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Die südostasiatischen Gewässer bleiben ein Risikogebiet. Daran ist nicht nur die Geographie, sondern auch die Politik schuld. Aktuelle Überfallberichte zeigen, dass sich auch die Terrorgruppe Abu Sayyaf als Piratenbande verdingt
Zu den jüngsten Attacken gehören drei Überfälle auf Schlepper zwischen Malaysia und den Philippinen, bei denen Seeleute entführt wurden. Im[ds_preview] März und April wurden »Brahma 12«, »Massive 6« und »Henry« Opfer von Piraterie, alle vor Ost-Sabah. Dies führte dazu, dass die malaysische Regierung die wichtige Route für Kohleverkehre zwischen Sabah und den Philippinen sperrte. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren die Attacken dadurch, dass in mindestens zwei Fällen die südphilippinische Terrorgruppe Abu Sayyaf involviert war. In der Region sorgt dies für einige Unruhe. 17 Terroristen entführten zehn indonesische und vier malaysische Seeleute der »Brahma 12« und forderten umgerechnet eine Million Dollar Lösegeld. Angeblich zahlte der Eigner des Schiffes. Weitere vier Seeleute wurden von Bord der »Henry« verschleppt.

Bei trilateralen Gesprächen initiierten Indonesien, Malyasia und die Philippinen eine neue Kooperation. Im betroffenen Seegebiet südlich der Philippinen soll ein militärisch gesicherter Transitkorridor für die Handelsschifffahrt eingerichtet werden. Dabei wolle man von den Erfahrungen in der Malakka-Straße profitieren, hieß es. Indonesien gilt als weltweit größter Exporteur von Kraftwerkskohle. 70% der philippinischen Importe werden aus Indonesien abgedeckt, dabei geht es nach allein für 2015 um 15Mio.t im Wert von rund 800Mio. $.

Ende Juni wurden weitere Kohlefrachter angegriffen und die Besatzungen entführt. Auch hier ist eine Beteiligung von Abu Sayyaf nicht auszuschließen. Die indonesische Regierung teilte mit, dass man so lange an dem Verbot von Kohletransporten auf die Philippinen festhalte, bis Manila eine Garantie abgibt, die eigenen Gewässer schützen zu können.

Unabhängig von der Debatte, ob es sich streng genommen um »Piraterie«, »Terrorismus« oder »bewaffnete Überfälle« auf See handelt, sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache. Die Nichtregierungsorganisation »Oceans Beyond Piracy« (OBP) zählte etwa für das vergangene Jahr 199 Vorfälle, 67% davon allein in den Straßen von Malakka und Singapur. Zwar gab es vor allem in der zweiten Jahreshälfte nur sehr wenige Attacken, bei denen Tanker für einen Ladungsdiebstahl entführt oder gar Seeleute gekidnappt wurden. Auch für die ersten fünf Monate dieses Jahres sind die Werte insgesamt rückläufig, ungeachtet einer Zunahme seit April. Das regionale zwischenstaatliche Antipiraterieprojekt ReCAAP zählt für Januar bis Mai 38 Vorfälle, ein Rückgang um 56% im Vergleich zum Vorjahr und der niedrigste Wert in den vergangenen vier Jahren. Dennoch ist eine Entwarnung nicht angebracht. Unter den schweren Vorfällen ist auch der Angriff auf einen Verband des Schleppers »Ever Prosper« und der Barge »Ever Dignity«, der Ende Mai vor Mukah im Osten Malaysias entführt wurde. Anfang Mai war die »Hai Soon 12« zwischen den indonesischen Inseln Sumatra und Borneo von Piraten in Besitz genommen worden, um Öl abzupumpen. Im März und April wurden drei Schiffe gekapert.

Die OBP-Analysten sind trotzdem nicht unzufrieden mit der Entwicklung. »Der Ausbau der regionalen Kooperation in Bezug auf Patrouillen, Informationsaustausch und Strafverfolgung« habe 2015 eine Trendumkehr bewirkt, heißt es im Jahresbericht. Unter anderem haben Malaysia das »Special Task and Rescue Team« und Indonesien ein Quick Response Team an der Malakka-Straße ins Leben gerufen. Darüber hinaus gibt es offizielle Vereinbarungen für koordinierte Patrouillen zwischen Indonesien, Singapur, Malaysia und Thailand.

