den nächsten Monaten wolle man Klarheit haben. Ziel ist es, den Windpark bei positiver Investitionsentscheidung bis zum 1. Januar 2020 und damit im Rahmen des aktuell gültigen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ans Netz zu bringen, um nicht unter das neue Ausschreibungsmodell mit seinen unsicheren Einspeisevergütungen zu fallen.

»Wir werden ausgebremst«

Und wie geht es danach weiter? In der Ostsee-AWZ sind darüber hinaus keine weiteren Windparks genehmigt, es laufen aber beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie diverse Genehmigungsverfahren. Das Land Mecklenburg-Vorpommern arbeitet gerade an einem neuen Landesraumentwicklungsprogramm und will in diesem Zusammenhang auch Vorranggebiete für Windkraftanlagen innerhalb der 12-sm-Zone einrichten, um so die Windenergiepotenziale des Küstenmeeres verstärkt nutzen zu können. Zwar hat die Landesregierung nach lautstarken Protesten aus der Tourismusbranche die ursprünglichen Pläne deutlich eingeschränkt, doch wird nach jetzigem Stand noch Potenzial für einige zusätzliche Offshore-Windparks übrig bleiben. Das Problem dabei: Die Bundesregierung hat mit dem EEG 2014 die Ausbauziele massiv nach unten geschraubt, und beim Netzausbau steht nach wie vor die Nordsee im Fokus. Laut aktuellem Entwurf des Offshore-Netzentwicklungsplans (O-NEP) 2025, den die Übertragungsnetzbetreiber kürzlich zur Bestätigung an die Bundesnetzagentur übergeben haben, sieht der bereits genehmigte Szenariorahmen für die Ostsee einen Ausbaustand von 1.200 bis 1.300 MW im Jahr 2025 und von höchstens 1.900 MW im Jahr 2035 vor. Da schon nach dem Eon-Projekt knapp 1.100 MW erreicht sein werden, zeichnet sich ab, dass vor diesem Hintergrund in den kommenden knapp 20 Jahren nur noch zwei bis drei weitere Meereswindparks hinzukommen könnten.

Für Andree Iffländer ist das nicht nachvollziehbar. »Es ist uns endlich gelungen, hier nach einer mehrjährigen Startphase eine gewisse Kontinuität zu entwickeln«, sagt der Vorsitzende des in Rostock ansässigen WindEnergy Networks. »Und gerade jetzt, wo wir Know-how aufgebaut haben und durch einen stetigen Ausbau die Kosten senken könnten, werden wir ausgebremst.« Das EEG und der O-NEP berücksichtigten die Potenziale der Ostsee in keinster Weise, kritisiert er – und das, obwohl der Netzanschluss dort aufgrund der relativen Küstennähe schneller und günstiger umzusetzen sei als in der Nordsee. »1.900 MW bis 2035, das ist doch keine Perspektive«, ärgert sich Iffländer. Das gelte im Übrigen auch für die Industrie in Mecklenburg-Vorpommern, die sich in den vergangenen Jahren verstärkt auf die Offshore-Windenergie eingestellt habe, wie das Beispiel Nordic Yards stellvertretend für viele andere zeige. »Wir sehen das mit großer Sorge und befürchten, dass viele Unternehmen aufgeben oder sich anderen Geschäftsfeldern zuwenden müssen, wenn die Politik da nicht noch einmal gegensteuert.«M
Anne-Katrin Wehrmann