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Die Offshore-Windbranche wird derzeit beherrscht von der Kritik am revidierten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Der Bundesregierung fehle ein Masterplan für die Energiewende, heißt es. Branchenvertreter haben nun fünf zentrale Forderungen verfasst

Wie im Vorjahr hatten sich nach Angaben der Windenergie-Agentur WAB wieder rund 400 Teilnehmer zur dreitägigen Windforce-Konferenz angemeldet[ds_preview], die nach der im März verkündeten Absage des Messeteils (HANSA 4/2016) erstmals in der Bremer Veranstaltungshalle BLG-Forum stattfand. Vor dem Hintergrund der anstehenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) hatten die Veranstalter kurzfristig eine eigene Session zu diesem Thema ins Programm genommen, und passender hätte der Zeitpunkt nicht gewählt sein können: Während die Vertreter der Offshore-Branche in Bremen über die Auswirkungen der neuen gesetzlichen Regelungen diskutierten, verabschiedete das Bundeskabinett in Berlin den von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgelegten Entwurf zum EEG 2016.

Schon zur Konferenzeröffnung war das neue EEG beziehungsweise das für den weiteren Ausbau der Offshore-Windenergie entscheidende Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) das beherrschende Thema. »Wir sind mit der Novelle des EEG nicht zufrieden«, machte WAB-Geschäftsführer Andreas Wellbrock gleich zu Beginn deutlich. So sei es aus seiner Sicht nicht nachvollziehbar, dass der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch nach dem Willen der Bundesregierung im Jahr 2025 nicht mehr als 45% betragen solle. Zum Vergleich: 2015 waren es bereits 33%. Auch der hinter dem Zeitplan zurückbleibende Ausbau der Stromnetze erweise sich als Hemmnis – die Leidtragenden seien die Erneuerbaren. »Für das Generationenprojekt Energiewende fehlt der Bundesregierung der Masterplan«, beklagte Wellbrock. »Es wird nur an den Symptomen herumgedoktert.«

»Den Kinderschuhen entwachsen«

Dabei blickt die deutsche Offshore-Windbranche auf ein äußerst erfolgreiches Jahr 2015 zurück, wie der WAB-Geschäftsführer noch einmal betonte. In der Nord- und Ostsee gingen voriges Jahr Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 2.300 MW erstmals ans Netz, und mit einer installierten Offshore-Leistung von nun etwa 3.500 MW liegt Deutschland in der »Offshore-Weltrangliste« inzwischen auf Platz zwei hinter Großbritannien und vor Dänemark. »Wir sind damit den Kinderschuhen entwachsen und befinden uns mitten in der Industrialisierung«, so Wellbrock. Das Fundament für eine künftig erfolgreiche Industriepolitik seien verlässliche Rahmenbedingungen, die einen signifikanten Zubau in heimischen Gewässern ermöglichten. Nach seiner Auffassung und der eines Großteils der Offshore-Branche ist das neue WindSeeG (s. HANSA 6/2016) jedoch wenig geeignet, dies zu leisten. Was die WAB stattdessen für erforderlich hält, hat sie in fünf Kernpunkten (s. Info-Kasten) auf einer überdimensionalen Postkarte notiert, die während der Windforce zum Unterschreiben bereitstand und im Anschluss an Minister Gabriel überbracht werden sollte.

Dessen Staatssekretär Uwe Beckmeyer hielt die Kritik für unangebracht. »Sie können mir glauben: Wir haben einen Masterplan«, sagte er an seinen Vorredner gewandt. Die Windenergie sei ein wichtiger Teil, aber eben nur ein Teil der Energiewende: Es komme entscheidend darauf an, dass die Energieversorgung der Zukunft sowohl sauber sei als auch sicher und bezahlbar bleibe. »Es muss verlässliche Lösungen auch für die geben, die bisher das Gros der Energieversorgung getragen haben«, betonte Beckmeyer. Unstrittig sei, dass die Industrialisierung der Offshore-Windbranche nicht erneut gefährdet werden dürfe. Man kenne den vielfach befürchteten »Fadenriss« bereits aus der Vergangenheit und wisse, was es bedeute, wenn hunderte Menschen ihre Arbeit verlören: »Das darf nicht wieder passieren und das wird auch nicht wieder passieren.«

Schiffe stoßen an ihre Grenzen

In der EEG-Session am zweiten Konferenztag kritisierte Urs Wahl von der Offshore-Wind-Industrie-Allianz (OWIA), dass der Netzausbau im neuen Gesetz nicht hinreichend berücksichtigt sei. »Das ist ein ganz zentrales Thema, das uns das Genick brechen kann – aber es wird nur stiefmütterlich behandelt.« Wenn der Offshore-Ausbau erfolgreich weitergehen solle, müsse sichergestellt werden, dass ab 2021 auch neue Netzanbindungssysteme gebaut würden. Aus juristischer Sicht beleuchtete Rechtsanwältin Ursula Prall von der Kanzlei Becker Büttner Held die neuen Regelungen. Unter anderem befasste sie sich mit dem Aspekt, dass bereits genehmigte oder in der Planung weit fortgeschrittene Projekte, die am Ende bei den Ausschreibungen keinen Zuschlag bekommen, nach dem Willen der Bundesregierung einfach eingestellt werden und dafür keine Entschädigung erhalten sollen. »Ich glaube, dass das verfassungswidrig ist«, machte Prall deutlich. »Da ist sicher noch mit einigen Rechtsstreits zu rechnen.«

Neben der EEG-Reform ging es bei der Windforce auch um Themen wie Kostensenkung, Finanzierung und Logistik sowie neue technologische Entwicklungen und aktuelle Praxisbeispiele. Insgesamt standen diesmal zwölf Sessions mit 60 Vorträgen auf dem Konferenzprogramm. Zum Thema Installation berichtete Martin Degen vom norwegischen Offshore-Dienstleister Fred. Olsen Windcarrier, dass die Turbinen und Fundamente in den vergangenen Jahren eine rapide Entwicklung in Sachen Leistung, Größe und Gewicht genommen hätten – und dass dies massive Auswirkungen auch auf die Leistungsfähigkeit der Errichterschiffe habe. So sei die erst 2012 gebaute »Brave Tern« seines Unternehmens jüngst modifiziert worden und habe längere Beine und einen längeren Kranausleger erhalten. Ihrer Schwester »Bold Tern« stehen entsprechende Umbauten unmittelbar bevor. »Wären die neuen Anlagengrößen schon beim Design der Schiffe abzusehen gewesen, hätten wir vermutlich viel Geld sparen können«, so Degen. Auch auf dem in den kommenden Jahren wachsenden Markt der Betriebs- und Wartungsarbeiten werde die heutige Schiffsgeneration an ihre Grenzen stoßen: »Es müssen neue Schiffe auf den Markt, und da schauen wir ganz genau hin.«

Die Windforce für das kommende Jahr ist bereits terminiert: Sie soll vom 9. bis zum 11. Mai 2017 stattfinden, dann wieder in Bremerhaven.


Anne-Katrin Wehrmann