Derartige Maßnahmen sind in der Region, die seit dem Ende der Kolonialzeit stets durch ein ausgeprägtes Souveränitätsbewusstsein der einzelnen Anrainerstaaten geprägt ist, für Kenner schon verhältnismäßig weitgehend. Damit ist allerdings auch eine Schwäche politischer Initiativen in Südostasien benannt: Immer wieder wird Kooperation angekündigt. Letzten Endes bleiben aber oft nur »Papiertiger« übrig, weil die nationale Souveränität dann doch über gemeinsame Projekte gestellt wird. Indonesien und Malaysia weigern sich beispielsweise noch immer, dem ReCAAP-Regime beizutreten. »Die derzeitigen Anstrengungen haben durchaus Wirkung, könnten aber noch verbessert werden, beispielsweise durch »hot pursuits«, also die Möglichkeit, flüchtige Piraten auch in die Hoheitsgewässer von Nachbarstaaten hinein zu verfolgen«, schränkt OBP-Experte Matthew Walje die positive Beurteilung der politischen Initiativen ein. Vor Ostafrika war das zur Hochzeit der somalischen Piraterie insofern kein Problem, als das Somalia als »failed state« keine wirkliche Macht über sein Territorium und seine Gewässer hatte und die internationalen Einheiten begrüßt worden waren. In Südostasien ist dies in dieser Form undenkbar.

Abkommen nützen aber nur dann etwas, wenn sie über Erklärungen hinausgehen und umgesetzt werden. »Patrouillen und Papiertiger bringen nicht unbedingt etwas, wie man an den nach wie vor hohen Fallzahlen in Asien sieht«, sagt auch Dirk Steffen, Director Maritime Security beim Beratungsunternehmen Risk Intelligence. Vor allem sei es zwingend erforderlich, dass alle relevanten Staaten beteiligt seien.

Ein Kritikpunkt ist die mangelnde Ausstattung gemeinsamer Projekte und einzelner Einrichtungen. So ist eine effektive Kontrolle schlicht nicht möglich. »Die Kapazität reicht noch immer nicht aus, immerhin geht es um ein riesiges Seegebiet von 5,3Mio. sm2 allein in Südostasien «, so Walje.

Neben proaktiven Kontrollmaßnahmen ist die Strafverfolgung enorm wichtig. Die Festnahmen einiger Anführer der kriminellen Banden hätten abschreckende Wirkung erzeugt, so der OBP-Bericht. In diesem Jahr konnten 34 Beteiligte und Hintermänner der Attacken auf die Schiffe »Sun Birdie«, »Rehobot« oder »Orkim Harmony« festgesetzt werden. Im Fall der»Sun Birdie« wurden die Täter bereits zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Was mit ihnen geschieht, war allerdings zunächst unklar. Die Strafverfolgung gilt als großes Problem in der Region. Öffentlich sagen wollen das nur wenige. Nach Informationen der HANSA gibt es aber auch in Asien immer wieder Fälle, in denen Piraten nur kurzzeitig in Gewahrsam genommen werden, dann jedoch wieder auf freien Fuß kommen. Neben schwach ausgestatteten Justizsystemen spielt dabei Korruption eine Rolle.

Experten fordern daher auch eine Intensivierung der juristischen Aufarbeitung von Piraterie-Fällen. »Das darf nicht vernachlässigt werden, die Seeleute verdienen Gerechtigkeit«, sagt Walje.

Ungeachtet mancher Zweifel an der Effektivität der Kooperation zeigen die politischen Initiativen dennoch Wirkung. Das »Lloyd’s Market Association Joint War Committee« hat die Straße von Malakka aus der für Versicherungsprämien wichtigen »War Risk Zone« gestrichen. Damit wird das Risiko von Angriffen als geringer eingestuft. Malaysias Verteidigungsminister Datuk Seri Hishammuddin Hussein führte den Schritt auf die gemeinsamen Anstrengungen von Malaysia, Singapur, Thailand und Indonesien zurück. Dazu zählt er die Malacca Straits Sea Patrol (MSSP), die Luftüberwachung »Eye in the Sky« sowie die »Intelligence Exchange Group« (EIG). Der vermeintliche Erfolg soll nun auch in der Sulu-See mit den Philippinen und Indonesien wiederholt werden.

Die aktuellen Anstrengungen der südostasiatischen Staaten gegen die Piraterie sind – wie schon der Vergangenheit wieder einmal – durchaus positive Signale. Die Aktivitäten von Abu Sayyaf verschärfen die Situation zusätzlich. Ob die eingeleiteten Gegenmaßnahmen effektiv umgesetzt werden und Wirkung entfalten können, muss sich jedoch erst noch zeigen. Gelingt dies nicht, droht eine neue Verschlechterung der Situation für die Schifffahrt.