Print Friendly, PDF & Email

Es hat länger gedauert als geplant, aber jetzt ist sie fertig: die erste Wohnplattform für einen deutschen Offshore-Windpark. Das 2.500 t schwere Bauwerk wurde in der Nordsee aufgestellt

Die Errichtung der Plattform im Windpark »DanTysk« 70km vor Sylt sollte im Herbst 2014 erfolgen. So hatten es die Windpark[ds_preview]-Bauherren Vattenfall und Stadtwerke München (SWM) im Oktober 2012 angekündigt, als sie die Auftragsvergabe für den Bau der in Deutschland bislang einmaligen Wohnplattform verkündeten. Der Auftrag ging an den Kieler Nobiskrug-Standort, heute German Naval Yards. Vor einem Jahr sollte der Stahlkoloss dann schon einmal zu seinem Einsatzort geschleppt und installiert werden, die benötigten Schiffe waren dem Vernehmen nach schon bestellt. Doch kurz vor dem Termin wurde die Aktion wieder abgeblasen. Zu den genauen Hintergründen will sich keiner der Beteiligten äußern. »Wir sind damals zu dem Ergebnis gekommen, dass es besser ist, die Endausrüstung auf einer anderen Werft machen zu lassen«, sagt Gunnar Groebler, Chef des Geschäftsbereichs Wind bei Vattenfall, dazu lediglich. »Jetzt schauen wir nach vorne und freuen uns auf die Inbetriebnahme der Plattform, alles andere ist vorbei.«

Nutznießer dieser Entscheidung war die Emder Werft und Dock GmbH (EWD), die sich letztlich den Auftrag zur Endausrüstung sicherte. Im Oktober 2015 wurde die Plattform auf einer Transportbarge von Kiel durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Emden geschleppt, wo in rund sieben Monaten unter anderem der Innenausbau und die Elektrik fertig gestellt wurden. Insgesamt sollen dort noch einmal 250.000 Arbeitsstunden angefallen sein, ist zu hören. »Das war für uns ein spannendes, gigantisches Projekt«, berichtete EWD-Geschäftsführer Christian Eckel kurz vor dem Sail-Out Ende Mai beim Ortstermin in Emden. Für sein auf Reparaturen, Nachrüstungen und Umbauten spezialisiertes Unternehmen sei dies ein wichtiger Auftrag gewesen: »Nicht nur, weil er Arbeit geschaffen hat – sondern auch, weil wir zeigen konnten, dass wir auch Neubauten ausrüsten können«, so Eckel.

»Die beste Lösung«

In dieser Form ist die neue Wohnplattform bislang einzigartig. Zwar gibt es vergleichbare Konzepte aus der Öl- und Gasindustrie, und in Dänemark ist in einem Offshore-Windpark eine kleinere Wohnplattform für sechs Monate im Jahr in Betrieb. Ein ganzjährig genutztes »Meereshotel« in dieser Größenordnung hat es allerdings im Bereich der Windenergie noch nicht gegeben. In anderen Offshore-Windparks werden die Techniker je nach Küstenentfernung entweder vom Festland oder einer benachbarten Insel zur Arbeit gebracht oder aber auf einem Hotel-Schiff untergebracht. Im Fall von »DanTysk« beträgt die Entfernung zum nächsten größeren Offshore-Hafen Esbjerg knapp 100km: Allein die An- und Abfahrt mit dem Schiff würde da schon jeden Tag rund sieben Stunden dauern.

»Sowohl ökonomisch als auch technisch und von der Arbeitssicherheit ist die Wohnplattform für uns die beste Lösung«, betont Gunnar Groebler. Etwa 100Mio. € hat sie gekostet und liegt damit nach Angaben des Vattenfall-Wind-Chefs trotz der Verzögerungen nur »knapp über dem ursprünglichen Budget«. Man habe das Projekt immer wieder durchgerechnet und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es einfach sinnvoll sei. Erhöht wird die Wirtschaftlichkeit dadurch, dass Vattenfall und SWM derzeit in direkter Nachbarschaft zu »DanTysk« ihren zweiten gemeinsamen Nordsee-Windpark »Sandbank« bauen und später auch die dort eingesetzten Serviceteams auf der Plattform unterbringen wollen. Insgesamt 50 Personen können auf der »DanTysk OAP« (Offshore Accommodation Platform) untergebracht werden, für alle stehen Einzelzimmer bereit.

Insgesamt besteht das Bauwerk aus fünfeinhalb Decks, wobei sich der Wohnraum in den oberen Decks befindet und darunter unter anderem Technik, Werkstätten, Umkleideräume und Gastronomie untergebracht sind. Die Topside ist 20m hoch und steht rund 20m über dem Meeresspiegel auf einem 1.300t schweren Jacket-Fundament, das die Nordseewerke in Emden produziert haben. An der Fertigung der Plattform bei German Naval Yards waren rund 120 Mitarbeiter beteiligt. Gebaut wurden die einzelnen Decks in drei Blöcken, die dann zusammengeschweißt wurden. Exakte standardisierte Bauvorschriften gab es laut Vattenfall für das Projekt nicht. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) habe den Bau zwar genehmigt, heißt es in einem Internet-Beitrag des Unternehmens vom vorigen Jahr, doch auf dem Meer sei nicht alles geregelt: »Die Baupläne richten sich nach den Vorschriften für den Hausbau.« Man habe hier die Windkraft mit all ihren Eigenheiten und Anforderungen mit denen von Schiff- und Hochbau zusammengebracht, was zu regelmäßigen Diskussionen geführt habe.

Fester Boden unter den Füßen

Anfang Juni folgte dann der Moment, auf den alle Beteiligten lange hingearbeitet hatten: Das Errichterschiff »Stanislav Yudin« des Offshore-Dienstleisters Seaway Heavy Lifting installierte die Plattform auf dem kurz zuvor verankerten Fundament, ihre Inbetriebnahme soll nun bis Anfang August abgeschlossen werden. Dann können die Techniker einziehen, die im Wechsel 14 Tage Dienst und 14 Tage frei haben werden und sich nach Aussage von »DanTysk«-Betriebsleiter Christof Huß schon auf ihre neue Unterkunft freuen.

Einer der großen Vorteile sei es, dass die Teams nach Feierabend wieder festen Boden unter den Füßen hätten, meint er: »Im Vergleich zur Unterbringung auf einem Hotelschiff ist dies ein wesentlicher Zugewinn an Komfort und Lebensqualität, wenn man nach einer 12-Stunden-Schicht auf den Windrädern nicht auf schwankendem Untergrund übernachten muss.« Zur Vorfreude dürfte auch beitragen, dass die OAP über verschiedene Freizeitangebote wie einen Fitnessraum sowie Gemeinschaftsräume mit Billardtisch, Videospielen und anderem mehr verfügt. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Arbeitsmaterial erfolgt, ebenso wie die Entsorgung der Abfälle, in regelmäßigen Abständen per Schiff. Für den laut Vattenfall »eher unwahrscheinlichen Fall«, dass die Plattform von der Außenwelt abgeschnitten sein sollte, kann sie sich bis zu zwei Wochen komplett autark versorgen.

Gunnar Groebler zeigt sich überzeugt davon, dass das neue Konzept einen Beitrag zur Kostensenkung leisten wird, da durch den flexiblen Einsatz der Techniker Betrieb und Wartung der insgesamt 152 Offshore-Turbinen in den beiden Windparks »kostenoptimiert« machbar seien. Bei passenden Rahmenbedingungen würde er sich jederzeit wieder für eine Wohnplattform entscheiden, sagt er: »Insbesondere bietet sich das an, wenn die Entfernung zur Küste groß ist und ausreichend viele Anlagen vorhanden sind. Da gibt es sicher auch in Deutschland noch Projekte, wo das infrage kommen könnte.«


Anne-Katrin Wehrmann